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Tickt manchmal aus, allerdings oft auch zurecht. Herthas Torhüter Thomas Kraft (links) ist in dieser Saison zehn Mal ohne Gegentor geblieben

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Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga: Sechs Teams, sechs Entschlossene

Am letzten Bundesliga-Spieltag der Saison 2014/15 droht noch einigen Mannschaften der Fall in die Zweitklassigkeit. Wer ist wo Hoffnungsträger und warum? Unsere Korrespondenten geben einen Überblick.

Am Samstag müssen sich ab 15. 30 Uhr noch sechs Mannschaften mit dem Thema Abstieg beschäftigen: Hertha BSC, der SC Freiburg, Hannover 96, der VfB Stuttgart, der Hamburger SV und der SC Paderborn. Auf welchen Spieler wird es für die beteiligten Vereine besonders ankommen? Wir wagen eine Prognose.

Bei Hertha BSC haben sie, im Speziellen Trainer Pal Dardai, eine Uraltrechnung aufgemacht vor dem Spiel bei der TSG Hoffenheim: hinten nichts zulassen und vorn irgendwie ein Tor erzielen, das reicht dann de facto. Weil die Berliner in den letzten sechs Spielen exakt zwei eigene Treffer geschossen haben, kommt jetzt, genau, Thomas Kraft ins Spiel. Herthas Torhüter ist, neben Per Skjelbred und Abwehrchef Sebastian Langkamp, die verlässlichste Größe im Berliner Kader.

Neben dem Feld tickt er zwar bisweilen aus, so wie am vergangenen Wochenende, als er öffentlichkeitswirksam die eigenen Angreifer anzählte („Fragen Sie doch unsere blinden Stürmer!“). Andererseits darf sich der Torhüter solche Aussagen durchaus herausnehmen angesichts eines für Abstiegskandidaten außergewöhnlich guten Wertes: Kraft ist in dieser Saison bereits zehn Mal ohne Gegentor geblieben. Ein elftes Mal würde den Berlinern zum sicheren Klassenerhalt reichen.

Ein Punkt reicht auch dem SC Freiburg, bei dem die Stimmung durch den 2:1-Sieg über Bayern München radikal gekippt ist. Auslöser dafür war ein Mann, den nicht mehr viele haben wollten, als ihn der SC im Winter für den vergleichsweise geringen Betrag von 200 000 Euro von Werder Bremen auslieh: Nils Petersen. Im Schnitt trifft Petersen alle 60 Minuten für seinen neuen Klub, in elf Spielen hat er acht Tore erzielt. Schafft es der SC, die Liga zu halten, etwa mit einem weiteren Tor durch Nils Petersen, ist schwer davon auszugehen, dass die Freiburger ihre Kaufoption auch ziehen werden.

Effizienz siegt. Nils Petersen hat in elf Spielen für den SC Freiburg acht Treffer erzielt.
Effizienz siegt. Nils Petersen hat in elf Spielen für den SC Freiburg acht Treffer erzielt.

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Bei Hannover 96 setzen sie auf ihren Rucksackträger, und das ist wörtlich gemeint. Nach der Arbeit schleicht Lars Stindl gern mit Baseballmütze und Rucksack davon. Der Kapitän redet nicht viel, hat aber eine Menge zu sagen. „Wir können die Saison noch retten“, sagt Stindl, und das liegt in erster Linie an ihm selbst: Zwei Tore beim 2:1-Sieg in Augsburg haben Hannover die Chance beschert, aus eigener Kraft die Klasse halten zu können. Stindls Treffer bleiben mit der Hoffnung verbunden, dass er es heute gegen Freiburg auch irgendwie hinbekommt – wenngleich der 26-Jährige im Sommer zu Borussia Mönchengladbach wechselt.
Was auch immer in seinem letzten Spiel für 96 passiert: Es wird wohl niemanden im Stadion geben, der sauer über Stindls Abgang ist. Der Allrounder hat sich immer vorbildlich verhalten, ist erstaunlich viel gerannt und kann ohne Ballast an Bord noch viel mehr als ein mittelmäßiges Team anzuführen. Wenn man Typen wie Stindl klonen könnte, wäre Hannover 96 gar nicht erst im Abstiegskampf gelandet.

Bald in Mönchengladbach. Lars Stindl verlässt Hannover 96 am Saisonende.
Bald in Mönchengladbach. Lars Stindl verlässt Hannover 96 am Saisonende.

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Mittelfeldspieler Christian Gentner ist 29 Jahre alt und damit wirklich nicht neu, weder in der Bundesliga noch beim VfB Stuttgart. Und trotzdem: Im Abstiegskampf ist er seit einigen Wochen der neue Kapitän – und der entscheidende Stabilisator der Schwaben. Die Stabilität im Stuttgarter Spiel entspringt im Mittelfeld, genau dort wo Gentner und Serey Die als sogenannte Doppelsechs spielen. Seit der Ivorer und Afrika-Cup-Sieger seit Februar neben Gentner spielt, profitiert die Stuttgarter Abwehr davon ebenso wie das Flügelspiel. „In den Monaten davor musste er überall helfen“, sagt Sportvorstand Robin Dutt, „jetzt hat er den Rücken frei“. Gentner, der zuvor nicht so recht wusste, welche Löcher zuerst gestopft werden sollen, kann sich seitdem auf seinen Job in der Mitte konzentrieren und selbst das Angriffsspiel einleiten – weil Die absichert. Von Gentners Steigerung profitiert auch der Angriff um Daniel Ginczek sowie die Außen Martin Harnik und Filip Kostic. Mit Gentner hat der VfB seine Balance gefunden. Möglicherweise gerade noch rechtzeitig, gegen Paderborn kann der VfB mit einem Sieg den Klassenerhalt klar machen. „In Paderborn“, hat Christian Gentner, wieder im Stile eines Anführers, gesagt, „kann die Aufgabe nur lauten, auf Sieg zu spielen“.

Stabilisator und Anführer. Christian Gentner hat seine Form gefunden, weil er sich wieder aufs Wesentliche konzentrieren kann.
Stabilisator und Anführer. Christian Gentner hat seine Form gefunden, weil er sich wieder aufs Wesentliche konzentrieren kann.

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Der Hamburger SV vertraut auf Heiko Westermann. Wobei: War da nicht dieser haarsträubende Fehler letzte Woche in Stuttgart? Westermann ist troz allem der letzte Hoffnungsträger seines Klubs. Immerhin ist er in Sachen Einstellung stets ein Vorbild gewesen. Nach seinem Wechsel aus Schalke vor fünf Jahren verliefen die ersten drei Jahre eher unauffällig. Seit der HSV aber gegen den Abstieg kämpft, ist Westermann zum Sinnbild geworden – weil er sich einreiht in die Liste jener Spieler, die von Saison zu Saison abgebaut haben. Trotzdem zählt er in Hamburg zu den wenigen verbliebenen Publikumslieblingen. Egal, wohin ihn die zahlreichen Trainer auch aufstellen – Innenverteidiger, Sechser, linker oder rechter Außenverteidiger – Westermann machte, was man ihm auftrug. Auch wenn es hinterher gilt, Niederlagen zu erklären, ist der 31-Jährige ein verlässlicher Profi, der seine Arbeit macht. Dazu gehört eben auch zu sprechen, wenn es allen anderen mal wieder die Sprache verschlagen hat.

Heiko Westermann (links, im Würgegriff von Pierre-Michel Lasogga).
Heiko Westermann (links, im Würgegriff von Pierre-Michel Lasogga).

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Die Sprache hatte es in der vergangenen Woche auch einigen Spielern beim SC Paderborn verschlagen. In der Arena auf Schalke lief die 88. Minute, der Aufsteiger war drückend überlegen – und verliert durch ein Eigentor seines Kapitäns. Eigentor!? Diese Szene passte so gar nicht zur Saison des Uwe Hünemeier. Der 29-Jährige ist eine der, wenn nicht die große Stütze und dank seiner Kopfballstärke ein Hauptgrund dafür, dass die zu Saisonbeginn bereits von fast allen abgeschriebenen Paderborner selbst am letzten Spieltag noch die Chance auf den Klassenerhalt haben. Abgesehen von zwei Begegnungen, in den Hünemeier verletzt war, spielte er stets über die volle Distanz, wurde nie ausgewechselt. Er kann eine Mannschaft motivieren und mitreißen und soll das auch im entscheidenden Heimspiel gegen den VfB Stuttgart tun. Die Minimalchance, die Bundesliga über die Relegation doch noch zu halten und das Eigentor vergessen machen zu lassen, werden Ansporn genug sein.

Die Szene, die zum Unglück führte. Paderborns Uwe Hünemeier (beim Kopfball) leitete mit seiner Aktion die Niederlage auf Schalke ein.
Die Szene, die zum Unglück führte. Paderborns Uwe Hünemeier (beim Kopfball) leitete mit seiner Aktion die Niederlage auf Schalke ein.

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