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Jörn-Uwe Lommel, 52, war von 2005 bis 2009 Trainer der Berliner Füchse und führte sie in dieser Zeit in die Bundesliga. Von 2003 bis 2005 arbeitete er schon einmal als Nationaltrainer der ägyptischen Handballer, mit denen er 2004 Afrikameister wurde. Aus dieser Zeit stammt auch unser Foto. Lommel hat 14 Länderspiele für Deutschland bestritten.

© Imago

Ägyptens Nationaltrainer Lommel: "Wir haben kaum eine Chance"

Ägyptens Nationaltrainer Jörn-Uwe Lommel über den WM-Auftakt gegen Deutschland und seine Zeit als Trainer der Füchse Berlin.

Herr Lommel, wissen die ägyptischen Handballer, dass Ihr Team in Deutschland gerade stark geredet und geschrieben wird?

Nein, aber das würde ich aus deutscher Sicht vor einem WM-Auftaktspiel wohl auch so machen.

Das klingt ja gerade so, als rechneten Sie sich am Freitag gegen Deutschland keine Chance aus.

Sagen wir mal so: kaum eine. Mein Team ist im Umbruch, bisherige Leistungsträger wie Hussein Zaki oder Hany El Fakharany werden in Schweden nicht spielen. Wir sind also Außenseiter.

Stimmt es, dass Sie die Mannschaft bereits seit vier Monaten zusammen haben?

So ein Quatsch. Seit Anfang November läuft die WM-Vorbereitung, da haben wir erst einmal Grundlagen trainiert. Und ich habe den Spielern Pünktlichkeit beigebracht.

Ohne Vorbereitungsspiele, wie die „Handball-Woche“ berichtet?

Unglaublich, auch das stimmt nicht. Wir haben gerade in Murcia ein Turnier mit Spanien, Weißrussland und Montenegro gespielt. Da sind ganz offenbar in Deutschland schon wieder ein paar Leute scharf drauf, meine Arbeit in Ägypten zu diskreditieren. Nach dem Motto: Lommel hat ewig trainiert und nichts ist herausgekommen.

Sind Sie denn ein guter Trainer?

Das muss wohl so sein, sonst hätte man mich im letzten Sommer nicht wieder zum Nationaltrainer in Ägypten gemacht. Eigentlich sollte ich ja für die Trainerausbildung und den Jugend- und Juniorenbereich verantwortlich sein. Mit dem Jahrgang 1992 habe ich bei der Jugend-Olympiade in Singapur Gold geholt. Im Halbfinale haben wir übrigens Frankreich besiegt. Auch Korea haben wir geschlagen. Nicht schlecht, oder?

Verfolgen Sie überhaupt noch die Bundesliga, in der man Sie offenbar nicht mehr haben wollte?

Ja, natürlich. Mir liegt der Handball in Deutschland sehr am Herzen. Wenn das deutsche Team mit Bundestrainer Heiner Brand bei dieser WM erfolgreich ist, freue ich mich auf jeden Fall darüber.

Also stammt wohl Ihr Frust eher aus der Zeit als Füchse-Trainer. Was haben Ihnen die Jahre in Berlin gebracht?

Stress und Ärger.

Erklären Sie das bitte.

Ich war bei den Füchsen angetreten, um etwas aufzubauen. Als es dann so weit war, dass es nach oben gehen konnte, durfte ich nicht weitermachen. Mit den Verstärkungen, die das Team seitdem bekommen hat, ist es doch kein Wunder, dass es in der Bundesliga jetzt eine derart gute Rolle spielt.

Was sagen Sie generell zur Bundesliga?

Ich sehe die Entwicklung mit Sorge, vor allem die krassen finanziellen Unterschiede. Ich finde es auch nicht gut, dass in der Bundesliga mehr und mehr Spieler anderer Nationen ausgebildet werden. Da verstehe ich Heiner Brand, der das immer wieder thematisiert. Die meisten Top-Spieler bei der WM spielen in der Bundesliga auf den entscheidenden Positionen. Das schwächt letztlich auch die deutsche Nationalmannschaft.

Andererseits befürworten Sie, dass ihr ägyptischer Nationalspieler Ahmed El Ahmar und möglichst noch weitere Spieler zu Bundesliga-Teams wechseln. Ist das nicht ein Widerspruch?

Ich werde die Entwicklung nicht aufhalten können, da sind auch die Bundesliga-Manager gefordert.

Was reizt Sie am Handball?

Etwas aufzubauen, alles zu tun, um Spitzenhandball bieten zu können. Wenn das erreicht ist, möchte ich aber auch auf diesem Niveau arbeiten dürfen.

Diese Chance haben Sie jetzt in Ägypten?

Mit dem Nachwuchs schon. Bei den Männern fehlen praktisch zwei Jahrgänge, deshalb ist das Team derzeit nicht auf dem Niveau, das es von Mitte der 90er-Jahre bis zur WM 2001 hatte, als Platz vier erreicht wurde.

Wenn es nach Ihnen ginge: Wie lange möchten Sie in Ägypten arbeiten?

Ideal wäre bis Olympia 2016. Momentan habe ich jedenfalls die komplette Rückendeckung. Vom Verband, aber auch von der Regierung.

Gibt es keine Zielvorgabe für die WM?

Nein. Wie gesagt, wir sind im Umbruch. Aber es wäre sicherlich ganz gut, wenn wir zum Auftakt bereits einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Etwa wie beim Turnier in Murcia, wo wir zur Halbzeit gegen Spanien nur 13:15 zurücklagen.

Und wie war das Endergebnis?

Weiß ich nicht.

Das Gespräch führte Hartmut Moheit.

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