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Sport: Absturz am Berg

Nach dem Rückzug von Klubchef und Trainer beginnt der Machtkampf in Kaiserslautern

Am Morgen danach, um kurz nach neun, verschickte die Geschäftsstelle oben am Betzenberg ein Fax, das nach einer Nacht des Chaos Ruhe verbreiten sollte. Der Verein sei nicht führungslos, hieß es da. René C. Jäggi, der 56 Jahre alte Schweizer, wird die Geschäfte weiterführen. Bis zum 14. Dezember wird das der Fall sein, dann steht die Hauptversammlung der Mitglieder auf dem Programm, und ein neuer Aufsichtsrat soll gewählt werden. Um kurz nach neun am Sonntag fuhr auch Jäggi hoch zum Berg, er holte Michael Henke ab, den Trainer, den er am Abend vorher nach der 1:3-Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg entlassen hatte, bevor er selbst seinen Rücktritt ankündigte. Es war kalt in Kaiserslautern, und auch dem fröstelnden Jäggi war klar: Es wird sich ein Kampf um die Macht in diesem tief zerstrittenen Klub entwickeln.

Noch in der Nacht zuvor war eine Trainerfindungskommission gebildet worden, die am heutigen Montag laut Jäggi mit „zwei, drei Kandidaten Kontakt aufnimmt“. Wolfgang Wolf, der gerade erst in Nürnberg entlassen wurde, ist einer von ihnen. Er hat früher beim FCK gespielt und könnte fertig bringen, womit Michael Henke gescheitert ist: das zerstrittene Team und die Fans zu einen. Neben Wolf werden Klaus Toppmöller, Hans-Peter Briegel und Werner Lorant als mögliche neue Trainer genannt.

„Es wäre hier nur weiter geschossen worden. Jetzt kann keiner mehr auf das Gebilde schießen, jetzt ist der Weg frei“, sagte Jäggi. „Die Pfalz ist einzigartig. Geheime Papiere aus dem Aufsichtsrat werden der Presse zugespielt. Ich hab das noch nie erlebt.“ Bis Mitte Dezember wird Jäggi „noch auf der Kasse sitzen“, damit die Zahlen bei seinem Abgang stimmen, „bevor sich hier wieder einige bedienen“.

Das Ringen um die Macht hatte schon begonnen, kaum dass Jäggi gegen 18 Uhr am Samstag die Entscheidung bekannt gegeben hatte. Ciriaco Sforza, der nach einem Aufstand gegen Henke entlassen worden war, diente sich wieder als Spieler an. Sforza gehört einer Art Opposition an, hinter der, so wird kolportiert, der Spielervermittler Roger Wittmann und sein Schwager, der frühere FCK-Spieler Mario Basler, stehen. Basler hatte Jäggi als „Versager“ tituliert und den Abgang der „Niete in Nadelstreifen“ gefordert. Jäggi wiederum hatte Basler als einen der größten Abzocker bezeichnet. 27 000 Euro habe er pro Punkt neben dem Monatsgehalt von 100 000 Euro kassiert, dazu ein zinsloses Darlehen über fünf Millionen Euro.

Ein Beispiel aus der einzigartigen Pfälzer Welt gab Jäggi noch zum Besten. „Haben Sie gesehen, wie zerrissen diese Mannschaft gespielt hat?“, fragte er nach dem 1:3 gegen Nürnberg. „Sie hat zum Teil auch gegen mich gespielt.“ Der Hintergrund dieser Vermutung ist folgender: Jäggi gilt als Intimfeind von Wittmann. Dessen Firma Rogon hatte vor allem den früheren Vorständen des FCK, die Jäggi vom Hof jagte, viele Spieler verkauft. Im Team stehen noch heute einige Spieler, die zu den Klienten von Rogon zählen. „Hier nehmen viele Leute Einfluss auf Belange des Vereins“, meint Jäggi.

Am Morgen vor dem Spiel hatte Jäggi den Aufsichtsrat informiert, „was passiert, wenn wir verlieren“. Auch Michael Henke, der nun nach nur viereinhalb Monaten an seiner ersten Station als Cheftrainer scheiterte, wusste es. Zunächst aber trat Henke in allen Interviews noch so auf, als sei er weiter Trainer des FCK. Erst als sich Nürnbergs neuer Trainer Hans Meyer über seinen ersten Sieg in seinem ersten Spiel als Nürnbergs Trainer gefreut hatte, stieg Jäggi zu Henke aufs Podium und verkündete die Nachricht. Draußen tobten derweil die aufgebrachten Anhänger. Polizei und Sicherheitskräfte hatten alle Hände voll zu tun, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

„Jetzt hat der Verein noch die Chance zu reagieren, um die Klasse zu halten“, sagte Jäggi am Ende seiner dreijährigen Amtszeit. In die war der größte Skandal der Klubgeschichte gefallen. In Gerichtsverfahren hatten sich die ehemaligen Führungsmitglieder um Jürgen Friedrich wegen steuerlicher Vergehen wie verdeckten Lohnzahlungen ins Ausland verantworten müssen, Jäggi musste als Nachfolger von Friedrich etwa neun Millionen Euro Steuern nachzahlen. Angesichts einer Schuldenlast von 60 Millionen Euro verkaufte Jäggi das Fritz-Walter-Stadion. Die Opposition behauptet, er habe den Klub kaputtsaniert. Jäggi aber zieht ein anderes Fazit. „Der Klub ist schuldenfrei“, sagt er. „Sportlich aber, das kann man sagen, bin ich gescheitert.“ Henke war nach Erik Gerets, Kurt Jara und Hans-Werner Moser der vierte Trainer in der Ära Jäggi.

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