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Sport: Ängstliches Grinsen

Star-Designer Neville Brody ist nicht begeistert vom Logo für die Fußball-WM 2006

Es sind noch 1288 Tage bis zur FußballWM 2006 in Deutschland. Doch schon jetzt gibt es das Logo der Veranstaltung: bunte, lachende Köpfe. Die Reaktionen waren geteilt. Bundesinnenminister Otto Schily lobte: „Fröhliche Menschen – so muss es im Sport sein.“ Die brasilianische Zeitung „O Globo“ spottete: „Die sehen aus wie Ecstasy-Pillen.“ Was sagt ein Fachmann dazu? Der Tagesspiegel hat den englischen Star- Designer Neville Brody gefragt.

Was soll ich sagen? Es ist schrecklich. Es ist kindisch, nicht authentisch und völlig irrelevant. Ich gucke mir das an und denke, die Agentur wollte wohl noch das Beste aus einer verfahrenen Situation machen. Die Arbeit einer Agentur beginnt ja mit dem Klienten. Ich kenne das. Manche Klienten sind verrückt. Sie haben einen Haufen Probleme und erwarten von einem Logo, all diese Probleme zu lösen. Das ist ein Fehler. Man kann von Designern nicht erwarten, Probleme zu lösen, sie können sie nur visuell kommunizieren. Genau das ist mit dem Logo passiert.

Man kann an diesem Logo all die Probleme und Fragen der Auftraggeber ablesen: Zunächst wollten sie Kontinuität zum letzten WM-Logo herstellen, dann machten sie sich Sorgen, dass Fußball zu aggressiv sei und Deutschland als Gastgeber insgesamt zu ernst rüberkommt. Deutschland gilt ja als ernstes Land. Sie wollten, dass Deutschland auch visuell erkennbar ist – die Flaggenfarben erkennt man aber erst, wenn man es weiß. Die Tatsache, dass „Deutschland“ dick drunter steht, hat ihnen wohl nicht gereicht. Sie wollten weiter, dass es voller Energie und leicht wirkt, sie wollten es modern, aber zugleich irgendwie traditionell, es sollte sofort wiedererkennbar sein, es sollte Emotionen zeigen, aber von allen möglichen Emotionen nur die guten. Aber seit wann bedeuten „Emotionen“ bloß belanglose Fröhlichkeit? Die Auftraggeber wollten eine Referenz an Olympia und bildeten Ringe, außerdem sollte es einen Zeitbezug geben (06), und obendrauf wollten sie noch Charaktere haben, die man fürs Merchandising benutzen kann. Kurz: Es ist ein Albtraum.

Ich frage mich also: Warum ist das Logo so ein unordentlicher Haufen? Warum kann ich mich daran beim besten Willen nicht erinnern? Sehen Sie, es ist, als würde ich in ein Restaurant gehen, dann entscheiden, kochen wolle ich selbst, und dann in der Küche etwas Indisch, Chinesisch, etwas Bratwurst und einen Strudel vermengen. Ein Versuch, alle Geschmäcker zu bedienen. Am Ende bedient man überhaupt keinen Geschmack. Und spricht niemanden an.

Es fängt schon damit an, dass hier zwei Agenturen beauftragt wurden. Warum? Gab es da eine Ausschreibung oder einen Wettbewerb? Wir haben von keinem gehört. Das Ergebnis drückt Verwirrung aus. Und es transportiert die Angst der Auftraggeber: die Angst Deutschlands vor seinem eigenen Ernst, vor Emotionen, die anders als fröhlich sind – vielleicht ist es auch die Angst vor Hooligans. Es verrät die Angst, dass sich die Leute nicht für Fußball interessieren könnten. Aber wollen sie wirklich Leute erreichen, die sich nicht für Fußball interessieren? Es gibt genug Leute, die das tun. Das ist wirklich sehr seltsam. Ich würde ja wirklich gerne mal die Kriterien in der Ausschreibung sehen.

Okay, wiedererkennbar ist das Logo, aber aufgrund der falschen Eigenschaften. Und ehrlich, es ist ein Riesenaufwand, es zu drucken. Und dann: Was meinen die mit dem „leichtherzigen und entspannten Charakter"? Warum entspannt? Was soll das heißen? Fußball ist etwas anderes, als aus einem Sessel Lounge-Musik zu hören. Oder Enten zu füttern. Soweit ich weiß, geht es im Fußball nicht um Entspannung, sondern um Leidenschaft.

Diese Weltmeisterschaft im Fußball rangiert gleich hinter Olympia. Für einige Wochen werden die Fans ausschließlich dafür leben. Ich frage mich, wovor die Organisatoren Angst haben. Warum wollen sie so verzweifelt fröhlich und grinsend aussehen? Und wenn Fußball wirklich so aggressiv ist, warum machen sie dann im Logo ihre eigene Verzweiflung darüber zum Thema? Dieses grinsende Logo kommuniziert eine Art von Ravekultur, das haben sie geschafft. Nun gut, eine etwas konservative Ravekultur vielleicht.

Wie ich an so einen Auftrag heranginge? Nun, ich würde nicht viel betonen. Meine Werte wären Emotionalität, Einfachheit und Leidenschaft.

Aufgezeichnet von Deike Diening.

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