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Sport: Affäre Hoeneß-Daum: Daumschrauben aus Bayern - Daums stärkster Gegner ist die öffentliche Meinung

Der sächsische Jurist Benedict Carpzov (1595-1666), der als der Begründer der deutschen Strafrechtswissenschaft gilt, berichtet von folgendem Brauchtum: Mancherorts werfe man Frauen, die man der Zauberei verdächtige, gefesselt ins Wasser. Wenn sie nicht untergehen, sondern sich "nach der Art einer Gans oder Ente" auf dem Wasser halten, halte man sie für Hexen und befrage sie unter der Folter über ihre Missetat.

Der sächsische Jurist Benedict Carpzov (1595-1666), der als der Begründer der deutschen Strafrechtswissenschaft gilt, berichtet von folgendem Brauchtum: Mancherorts werfe man Frauen, die man der Zauberei verdächtige, gefesselt ins Wasser. Wenn sie nicht untergehen, sondern sich "nach der Art einer Gans oder Ente" auf dem Wasser halten, halte man sie für Hexen und befrage sie unter der Folter über ihre Missetat. Wenn sie aber unter Wasser und auf den Grund sinken, erkläre man sie für unschuldig - die so genannte Wasserprobe.

Christoph Daum wird sich vermutlich wie diese armen Frauen fühlen. Erbringen seine Haar-, Urin- und sonstigen Proben den Nachweis des Drogenkonsums, wird er unter der Folter der öffentlichen Berichterstattung über seine Missetaten befragt werden. Erbringen sie diesen Nachweis nicht, wird er als unschuldig gelten, aber möglicherweise trotzdem als Bundestrainer "untergehen".

Es ist daher nur zu verständlich, dass Daum die "Abkehr von den guten Sitten unserer Gesellschaft" beklagt. Wie es scheint, ist das hehre Rechtsprinzip, dass jedermann bis zum Nachweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten hat, in seinem Fall auf den Kopf gestellt: "Daumschrauben" à la FC Bayern? Juristisch gesehen, ist es nicht ganz so schlimm. Christoph Daum ist den Angriffen gegen seine Person nicht hilflos ausgeliefert und schon gar nicht in der Situation, seine Unschuld beweisen zu müssen.

Zwar geht das in Artikel 5 Grundgesetz garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung, auf das sich Uli Hoeneß berufen mag, sehr weit. Zumal "in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage", wie das Bundesverfassungsgericht sagt. (Was berührt die Öffentlichkeit mehr als die deutsche Fußball-Nationalelf?!) Hier darf man durchaus starke Formulierungen gebrauchen und es darauf anlegen, Aufmerksamkeit zu erregen. Jeder kann frei sagen, was er denkt - so hat das Bundesverfassungsgericht oft entschieden. Aber dieses Recht gilt nicht grenzenlos. Es findet seine Grenze an der Menschenwürde und dem Persönlichkeitsrecht. Die Meinungsfreiheit gibt nicht das Recht, andere zu kränken oder zu schmähen. Und niemand darf über einen anderen etwas Unwahres behaupten. Unrichtige Information ist unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut. Auch das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden.

Die Gesetze und die Rechtsprechung tragen dem Rechnung. Christoph Daum stehen genügend juristische Instrumentarien zur Verfügung, um sich gegen Diffamierungen und unwahre Tatsachenbehauptungen zu wehren: Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf, gegebenenfalls Schmerzensgeld. Wer wüsste das besser als sein Anwalt Matthias Prinz, der wegweisende Urteile zum Persönlichkeitsschutz (Prinzessin Caroline!) erstritten hat. Bei Tatsachenbehauptungen ist es Sache derjenigen, die sie aufstellen, sie auch zu beweisen. Sogar gegen die Verbreitung eines herabwürdigenden Gerüchtes ist Rechtsschutz möglich, selbst dann, wenn der Verbreitende die Richtigkeit bezweifelt. Die Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen mit der treuherzigen oder listigen Einschränkung, man sage ja nur, was andere sagen, ist juristisch keineswegs ungefährlich.

Eine andere Frage ist, welchen Nutzen Daum davon hat. Das Recht wird ihn vor dem Verlust des Traineramtes kaum bewahren können, wenn sich die "öffentliche Meinung" gegen ihn wendet. Das ist aber kein rechtliches, sondern ein gesellschaftliches Problem. Die öffentliche Arena ist wie ein Fußballstadion. Da wird gejubelt und gepfiffen; und da wird, trotz aller Regeln, gefoult. Es ist an der Öffentlichkeit, die gelbe oder rote Karte zu zeigen. Die Frage ist nur, wem?

Alexander Ignor

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