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Sport: Affäre Hoeneß-Daum: Außer Form - Die Fußball-Welt ist aus den Fugen, weil es Streit gibt um den künftigen Bundestrainer

Die Bundesjustizministerin läuft zu großer Form auf. "Es darf nicht einreißen", schreibt Herta Däubler-Gmelin in einem Gastkommentar für die "Bild"-Zeitung, "dass die Beweislast umgekehrt wird.

Die Bundesjustizministerin läuft zu großer Form auf. "Es darf nicht einreißen", schreibt Herta Däubler-Gmelin in einem Gastkommentar für die "Bild"-Zeitung, "dass die Beweislast umgekehrt wird. Unser Rechtsstaat hat klare Regeln: klare Anschuldigungen, klare Beweise! Das gilt auch für Hoeneß."

Fußball, die schönste Nebensache der Welt? Nebensache in jedem Fall, denn gestern ging es drumherum ganz schön turbulent zu. Uli Hoeneß war nämlich in die Defensive geraten und versuchte, sich von dem Druck der Leverkusener zu befreien. Mit einer Pressekonferenz, feierlich im Ton, feierlich in der Form. Uli Hoeneß - fore-checking im dunklen Anzug.

Dazu passt diese Argumentation: Hatte er, der Manager des FC Bayern München, denn je gefordert, dass Christoph Daum, der designierte Bundestrainer, rechtsstaatliche Prinzipien auf den Kopf stellen müsse? Hatte er ihn irgendeiner Untat beschuldigt? Vielleicht, so sieht es wohl auch Hoeneß, hat einem Großteil der handelnden Personen im Streit um die moralische Befähigung des Leverkusener Trainers Daum, im kommenden Jahr den Job als Nationaltrainer anzutreten, die Zeit oder auch die Lust zur besonnenen Einordnung der Geschehnisse gefehlt.

Die handelnden Personen: In diesem Fall, diesem größten Skandal des deutschen Fußballs seit den Bestechungsorgien der siebziger Jahre, sitzen sie auch in den Redaktionsstuben. Manche richten die Fakten nach dem Grad ihrer Zuneigung zum FC Bayern aus, und der ist bekanntermaßen bei vielen nicht sehr hoch. Und weil diese Geschichte ja auch eine Seifenoper ist und jede Seifenoper einen Guten und einen Bösen erfordert, taugt Hoeneß zum Buhmann. Als hätte er die Gerüchte in die Welt gesetzt vom koksenden und hurenden und betrügenden Daum und darum Intrigen gesponnen.

Es ist in diesen Tagen viel spekuliert worden, was Hoeneß getrieben haben mag, den Widerpart in Leverkusen derart vors Schienbein zu treten. Mal hieß es, der FC Bayern wolle den Deutschen Fußball-Bund übernehmen und Hoeneß Franz Beckenbauer ins Chefamt hieven - als ob es dazu anderer Aktionen bedürfte als eines Wortes von Beckenbauer. Dann wurden persönliche Animositäten vermutet, Rachemotive sogar, aber ohne Beleg. Und gelacht wurde, wenn Hoeneß erklärte, ihn treibe die Sorge um den deutschen Fußball, deswegen wolle er erst einmal die dubiosen Umstände geklärt wissen, von denen Daum selber gesprochen hatte.

Vielleicht aber ist das doch der Grund: die Sorge des Uli Hoeneß um den Zustand des deutschen Fußballs. Sentimentalitäten können ausgeschlossen werden. Denn auch der Fußball-Vermarkter Hoeneß dürfte in Schwierigkeiten geraten, sein Geschäft Gewinn bringend zu vermitteln, wenn dieser Sport in seiner wichtigsten personellen Besetzung umwabert wird von kriminellen Umtrieben.

Die handelnden Personen: Am Anfang der Affäre hat Daum selbst Gerüchte angesprochen, und sein Freund Reiner Calmund sah sich bewogen, ihm einen Rückzug vom Bundestrainerjob anzuraten. Das war, als Daum von Erpressung sprach und davon, dass sich Prostituierte zu Wort meldeten und Knackis. Es war in Cottbus, als Bayer Leverkusens Manager Calmund in die Kamera sprach, er rate seinem Freund, in die Türkei umzusiedeln. Diese Äußerungen waren der Anfang.Eine Lawine geriet ins Rollen.

Es ist Uli Hoeneß zunächst eine Unredlichkeit vorzuwerfen, eine Unwahrheit, die er gestern bei seinem Auftritt weismachen wollte: Er habe erst dieser Tage von dem Gerede gehört, Daum stecke seine Nase zu gerne in den verbotenen Schnee - das ist ihm nicht zu glauben. Wer auch nur ein paar Wochen in die Fußball-Branche reingeschnuppert hat, der kennt die Geschichte. Auch unter Journalisten war die Mutmaßung verbreitet. Es hat auch Veröffentlichungen gegeben, die den Verdacht aufgriffen - es hat allerdings nie eine Klage Daums gegen die Verbreitung gegeben.

Was also hat Hoeneß getan? Er wählte zunächst, wie er sagt, den nicht öffentlichen Weg: Er äußerte seine Bedenken gegen die Verpflichtung Daums als Bundestrainer. Kein Gehör habe er in der Chefetage des Deutschen Fußball-Bundes gefunden.

Es ist Hoeneß dann ein zweiter Umstand nicht abzunehmen: Dass er arglos all die Geschichten, den vermeintlichen Drogenkonsum und den Verdacht des Immobilienbetrugs kommentiert habe, getrieben von tiefer Sorge - aber nicht ahnend, welche Wellen seine Äußerungen schlagen würden.

Seit über 20 Jahren ist der Bayern-Manager im Geschäft, seit über 20 Jahren kennt er die Mechanismen der Medien und er hat sich ihrer bisher vortrefflich zu bedienen gewusst. Hoeneß wusste, was er tat, als er diesen Konditionalsatz aussprach: "Wenn das alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden." Da wusste Hoeneß, dass diese Äußerung nicht einfach verhallt. Da wusste er, dass er die Diskussion um Christoph Daum beschleunigt hat. Er wusste, dass die Lawine immer größer werden würde. Und da wird Uli Hoeneß gehofft haben, dass ein schlecht beleumundeter Bundestrainer Daum zunächst verhindert ist.

Ist das nun verwerflich, wenn sich einer einmischt in eine bestehende lebhafte Debatte? Ist es denunziatorisch, wenn er sich dabei der Themen bedient, die die Gegenseite vorgegeben hat? Muss dann einer, der keine neuen, der überhaupt keine Vorwürfe erhebt, die Beweislast für diese Vorwürfe antreten? Das wäre allerdings ein neues, hier zu Lande bisher unbekanntes rechtsstaatliches Prinzip. Eines, das nur für Hoeneß gälte.

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