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Acht Spiele vor Saisonende: Ist die Hertha noch zu retten?

Nach dem 0:6-Debakel vom vergangenen Samstag wird es nun wirklich eng für Hertha BSC in der Bundesliga. Ist der Abstieg noch zu vermeiden? Eine Analyse.

Noch sind es knapp sieben Wochen und acht Spiele bis zum Ende der Saison. Sieben Wochen und acht Spiele, in denen viel passieren kann – passieren muss, wenn Hertha BSC auch in der kommenden Saison noch in der Fußball-Bundesliga spielen will. Nach acht Niederlagen in bislang neun Spielen im Jahr 2012 und dem Sturz auf den vorletzten Tabellenplatz spricht viel für eine erneute Berliner Zwangsversetzung in die Zweite Liga. Zuletzt gab es am Samstag ein 0:6 gegen Bayern München, das auch den vor vier Wochen reaktivierten Trainer-Rentner Otto Rehhagel ratlos stimmte. Neben Rehhagel und den zuletzt hoffnungslos überforderten Spielern rückt auch Michael Preetz stärker in die Kritik. Herthas Manager hat zum einen die Mannschaft zusammengestellt und ist zum anderen für die Entlassungen der Trainer Markus Babbel und Michael Skibbe verantwortlich.

Was ist rechnerisch noch möglich?

In schweren Zeiten wie diesen halten sich Herthas Fans selbst an kleinsten Kleinigkeiten fest. Als am Sonntag die Meldung publik wurde, dass dem Mainzer Stürmer Mohamed Zidan wegen einer Tätlichkeit eine nachträgliche Strafe droht, hat das in den diversen Internetforen über den Berliner Bundesligisten mittelschwere Aufregung ausgelöst. Der Ägypter hat in sieben Rückrundenspielen sechs Tore erzielt, also dreimal so viele wie Herthas gesamte Mannschaft, die am Samstag in Mainz antreten muss. Natürlich ist es kein besonders gutes Zeichen, wenn man darauf hoffen muss, dass beim nächsten Gegner der beste Spieler ausfällt. Aber es gibt eben sonst nicht viel, was Herthas Fans in der aktuellen Situation noch Hoffnung macht. „Rein rechnerisch ist noch alles möglich“, sagt Otto Rehhagel.

Nach den Regeln der Multiplikation kann seine Mannschaft bei acht ausstehenden Spielen noch 24 Punkte holen. Realistisch betrachtet ist das utopisch – schon weil Hertha in den ersten 26 Spielen der Saison auf gerade 23 Punkte gekommen ist. Den Namen nach könnte das Restprogramm deutlich schlimmer sein – aber für die Berliner haben sich gerade die leichten Gegner als besonders schwer herausgestellt. Von den bisherigen zwölf Spielen gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte hat Hertha exakt eins gewonnen (gegen Köln). Ganze neun Punkte holte das Team in diesen Begegnungen. Da müssen die Berliner sich ja fast freuen, dass sie noch in Mönchengladbach (3.), Schalke (4.) und Leverkusen (5.) antreten dürfen.

Ist der Kader überhaupt gut genug und was ist mit dem Rehhagel-Effekt?

Wie geeignet ist Herthas Personal?

Otto Rehhagel hat am Samstag einen deprimierenden Einblick in die Innenwelt seiner Mannschaft gegeben. Weil Hertha erst am Abend gegen Bayern antreten musste, konnten sich die Spieler in aller Ruhe die Auftritte ihrer Konkurrenten Freiburg und Augsburg anschauen. Der gemeinsame Fernsehnachmittag sollte sich für die Berliner als äußerst frustrierend herausstellen. Als die überraschenden Siege der Freiburger (in Hamburg) und Augsburger (gegen Mainz) aktenkundig waren, „da wurde es in der Kabine plötzlich ganz still“, hat Rehhagel berichtet.

Was die Fans über die Verpflichtung von Otto Rehhagel gedacht haben:

Es war nicht das erste Mal, dass sich Herthas Personal als leicht reizbar erwies. Als die Mannschaft im Pokal-Viertelfinale gegen Mönchengladbach in der Verlängerung in Rückstand geriet, haderte sie mit der Ungerechtigkeit des Schicksals, anstatt sich in eine Jetzt-erst-recht-Haltung zu flüchten. Mit Widerständen kommt Hertha nur schwer zurecht, was für den weiteren Verlauf des Abstiegskampfes Schlimmes befürchten lässt. Wenn es um die sportliche Existenz geht, spielt die fußballerische Qualität nur noch eine untergeordnete Rolle. Herthas Kader mag nominell besser besetzt sein als der ihrer Konkurrenten, aber davon ist auf dem Platz schon seit Wochen nichts mehr zu sehen.

Ist der Rehhagel-Effekt schon verpufft?

Nein, und genau das ist Herthas Problem. In den vier Wochen seines Amtierens hat Rehhagel so ziemlich alles durcheinander gewürfelt und damit auch den letzten Rest an Kontinuität beseitigt, der nach dem hausgemachten Chaos noch vorhanden war. Nach knapp zwölf Jahren Bundesligaabstinenz vereint der emeritierte Fußballlehrer in seiner Person völlige Unwissenheit über die Konkurrenz und über die Befindlichkeit der eigenen Mannschaft. Die Konkurrenz kennt er von gelegentlichen Besuchen in den Stadien rund um seinen Wohnort Essen. Das ist schon mal deshalb von Nachteil, weil seine Assistenten René Tretschok und Ante Covic vor ihrer Beförderung Nachwuchsmannschaften trainiert haben und damit reichlich weit weg vom Bundesligageschehen waren.

Gravierender ist noch, dass Rehhagel mit der ihm eigenen Beratungsresistenz an abenteuerlichen Aufstellungen bastelt. Bei seinem Debüt in Augsburg griff er erst auf das bei Hertha längst überholte System mit zwei Stürmern zurück und wechselte dann auch noch seinen besten Spieler aus, den Antreiber Peter Niemeyer. Zuletzt beim 0:6 gegen die Bayern ließ er nacheinander die unbedarften Nachwuchsleute Fanol Perdedaj und Alfredo Morales gegen den Weltklassestürmer Franck Ribéry ran. Mit dem Ergebnis, dass der Franzose beide in Grund und Boden spielte, was wiederum zur Folge hat, dass die nunmehr restlos verunsicherten Perdedaj und Morales erst einmal verbrannt sind. Aus der Mannschaft ist zu hören, dass Rehhagel mehrfach vor diesem Experiment gewarnt wurde. Vergeblich. Eine Verpflichtung Rehhagels hätte wohl nur Sinn gemacht, wenn er als Grüßgott-August die Öffentlichkeit beruhigt und einer sportlichen Leitung im Hintergrund den Rücken frei gehalten hätte. So etwas aber ist mit Rehhagel nicht zu machen, und deshalb war sein Engagement von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Was macht eigentlich Manager Michael Preetz

Wie viel Schuld trägt Manager Preetz?

Spätestens seit der unseriösen Entlassung von Trainer Markus Babbel im Dezember, die von gegenseitigen Lügenvorwürfen begleitet war, steht Preetz im Fokus der Kritik. Diese Entscheidung drückt bis heute die Stimmung in der Mannschaft. Babbels Nachfolger, Michael Skibbe, musste nach nur vier Bundesligaspielen gehen. Skibbes Entlassung war bis jetzt der Tiefpunkt der kurzen Karriere des Managers.

Auf breites Unverständnis stößt, dass Preetz jede seiner Kehrtwenden positiv für sich herausstellt. Er laufe nicht davon, sondern werde seiner Verantwortung dem Klub gegenüber gerecht, „diese Fehleinschätzungen zu korrigieren“. Dabei geht es bei der Bestellung eines Trainers um Überzeugungen. Preetz war jede Trainerverbindung aus tiefster Überzeugung eingegangen. Mal unabhängig davon, dass solche Überzeugungen sehr viel Geld kosten: Wie viele davon verträgt die Glaubwürdigkeit eines Managers, verträgt die Leistungsfähigkeit einer Mannschaft, verträgt das Image eines Vereins? Seit seinem Amtsantritt als Geschäftsführer Sport im Sommer 2009 hat Preetz – bei einem Abstieg und einem Aufstieg – vier anerkannte Trainer verschlissen, Übergangslösungen nicht eingerechnet. Die Öffentlichkeit gewinnt den Eindruck, dass hier jemand immer dann die Reißleine zieht, bevor es ihn selbst erwischt.

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