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Schweres Gepäck. Aus seinen zwölf Jahren als deutscher Nationalspieler nimmt Bastian Schweinsteiger vor allem den Gewinn der WM-Trophäe als Erinnerung mit.

© dpa

Abschied aus der Nationalmannschaft: Bastian Schweinsteiger: Der Aussteiger

Vor seinem Abschiedsspiel aus der Nationalmannschaft bei der Partie gegen Finnland ist Bastian Schweinsteiger mit sich im Reinen. Selbst mit seinem Verein Manchester United.

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer solchen Veranstaltung vor allem nach Superlativen gefragt wird: nach den schönsten, tollsten, lustigsten, traurigsten Erinnerungen aus all den Jahren. Das ist auch bei Bastian Schweinsteiger so, der am Dienstag zum mutmaßlich letzten Mal eine Pressekonferenz als Fußball-Nationalspieler über sich ergehen lassen muss. Nach all den Jahren ist es vermutlich schwer, alle schönen, tollen, lustigen und traurigen Ereignisse überhaupt noch auseinanderzuhalten, erst recht, wenn man dann auch noch von einem Journalisten aus Norwegen gefragt wird, was man Positives und Negatives mit der norwegischen Nationalmannschaft verbinde.

Von seinen 120 Länderspielen hat Bastian Schweinsteiger tatsächlich eins gegen Norwegen bestritten. Aber erinnerungswürdig war es ganz sicher nicht. 0:1 haben die Deutschen im Februar 2009 verloren. Am Sonntag treffen beide Teams in der WM-Qualifikation erneut aufeinander, aber seine persönliche Negativbilanz gegen die Norweger wird Schweinsteiger nicht mehr korrigieren können. Für ihn endet die Zeit in der Nationalmannschaft schon an diesem Mittwoch, vermutlich kurz vor oder kurz nach zehn. „Mal schauen, wie lang die Luft hält“, sagt der Kapitän vor seinem Abschiedsspiel gegen Finnland an diesem Mittwoch (20.45 Uhr, live im ZDF).

Das Positive ist: Bastian Schweinsteiger steht voll im Training. Das Negative: mehr aber auch nicht. Seinen letzten Wettkampf hat er vor knapp zwei Monaten bestritten, es war das EM-Halbfinale in Marseille. Und es war ein Spiel, das man wohl ewig mit Schweinsteiger verbinden wird, auch wenn es nur sein vorletztes Länderspiel gewesen sein wird. Die Deutschen spielten gut, sie hatten die Begegnung unter Kontrolle – bis Schweinsteiger kurz vor der Pause im eigenen Strafraum seinen Arm in die Höhe riss und damit den Ball abwehrte. Es gab Elfmeter für die Franzosen, zur Pause stand es 0:1, am Ende 0:2. Der Traum der Deutschen vom Double aus WM- und EM-Titel blieb unerfüllt.

Mit José Mourinho "in einem guten Austausch"

Es war nicht die letzte Enttäuschung, die das Berufsleben für Bastian Schweinsteiger bereitgehalten hat. Bei Manchester United hat der neue Trainer José Mourinho keine Verwendung mehr für ihn. Dafür macht Schweinsteiger einen sehr aufgeräumten Eindruck. „Trotz dieser Situation geht’s mir gut“, sagt er. „Mit José Mourinho habe ich kein Problem, wir sind in einem guten Austausch.“ Aber Schweinsteiger will sich auch nicht einfach so abschieben lassen. Einen Wechsel innerhalb Europas hat er ausgeschlossen. Amerika sei natürlich eine Option, irgendwann einmal, aber im Moment eben schon deshalb nicht, weil das Transferfenster dort schon geschlossen sei. Und überhaupt: „Mein absoluter Traum wäre, für Manchester United zu spielen.“ Schweinsteiger hält das immer noch für möglich. „Ich habe bei der Europameisterschaft im Halbfinale gestanden, bei einer Mannschaft, die amtierender Weltmeister ist“, sagt er. „Ich glaube an meine Fähigkeiten.“

Bei der Nationalmannschaft stand er mit diesem Glauben nie allein. Bundestrainer Joachim Löw hat Schweinsteiger nicht nur gegen alle Kritik verteidigt, er hat ihn nach der WM 2014 sogar zum Kapitän ernannt, obwohl es längst Zweifel an seiner körperlichen Leistungsfähigkeit gab. Er hat ihn trotz langer Verletzungspause auch zur EM nach Frankreich mitgenommen. In fünf der sechs Spiele kam Schweinsteiger zum Einsatz, gegen die Ukraine erzielte er nach seiner Einwechslung sogar ein Tor (sein 24. insgesamt für die Nationalmannschaft), in die Startelf aber schaffte er es nur im Halbfinale – mit dem bekannten Ergebnis.

Anfang des Monats ist Schweinsteiger 32 geworden, er hat fast anderthalb Jahrzehnte im Profifußball hinter sich und sich im Urlaub nach der EM gefragt, ob er auch künftig noch die gleiche Leidenschaft für die Nationalmannschaft aufbringen könne. „Da musste ich ehrlich zu mir und ein bisschen konsequent sein“, sagt er.

Löw: Eine Ära geprägt

Mit Schweinsteiger und seinem alten Kumpel Lukas Podolski gehen nun auch die letzten Verbliebenen einer anderen Zeit. Beide haben noch unter Rudi Völler debütiert, im Juni 2004, bei einer 0:2-Niederlage gegen Ungarn. Dunkle Jahre waren das, aber Schweinsteiger und Podolski haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der deutsche Fußball den Weg zurück ins Licht gefunden hat, mit dem WM-Titel vor zwei Jahren als strahlendem Höhepunkt.

„Beide haben menschlich und sportlich unheimlich viel für unsere Mannschaft, für Deutschland getan“, sagt Joachim Löw. „Sie haben die Nationalmannschaft geprägt.“ Trotzdem sei es die richtige Entscheidung gewesen, jetzt aufzuhören. Als Schweini und Poldi 2004 auf den letzten Drücker in den EM-Kader nominiert wurden, galten sie als Verheißung auf eine bessere Zukunft. Als Schweinsteiger und Podolski zwölf Jahre später immer noch dabei waren, sahen die meisten in ihnen nur noch ein Relikt aus der Vergangenheit.

„Ich hatte wunderbare Jahre hier, verspüre eine tiefe Dankbarkeit“, sagt Schweinsteiger. Es war ein weiter Weg vom Debüt in Kaiserslautern über Rio bis zum Finale in Mönchengladbach. Auf dem Platz ist Schweinsteiger vom Rand ins Zentrum gerückt, neben dem Platz vom Lausejungen zum Elder Statesman des deutschen Fußballs gereift. Ob er sich für seinen Abschied bestimmte Spieler an seiner Seite wünsche, ist Bastian Schweinsteiger am Dienstag gefragt worden. „Ich brauch’ gute Läufer neben mir“, hat er geantwortet.

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