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Die Kunst der Bewegung. Die Russin Jewgenia Kanajewa hat zum Abschluss der Gymnastik-EM in Minsk die Finals mit Reifen und Band gewonnen. Zuvor war die 21-Jährige schon mit dem Team erfolgreich. Foto: dpa

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Sport: Abgefahren in Monaco

Vettel siegt in einem der aufregendsten Formel-1-Rennen der Saison – für Schumacher und Rosberg endet es dramatisch schlecht

Von Christian Hönicke

Der Nachmittag in Monte Carlo ging mit einem Bombenalarm los, und danach wurde es erst richtig dramatisch. In einem der aufregendsten Formel-1-Rennen der letzten Jahrzehnte in Monaco musste Sebastian Vettel jede Menge Hindernisse umfahren, um am Ende mit einer Sekunde Vorsprung vor Fernando Alonso im Ferrari und dem McLaren-Piloten Jenson Button zu gewinnen. „Es war unglaublich, ein Hammer-Rennen“, sagte der erschöpfte Vettel danach. „Es hat sich ewig angefühlt.“ Es war der erste Sieg des deutschen Red-Bull-Piloten in Monaco und der fünfte im sechsten Saisonrennen. „Ich bin sehr geehrt, meinen Namen in die Liste der Sieger hier einzutragen“, sagte der Weltmeister. Vettel führt die WM nun mit 143 Punkten und riesigem Vorsprung vor Lewis Hamilton (85) an; der McLaren-Pilot kassierte wegen seiner rüpelhaften Fahrweise gleich zwei Strafen und wurde nur Sechster. „Es ist immer noch ein langer Weg, aber wir haben einen Lauf“, sagte Vettel. Den Lauf in Monaco empfand er als „sehr unterhaltsam, jedenfalls vom Auto aus“.

Das war durchaus eine Untertreibung. Schon zwei Stunden vor dem Start hatte es wegen einer herrenlosen Tasche einen Bombenalarm gegeben – das halbe Fahrerlager war abgesperrt worden. Doch das folgende Rennen sollte noch mehr Anlass zur Adrenalinproduktion geben.

Vettel hatte seinen ersten Platz am Start verteidigt, wurde aber durch die vielen unvorhergesehenen Ereignisse samt zweier Safetycar-Phasen zu einer riskanten Ein-Stopp-Strategie gezwungen. Eigentlich habe er zwei Reifenwechsel absolvieren sollen, erzählte Vettel. „Ich wurde auch reingerufen an die Box, hab’ aber gesagt: Wir bleiben draußen und probieren’s mit nur einem Stopp. Ich habe gesehen, dass es die einzige Chance zum Sieg war.“

Die Runden 60 bis 78 waren dann so ziemlich das Abgefahrenste, was Monaco an einem Renntag in den letzten Jahrzehnten gesehen hat. Vettel erwehrte sich mit völlig zerschundenen Reifen den Angriffen seiner Verfolger Fernando Alonso und Jenson Button. „Ich hatte Probleme mit meinen Reifen, und Fernando kam auf frischen Reifen immer näher.“ Zehn Runden vor Schluss lief das Trio auf einen wahren Zug an überrundeten Fahrern auf. In einer völlig chaotischen Aktion rempelten sich Adrian Sutil, Jaime Alguersuari, Lewis Hamilton und Witali Petrow gegenseitig durch die Tabac-Kurve. Petrow krachte mit seinem Renault zunächst in Alguersuaris Toro Rosso und dann in die Leitplanke. Vettel wuselte sich durch, aber „ich habe fast meinen Frontflügel verloren und ein herrenloses Rad überholt“.

Das Rennen wurde nach dem Sammelcrash mit einer Roten Flagge unterbrochen, weil Petrow zeitweise bewusstlos war und wegen Schmerzen im Bein medizinisch behandelt werden musste. Der Russe blieb unverletzt, doch sein Unfall weckte unschöne Erinnerungen an den Vortag. Da war der Sauber-Pilot Sergio Perez verunglückt. Der Mexikaner musste zur Sicherheit noch bis Montag im Krankenhaus bleiben und nahm nicht am Rennen teil.

Für Vettel wirkte die Rote wie eine Karierte Flagge. Vor dem Neustart wurde er für die verbleibenden sechs Runden endlich von seinen schrottreifen Gummis befreit. „Ich glaube, es wäre sich gerade noch ausgegangen mit den gebrauchten Reifen, aber die Rote Flagge war natürlich hilfreich“, erklärte Vettel.

Dramatisch war der Sonntag an der Côte d’Azur auch für die Mercedes-Piloten – dramatisch schlecht. Michael Schumacher und Nico Rosberg mussten sich fühlen wie Sonntagsausflügler, die in den Berufsverkehr geraten sind. In aussichtsreicher Position gestartet, fanden sich beide in kürzester Zeit am Ende des Feldes wieder. Schumacher fiel mit einem missratenen Start („Ich steckte im Leerlauf“) von Rang fünf auf zehn zurück, beschädigte sich bei einem Duell mit Hamilton die Autonase und wurde danach wegen hohem Hinterreifenverschleiß durchgereicht. Ähnlich erging es Schumachers Teamkollegen Rosberg trotz starkem Start, sodass sich beide bald auf den hinteren Plätzen duellierten.

In Schumachers Schicksalskurve Rascasse, in der er 2006 sein umstrittenes Parkmanöver fabriziert hatte, musste er – diesmal eindeutig unfreiwillig – seinen Mercedes mit einem Defekt abstellen, offiziell wegen eines Feuers im Luftschacht. Rosberg konnte bei seinem Heimrennen immerhin durchfahren, wurde aber zweimal überrundet und schließlich nur Elfter – noch hinter Adrian Sutil im Force India (7.) und Nick Heidfeld im Lotus-Renault, der Achter wurde. Rosbergs Fazit: „Das Auto war nicht so gut, ich auch nicht.“

Lewis Hamilton ging bei seiner Manöverkritik sogar noch weiter. Der Brite sprach von seinem „schlechtesten Formel-1-Wochenende“. Nach der Berührung mit Schumacher demolierte er bei einem missglückten Überholversuch Felipe Massas Frontflügel, sodass dessen Ferrari im Tunnel in die Leitplanke krachte. Kurz vor Schluss rammte er noch Pastor Maldonados Williams von der Piste, war sich aber keiner Schuld bewusst und kommentierte seine Bestrafungen (Boxendurchfahrt und 20 Sekunden Abzug) zynisch lachend so: „In sechs Rennen war ich fünfmal bei den Rennkommissaren. Vielleicht liegt es daran, dass ich schwarz bin.“

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