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Africa-Cup: Dramen ohne Klasse

Der Afrika-Cup war spannend, hat aber bis zum heutigen Finale bescheidenes Niveau geboten. Es wird noch defensiver gespielt als in Europa

Claude Le Roy war sichtlich geschafft. Was der frühere Trainer soeben beim Afrika-Cup-Halbfinale zwischen Ghana und Nigeria gesehen hatte, machte den Fußballästheten nicht glücklich. Deutschlands WM-Gruppengegner Ghana hatte mit einer jungen Mannschaft ohne Stars gegen das viel höher eingeschätzte Nigeria ziemlich überraschend das heutige Finale der Kontinentalmeisterschaft gegen Ägypten (17 Uhr, live bei Eurosport) erreicht. Mit einer simplen Taktik: totaler Einsatz mit totaler Defensive. Nach Asamoah Gyans 1:0 in der 21. Minute beschränkte sich Ghana auf die Verteidigung. Die Zuschauer sahen während der folgenden 70 Minuten keine einzige echte Tormöglichkeit mehr. Aber sie hatten mitgefiebert. Auch Claude Le Roy. Denn es war enorm spannend.

Und Ghanas Trainer Milovan Rajevac war stolz: „Ich habe meiner Mannschaft vor dem Spiel gesagt, dass nur das Ergebnis und kein schöner Fußball zählt. Wir haben Nigeria keine Torchance eröffnet – unsere Taktik ist voll aufgegangen.“ Afrikas Kontinentalmeisterschaft mag nicht das höchste sportliche Niveau geboten haben – aber nach spannenden Entscheidungen in den Gruppenspielen wurden die Partien ab den Viertelfinals richtig dramatisch. Das Aus der Elfenbeinküste statt des schon sicher geglaubten Siegs gegen Algerien, Kameruns unglückliches Scheitern in der Verlängerung gegen Ägypten, der erstaunliche Auftritt von Außenseiter Sambia gegen das große Nigeria. Und schließlich die heiß umkämpften Bruderkämpfe Ghana-Nigeria und Ägypten-Algerien in den Halbfinals, in denen es um Stolz und Ehre ganzer Nationen ging. In den Momenten der Entscheidungen erlebten die Fans jene Faszination, die womöglich nur afrikanischer Fußball bietet.

Dabei wurde in Angola endgültig klar: Seine spektakuläre Naivität hat Afrikas Fußball abgelegt. Der vor Jahren eingezogene Einfluss durch Spieler in europäischen Ligen und der Import europäischer Trainer haben Ordnung gebracht, wo früher oftmals spektakuläres Chaos herrschte. Das packende 4:4 im Auftaktspiel zwischen Angola und Mali mag noch wie eine Reminiszenz an vergangene Zeiten dahergekommen sein – danach erstarrten die Teams oftmals in schnöden Defensiv-Systemen. Attraktiver Offensivfußball war eine absolute Seltenheit, Tore fielen zumeist durch haarsträubende Fehler. Auch im gestrigen Spiel um den dritten Platz wurde nur ein Treffer erzielt: Nigeria besiegte Algerien mit 1:0.

Claude Le Roy, der bereits Kamerun, den Senegal, Kongo und Ghana betreut hat, wirkte ratlos: „Kaum Tempo, kaum Pressing, kaum Kurzpassspiel – das fußballerische Niveau war doch relativ bescheiden.“ Hinzu kam das Wetter. „Die Hitze, vor allem aber die Luftfeuchtigkeit sind enorm. Es ist nicht möglich, hier über lange Distanzen hohes Tempo oder gar Pressing zu spielen“, sagte der Nigerianer Chinedu Obasi vom Bundesligisten Hoffenheim.

Auffällig war auch, dass sich gerade die großen Stars erstaunlich unauffällig zeigtem. Didier Drogba und die Touré-Brüder von der Elfenbeinküste, Kameruns Samuel Eto’o oder Frederic Kanouté und Seydou Keita aus Mali – sie alle hielten sich eher zurück. „Die Spieler aus den europäischen Top-Teams sind nicht mehr ganz glücklich mit dem Termin des Afrika- Cups“, glaubt Mark Gleeson. Der südafrikanische Journalist, seit 23 Jahren als Berichterstatter in Afrika unterwegs, sieht im dreiwöchigen Turnier mitten in der europäischen Saison ein Auslaufmodell: „Die Spieler wollen nicht total ausgelaugt oder gar verletzt zu ihren Klubs in England, Spanien und Frankreich zurückkehren und halten sich deshalb zurück.“

Für Gleeson kann es nur eine Konsequenz geben: „Der afrikanische Fußballverband muss das Turnier in die europäische Sommerpause verlegen. Und am besten parallel zur Europameisterschaft nur noch alle vier Jahre austragen.“

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