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Sport: Abfahrt mit Höhengewinn

Trainer Margreiter kennt sich aus mit schwierigen Fällen: Nun soll der Österreicher die deutschen Skifahrer an die Weltspitze bringen

Wien. Der Mann ist gebürtiger Tiroler, und trotzdem hat er – was für eine Überraschung – nichts Verschlagenes. Seine Augen lächeln freundlich, er hat zwar eine sonnengebräunte Haut, aber trotzdem nichts von diesen aalglatten Piz-Buin-Typen aus der Werbung. Und wenn er redet, geht ein Zuhörer nicht automatisch auf wachsame Distanz, weil er den Eindruck hat, der andere wolle einem gleich einen teuren, überzuckerten und alkoholarmen Glühwein verkaufen. Vor allem aber denkt Werner Margreiter nicht nur an Tirol. Stattdessen sagte er mal: „Ich kann nicht verstehen, warum ein Bub, der ein paar Kilometer hinter der österreichischen Grenze in Bayern aufwächst, schlechter Ski fahren soll als unsere Kinder.“ Verstanden haben diesen Umstand unzählige andere Tiroler zwar wahrscheinlich auch nicht, bei ihnen gibt es aber einen kleinen Unterschied zu Margreiter: Sie freuen sich darüber.

Margreiter nicht. Für ihn ist das Ganze ein wirklich großes Problem. Es geht schließlich nicht bloß um die deutschen Kinder, die schlechter Skifahren als die Talente in Österreich. Auch die deutschen Spitzen-Skifahrer hängen meist hoffnungslos hinter den besten Österreichern. Und seit 1. April 2003 ist das für Margreiter auch beruflich ein großes Problem. Seit diesem Tag ist Margreiter Cheftrainer der deutschen Herren-Mannschaft. Und seit er da ist, haben die deutschen Herren wieder diese Hoffnung, ziemlich weit vorne mitmischen zu können. Die hatten sie auch früher schon, gar keine Frage, aber mit der Phantasie allein ist es eben nicht getan. Die Hoffnungen wurden immer geringer, je trauriger die Resultate trotz aller Motivation waren. Also benötigten sie einen, dem sie glauben, dass nun alles besser wird. Margreiter ist dieser Mann. Einer, der nicht den erfolgsverwöhnten Tiroler heraushängen lässt und den Deutschen mit seinem landestypischen kehligen Dialekt signalisiert, dass sie nun weiß Gott noch viel zu lernen haben. Margreiter ist diese Mischung aus verständnisvollem Onkel und sehr erfolgsorientiertem, notfalls sehr hartem Profi. Und Margreiter hat ja auch schon erste Erfolge. Beim Slalom in Madonna di Campiglio wurde Felix Neureuther überraschend Achter, der chronische Hinterherfahrer Alois Vogl kam auf Platz 16. Und kurz darauf fuhr Vogl im Weltcup-Slalom von Flachau sogar sensationell auf Platz sechs.

Es geht also wieder aufwärts, auch und vor allem dank Margreiter. Er stellte das Training um und arbeitete an der Einstellung der Läufer: „Es hat in den vergangenen Jahren schon gereicht, hier und da einen Sicherheitslauf hinunterzubringen und bester Deutscher zu sein“, sagt Margreiter. Gut, es gab 2001 Florian Eckert, der raste bei der WM in der Abfahrt sensationell auf Platz drei, aber das war die große Ausnahme bei den deutschen Männern in den vergangenen Jahren. Deshalb ließ Margreiter, in Absprache mit dem Verband natürlich, vier erfahrene deutsche Spitzenfahrer vor der Saison 10 000 Euro Kaution hinterlegen. Das Geld bekommen die Routiniers, darunter auch Vogl, erst dann zurück, wenn sie in ihrer Disziplin in der Weltcup-Gesamtwertung unter die Top 15 kommen. Das, so der Chef, hebe die Motivation.

Margreiter ist Spezialist für schwierige Fälle: Anfang der 80er Jahre betreute er die österreichischen Abfahrerinnen, als bei denen mal nach vielen Triumphen zeitweise wenig lief. Dann ging er als Coach in die USA, wo er erfolgreich arbeitete, und1992, als es bei den Männern eine Krise gab, wurde Margreiter Cheftrainer in seiner Heimat.

Rückblickend kann man sagen, dass er damals doch erheblich beteiligt war an den späteren Erfolgen von Österreichs Doppel-Olympiasieger Hermann Maier und dessen schärfstem Konkurrenten Stephan Eberharter. Denn Margreiter gehörte zu denen, die viel stärker als andere Betreuer wissenschaftliche Methoden nutzen und sie im Training umsetzen. Er reduzierte das intensive Krafttraining und setzte auf neueste sportmedizinische Erkenntnisse. Gemeinsam mit der Skiindustrie tüftelte er an den biometrischen Daten der Ski, und er ließ die Abfahrer stärker als andere Trainer den technisch anspruchsvolleren Riesentorlauf trainieren. 1998, in Margreiters bestem Jahr, gewannen die Österreicher acht Medaillen bei den Olympischen Spielen von Nagano und in der Saison 25 von 37 Rennen.

Dass der Tiroler in seinem neuen Job ähnlich erfolgreich sein wird wie früher in Österreich, darf zwar bezweifelt werden, aber so wie früher schon legt Margreiter seine Arbeit langfristig an. Zeit hat er, sein Vertrag mit dem DSV läuft bis 2007. Denn nachweislich ist zurzeit bei den Herren in Deutschland nicht nur die Spitze, sondern vor allem der Nachwuchs schlecht. So hat der DSV in keiner Altersklasse der Jugendlichen im Riesentorlauf einen Fahrer unter den besten 30 der Weltrangliste. Der Verband arbeitet aber derzeit intensiv an einer besseren Talentförderung. Früher war mal daran gedacht, ein Wohnheim neben dem Trainingshang des Olympiastützpunktes Garmisch-Partenkirchen zu bauen. Doch das Projekt scheiterte. „Das war nicht zu finanzieren“, sagte Walter Vogel, der Alpindirektor des Verbandes. Margreiter arbeitet jetzt aber auch an weiteren Kooperationen mit Schulen in Bayern.

Aber in diesem Winter hat er auch Pech. Abfahrer Max Rauffer, den er eigentlich nach vorne bringen wollte, fällt wegen eines Kreuzbandrisses die ganze Saison aus. Und Florian Eckert muss sich nach einer schweren Verletzung erst langsam wieder an die Weltspitze herantasten. Dazu bekommt er ein bisschen mehr Zeit als geplant: Die Männer-Abfahrt in Chamonix, die gestern hätte stattfinden sollen, wurde wegen Schneefalls abgesagt.

Markus Huber

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