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Abstiegskampf: Drei Teams zittern noch

Wolfsburg, Gladbach und Frankfurt kämpfen in der Bundesliga weiter gegen den Abstieg – psychologisch könnte die Ausgangslage kaum unterschiedlicher sein

VFL WOLFSBURG

Eine Nacht Abstand machte die Dinge nur noch schlimmer. Wenn Felix Magath erklären soll, wie er den VfL Wolfsburg eigentlich noch vor dem drohenden Abstieg bewahren will, greift der Mann gewöhnlich zu harten Worten. Gestern gab er sich eher zurückhaltend bis ratlos. „Ich muss mit meinen Spielern reden. Für den Abstiegskampf war das viel zu wenig“, sagte der Trainer des VfL am Sonntag, der tags zuvor auf der Trainerbank manchen Wutausbruch gezeigt hatte. Machtlos hatte Magath mit ansehen müssen, wie sein Team ideen- und mutlos eine 1:2-Niederlage gegen Kaiserslautern kassierte.

Personelle Alternativen sind in seinem Kader nicht in Sicht. Dass Magath, der in seiner Karriere als Spieler und Trainer noch nie abgestiegen ist, seinen Untergebenen die nötige Qualität und Einstellung abspricht, gehört bei ihm zum System. Der 57-Jährige leidet darunter, dass er nicht mehr Profis wie Mario Mandzukic anführen darf, der erneut unermüdlich rannte und die Führung für den VfL Wolfsburg erzielt hatte. Magath musste gegen Kaiserslautern sogar einem Angreifer wie Patrick Helmes das Vertrauen schenken, von dem er selbst behauptet, dass dieser nicht der richtige Mann für den Abstiegskampf ist. Gleiches bescheinigt er auch Diego, seinem Spielmacher. „Diego ist ein Künstler, der seine Zuarbeiter braucht. Er hat es nie gelernt, sich etwas zu erarbeiten“, sagt Magath über den Brasilianer.

Mit Blick auf den letzten Spieltag und die Partie bei der TSG Hoffenheim wird sich Magath eigentlich fragen müssen, ob Druck und Kritik die richtigen Wegbegleiter für seine verunsicherte Mannschaft sind. Seine Hauptdarsteller geben sich nach jeder Niederlage peinlich berührt, spulen aber auch immer wieder die gleichen Phrasen ab. „Wir haben die Qualität, es zusammen zu schaffen“, glaubt Diego weiterhin. Individuell mag er Recht haben. Als Kollektiv aber stimmt das nicht. „Dieses Team war nie eine Mannschaft“, findet Magath.

Bis zum letzten Spieltag wird der VfL- Trainer es mit seiner Art versuchen. Er setzt vornehmlich auf jene acht Spieler, die unter seiner Regie vor zwei Jahren noch Deutscher Meister geworden sind. Und er lässt mit einer Portion Trotz auch alle im Umfeld des VfL wissen, dass er sich nicht zu fein ist, mit den Wolfsburgern ein Jahr in der Zweiten Liga zu verbringen. „Selbstverständlich bleibe ich hier in Wolfsburg. Egal, in welcher Liga“, sagt Magath. „Aber ich bin mir sicher, dass es die Erste Liga und dass der VfL meine letzte Adresse in der Bundesliga sein wird.“

BORUSSIA MÖNCHENGLADBACH

Mike Hanke kam daher wie der Animateur eines Ferienklubs. Das Gesicht tiefengebräunt, stand der blonde Angreifer nach dem 2:0 seiner Mönchengladbacher gegen Freiburg lächelnd da und sprach über den anstehenden Schlussakkord im Abstiegskampf. In dem Wissen, dass die Borussia am nächsten Samstag mit dem mit Abstand besten Gefühl in den Showdown startet. Pünktlich zum Saisonfinale hat Borussia Mönchengladbach die direkten Abstiegsränge verlassen, erstmals seit sieben Monaten. „Es ist ein gutes Gefühl, nicht mehr auf andere angewiesen zu sein“, sagte Marco Reus, der Torschütze zum 2:0-Endstand.

Dabei galt der Dank der Gladbacher wohl oder übel auch ihrem großen rheinischen Rivalen. Denn durch Kölns Sieg in Frankfurt ist den Gladbachern bei einem Sieg in Hamburg der Relegationsplatz nicht mehr zu nehmen, sogar die direkte Rettung ist möglich. „Natürlich haben wir uns auch über den Sieg der Kölner gefreut“, gestand Torwart Marc-André ter Stegen, während Kapitän Filip Daems herumdruckste: „Ob wir heute Köln-Fans sind? Das ist ein großes Wort.“ Aber ja: „Gut, dass sie gewonnen haben.“ Fast ein wenig erschrocken über sich selbst, ergänzte Daems sofort: „Das alles ist ein großes Verdienst von uns selbst.“

Und von Trainer Lucien Favre, der dem Team mit ruhiger, akribischer Arbeit das Selbstvertrauen wiedergab. Wobei allen Beteiligten klar ist: Gelingt der letzte Schritt nicht, kann alles über ihnen zusammenbrechen. Ob Gladbach nach dem finalen Spiel beim HSV über, unter oder auf dem Strich steht – das wird auch die Emotionen bei der Jahreshauptversammlung am 29. Mai beeinflussen. Stefan Effenberg, Frontmann der fragwürdigen und letztlich auch schlecht getimten „Initiative Borussia“, will dann unter anderem Sportdirektor Max Eberl stürzen.

„So schlecht machen wir es auch wieder nicht – das sieht man ja jetzt“, entgegnete Eberl auf die Kritik. Er könnte zum Beispiel Mike Hanke ins Feld führen, einer seiner geglückten Wintereinkäufe. Gegen Freiburg erzielte der stets emsige Stürmer zehn Minuten vor Schluss seinen ersten Treffer für Gladbach. Ein Tor, das den Borussia-Park erbeben ließ. „Ich liebe diese Spiele, in denen es um alles geht“, sagte Hanke, warnte vor dem Fernduell mit Wolfsburg und Frankfurt aber auch: „Wir dürfen jetzt nicht euphorisch werden.“

Übermut hält sein Trainer angesichts des zähen Sieges ohnehin für fehl am Platz. „Ich sehe keinen Grund, euphorisch zu sein. Wir haben sehr viel zu tun in dieser Woche“, sagte Favre trocken. Während Robin Dutt, ab Sommer im nahen Leverkusen tätig, sich mit ehrlicher Anerkennung verabschiedete: „Gladbach hat sich heute das Glück und den Sieg verdient.“ Dutt lobte Favres Arbeit – und murmelte ihm aufmunternd zu: „Wir sehen uns nächste Saison ganz bestimmt wieder.“

EINTRACHT FRANKFURT

Wenn Fans ausrasten, Spieler weinend in die Kabine schleichen und anschließend verkünden, wer mit in die Zweite Liga gehen will, dann klingt das nicht nach Resthoffnung im Abstiegskampf. Der Relegationsrang und auch der erste Nichtabstiegsplatz sind vor dem letzten Spiel in Dortmund nur einen Punkt entfernt – dennoch scheint Eintracht Frankfurt emotional bereits abgestiegen zu sein.

„Ich muss mich im Moment mit Durchhalteparolen oder Phrasen über Wasser halten, denn die Fakten sprechen nicht für uns“, sagte Christoph Daum. „Es ist keine Situation, in der ich strahlend und mit voller Überzeugung sagen kann, jetzt wird auf einmal alles ganz anders. Wenn es anders werden soll, dann müssen wir ganz anders auftreten.“ Selbst dem oft als Motivationskünstler titulierten Trainer ging nach dem 0:2 gegen Köln der sonst zur Schau getragene Daueroptimismus ab. Am Sonntag sagte Daum: „Es sieht so aus, dass wir abgestiegen sind.“

Der bisher als wechselwillig geltende Mittelfeldspieler Pirmin Schwegler, der später wie Amanatidis und Köhler den Tränen nahe ankündigte, auch in Liga zwei zu bleiben, war nach dem Abpfiff derart am Boden zerstört, dass er die aufkommende Gefahr gar nicht sah: 300 Fans stürmten den Rasen, ein Ordner musste den Schweizer in Sicherheit bringen. Zehn Menschen wurden leicht verletzt, sechs Fans festgenommen. Eintracht-Präsident Peter Fischer konnte die Anhänger zunächst beruhigen, dann ließen die Sicherheitskräfte 500 Fans auf den Rasen, die mit Daum und der Mannschaft diskutierten. „Wir haben sehr intensive, emotionale Gespräche mit den Fans gehabt“, sagte Daum. „Wir haben die gesamte Bandbreite erlebt, von persönlichen Angriffen und Beschimpfungen bis zu Unterstützung und Zuspruch.“

Zuspruch wird die Eintracht für den Vorfall vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) nicht bekommen. Der Kontrollausschuss des DFB wird sich mit den Szenen befassen. „Das ist eine bittere Stunde“, sagte Heribert Bruchhagen, dessen Zukunft als Vorstand und Manager nun mehr als offen ist.

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