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Sport: Absturz mit Ansage

Mitten im Umbruch mehren sich beim Hamburger SV die Zweifel, ob Trainer Oenning der richtige ist

Es gibt schon erste Absetzbewegungen. Der Vorsitzende will lieber nichts sagen. Und im Aufsichtsrat rumort es. Kurzum: Es ist wie immer beim Hamburger SV. Das 0:5 beim FC Bayern hat Spuren hinterlassen und den starken Mann des HSV, Sportchef Frank Arnesen, dazu bewogen, erste Treueschwüre auszusprechen. „Wir werden Michael Oenning die Zeit geben, diese Mannschaft zu verbessern“, sagte Arnesen. „Wir haben viele neue Leute und brauchen einfach Zeit.“

Neun zum Teil namhafte Profis haben den HSV verlassen, mit verringertem Etat und jungen Spielern soll der Umbruch gestaltet werden. Alle haben diesen nötigen Kurs nach Jahren des Prassens abgenickt und Arnesen die Prokura erteilt, mit der Arbeit am HSV zu beginnen. Allerdings hatte niemand einen solch fatalen Beginn der Saison erwartet: schon im Pokal in Oldenburg und im Test gegen Valencia deutete sich an, wie schwach diese neue Mannschaft sein würde. Der Fehlstart mit drei Spielen ohne Sieg hat nun alle Skeptiker bekräftigt. Sie wollen es ernst meinen mit dem Umbau, sie wollen Oenning und Arnesen die Zeit geben – aber schon jetzt ist klar, dass das Spiel in Bremen nach der Länderspielpause Oennings Endspiel werden könnte, sollte der HSV am Samstag gegen Köln verlieren.

Es hat sich der Eindruck verfestigt, dass Oenning als Trainer eines Großklubs überfordert ist – zumal dann, wenn es keine Spieler gibt, die auf dem Platz vorangehen. Kapitän Westermann ist so verunsichert, dass er kaum noch weiß, ob er mit rechts oder links schießt. Dennis Aogo, in Worten gern Führungsspieler, wurde in München vorgeführt. So bleibt nur Routinier David Jarolim, der mit Systemtreue und taktischem Geschick derzeit wertvollste Hamburger Profi. Seine Worte vom Samstag verrieten viel: „Man hat überhaupt nicht gesehen, welchen Fußball wir spielen wollten.“

Ja, welchen Fußball will Oenning spielen lassen? Er hat so viel probiert und versucht, aber eine vernünftige erste Elf hat er nicht gefunden. Waghalsig, in den ersten Spielen mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler auszukommen. Fast schon verzweifelt muss einer sein, der Tomas Rincon im linken Mittelfeld einsetzt. Und was macht man mit Paaren außen, die sich allein über die Offensive definieren? Töre/Diekmeier und Elia (oder Jansen)/Aogo, das ist mit das schwächste, was die Liga derzeit zu bieten hat auf den Außenbahnen. Hinzu kommt ein Innenverteidiger-Gespann, das noch lange nicht im deutschen Fußball angekommen ist: Bruma und Mancienne. Das alles ergibt so viele Baustellen (wenn dann auch noch die arrivierten Stürmer Guerrero und Petric verletzt sind), dass es für diesen HSV tatsächlich nur darum gehen kann, in der Bundesliga zu bleiben.

In dieser Gemengelage fragen sich erste im Vereinumfeld, welche Spieler Arnesen ihnen denn da beschert habe; vier junge Profis hat er vom FC Chelsea mitgebracht. Als eine Art „Chelsea light“ wollen sie ihren stolzen HSV nicht dahinvegetieren sehen. Arnesen fordert Zeit für Oenning, von dem er viel hält. Und der neue Vorstand Carl Jarchow ist gar nicht Fußballfachmann genug, um irgendwie helfen zu können. Zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Rieckhoff hatte er vor der Saison versprochen, beim HSV werde man auch nach einer Niederlagenserie Ruhe bewahren: „Aber sie wird nicht kommen.“ Nun ist sie da, und man kann überprüfen, wie ernst es den beiden ist. Verstecken können sie sich in jedem Fall gut hinter Arnesen mit dem Hinweis darauf, dass er für den Kader verantwortlich sei.

Der Trend geht zur Trainerentlassung. Meist kein originelles, aber das häufigste Mittel zur schnellen Schadenminimierung. Gesucht wird ein Mann der mittleren Jahre, der eine unerfahrene Mannschaft ohne Hierarchie zusammenführt. Schnell fällt beim HSV dann der Name Huub Stevens. Aber vielleicht hat Arnesen noch andere Namen in seinem Notizbuch.

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