zum Hauptinhalt

Sport: Abserviert

Keines jener orangen Trainingshütchen war in Gefahr, von Jürgen Röber getreten zu werden. Der Trainer von Hertha BSC, sonst ein Temperamentsbündel an der Trainerbank, wirkte ungewöhnlich gelassen.

Keines jener orangen Trainingshütchen war in Gefahr, von Jürgen Röber getreten zu werden. Der Trainer von Hertha BSC, sonst ein Temperamentsbündel an der Trainerbank, wirkte ungewöhnlich gelassen. So, als ob er sich schon früh in sein Schicksal ergeben hätte. Nur einmal, als ihn ein Fernsehreporter fragte, ob seine Mannschaft dieses Spiel vielleicht auf die leichte Schulter genommen habe, verlor er die Fassung, sprach von "absolutem Schwachsinn". Da spürte man, dass dem Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten dieser bittere Abend doch gehörig zugesetzt hatte. Kein Wunder.

Die Herthaner, die doch über Servette Genf hinweg ins Achtelfinale des Uefa-Pokals einziehen wollten, hatten eine böse Überraschung erlebt. Genf, im Hinspiel beim 0:0 eher bieder, erteilte dem Bundesligisten eine unerwartete Lektion, gewann auch in dieser Höhe völlig verdient 3:0 (1:0) und warf damit erstmals einen deutschen Verein aus dem Europapokal. So ganz nebenbei ging die stolze Serie Herthas mit zehn Pflichtspielen ohne Niederlage zu Ende. Vergessen waren die Lobeshymnen nach dem Bundesligasieg über den Weltpokalsieger Bayern München.

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Binnen 120 Sekunden, von der 17. bis zur 18. Minute, war Hertha das Spiel aus Hand geglitten. Erst überwand der Brasilianer Hilton den wie schon beim Bayern-Gegentor unglücklich agierenden Torwart Christian Fiedler mit einem Kopfball zum 0:1, dann sah Dick van Burik nach einer Notbremse gegen Alexander Frei die Rote Karte. In Bedrängnis gebracht hatte ihn René Tretschok mit einer unnötigen Rückgabe. "Das durfte nicht passieren", kritisierte Manager Dieter Hoeneß. In Unterzahl zwei Tore zu schießen, das war ein äußerst schweres Unterfangen, zumal Hertha erneut auf viele Stammspieler verzichten musste. Zudem war das Team durch das Mammutprogramm der letzten Wochen müde. "Dennoch hätten wir es noch packen können. Wir hatten noch drei, vier hundertprozentige Torchancen", meinte Röber. Die vergaben Michael Preetz, Pal Dardai und Marcelinho. Nach der Pause schickte Röber mit Ali Daei einen weiteren Stürmer aufs Feld, verzichtete in der Abwehr auf stärkere Absicherung.

Die Hoffnung der höchstens 10 000 Zuschauer im Olympiastadion wurde jedoch schnell wieder begraben. Als Frei nach einem schweren Stellungsfehler von Rob Maas auf 2:0 erhöhte, war alles gelaufen. Obradovics Tor zum Endstand schockte niemanden mehr bei Hertha BSC. "Das waren logische Tore", kommentierte Servettes Trainer Lucien Favre. Logisch deshalb, weil Hertha beim Rückstand ganz auf Angriff spielen musste und dabei die Deckung vernachlässigte. Bei den vielen Überzahlangriffen hätten die Schweizer noch weit höher gewinnen können. Im sicheren Gefühl des Sieges führten die Gäste Hertha BSC zeitweilig vor.

Hertha hatte in den vorangegangenen Spielen gegen Westerlo und Stavanger kein einziges Tor hinnehmen müssen, gestern gleich deren drei. Und das mit einer Mannschaft, die in derselben Besetzung wie zuletzt gegen die Bayern begann. In Normalform präsentierte sich gegen die cleveren Gäste jedoch kein Berliner Spieler. Mangelnder Einsatz konnte keinem vorgeworfen werden, doch den darf man bei gut bezahlten Profis voraussetzen. Dass viel Geld an diesem Nikolaustag verschenkt wurde, ärgerte Hoeneß: "Das schmerzt sehr." Und Röbers Ausgangsposition für die anstehenden Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung ist auch nicht gerade besser geworden.

Klaus Rocca

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false