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"Mit Erich verstand ich mich auf Anhieb." Charles Gyamfi (l.) und Erich Juskowiak vor dem Gastspiel von Fortuna Düsseldorf in Ghana.

© Hein Hahn /NRZ

Afrikas Beckenbauer Charles Gyamfi: "Sie riefen mich Kalle"

Charles Kumi Gyamfi wechselte 1960 als erster afrikanischer Fußballer nach Deutschland. Im Intervierw spricht er über seine Zeit bei Fortuna Düsseldorf, Fußballschuhe in Ghana und Telefonate mit dem Präsidenten.

Frage: Charles Gyamfi, wie kam es zu Ihrem Aufenthalt in Düsseldorf?

CHARLES GYAMFI: Fortuna kam 1959 für einige Freundschaftsspiele nach Ghana und nahm mich im Anschluss gleich mit. Auch der ghanaische Fußballverband wollte, dass ich dorthin gehe und mich als Trainer ausbilden lasse. Aus Hennef (Sitz der Fußballschule, d. Red.) nahm ich viel Fußballwissen mit nach Hause, denn ich wusste, dass ich bei meiner Rückkehr Trainer werden wollte. Ich lernte viel, auch als Spieler im Fortuna-Dress, viel Taktik, Technik.

Frage: Wie reagierten die Fans in Düsseldorf auf den ersten schwarzen Spieler?

CHARLES GYAMFI: Ich war überrascht über den Umgang mit mir, denn ich war als Afrikaner ein Novum in der Liga. Jedes Heimspiel war ausverkauft, alle wollten den Afrikaner sehen, sich von seinen Fußballkünsten überzeugen. Jedes Mal wenn wir einliefen, riefen die Fans: „Kalle, Kalle“, da ich ja Charles heiße. Mir ging es gut, und ich vergaß meine Einsamkeit.

Frage: Als Sie in den Vierzigern mit dem Fußballspielen anfingen, befand sich Ghana noch unter kolonialer Herrschaft. Wirkte der Rassismus bis in den Fußball?

CHARLES GYAMFI: Eigentlich spielten Afrikaner ausschließlich untereinander, Weiße spielten kaum Fußball. Eine Ausnahme stellten Seemänner in der Hafenstadt Cape Coast dar. Dort tauchten auch die ersten Fußballschuhe auf, doch als sie kaputt waren, spielten alle wieder barfuß. Später aber gewöhnte ich mich an die Schuhe, ich brachte mir welche aus Europa mit, ein anderer besorgte sie sich aus der Elfenbeinküste. So gab es immerhin zwei Spieler in Ghana, die Schuhe hatten.

Frage: Wie kam es, dass Sie Anfang der Sechziger zum ersten afrikanischen Nationaltrainer aufstiegen?

CHARLES GYAMFI: Vor einem wichtigen Spiel gegen Nigeria standen wir ohne Trainer da, weil mein Vorgänger mehr Geld gefordert und nicht bekommen hatte. Die Frage war also, wer den Job machen sollte, und da mein Kopf voll mit Fußball war, fiel die Wahl schnell auf mich. In dieser Zeit glaubten die meisten Ghanaer nicht daran, dass ich als Afrikaner den Job erfolgreich machen könnte. Doch Kwame Nkrumah, der damalige Staatspräsident, war überzeugt, dass ich das Team führen könnte. Er sagte: Was ein weißer Mann schafft, kann auch ein schwarzer Mann schaffen. Deshalb musste ich ran.

Frage: 1963 gewannen Sie als erster afrikanischer Trainer den Afrika-Cup mit Ghana im eigenen Land. Wie reagierte Nkrumah darauf?

CHARLES GYAMFI: Er wollte uns und den Fußball so gut es geht unterstützen. Was auch immer wir brauchten, sollten wir ihm mitteilen, dafür hatte er uns seine Telefonnummer zugesteckt. Doch das bedeutete auch, dass er uns in seinen Amtssitz zitierte, wenn wir mal verloren. Er stellte uns Fragen, mir als Trainer zur Taktik, dem Manager des Teams zu administrativen Belangen. Aber wenn Nkrumah zufrieden war, gab er uns freie Hand. Durch diese Unterstützung ging es mit dem Team schnell bergauf. Ich selbst zog von meinem kleinen Haus in einen Bungalow, fuhr einen großen Wagen, mir wurde alles gegeben. Ich musste aber auch sehr hart arbeiten.

Frage: 1965 wiederholten Sie Ihren Erfolg beim Afrika-Cup. Wie kam es dazu?

CHARLES GYAMFI: Zuerst sagten die Leute, dass wir 1963 den Cup nur wegen des Heimvorteils gewonnen hätten. Doch das stimmt nicht. 1965 war das Team stark verändert, nur noch zwei alte Spieler waren dabei, sonst holte ich viele junge Talente ins Team. Die Leute konnten das nicht verstehen. Doch ich war mir meiner Sache sicher. Ich telefonierte mit Nkrumah über die Sache, und er war einverstanden. Die alten Spieler konnten zwar noch gut Fußball spielen und hatten das Spiel verstanden, doch was zählt, ist die Schnelligkeit. Nkrumah sagte mir, ich solle als Trainer weitermachen. Und wir gewannen. Nun hatten die Leute wirklich großes Vertrauen in mich und das Team.

Frage: Was hat sich nach dem Sturz Nkrumahs 1966 für Sie geändert? Und wie kamen Sie 1982 wieder an das Traineramt?

CHARLES GYAMFI: Nach dem Sturz war ich immer noch im Sports Council. Ich habe mich nie sehr für Politik interessiert, doch als Nkrumah weg war, mochten mich die Leute nicht mehr, und der Druck erhöhte sich. Nkrumah war mein Freund, mein Vater, wie auch immer. Ich zog dann aufs Land und coachte eine Zeit lang Kinder. 1982 wurde ich dann noch einmal gefragt, ob ich Ghana beim Afrika-Cup in Libyen trainieren wollte. Durch einen längeren Aufenthalt in Brasilien hatte ich viele neue Ideen bekommen, also sagte ich zu. Und wir gewannen wieder.

Frage: Heute spielt Ghana im WM-Achtelfinale gegen die USA. Wie steht es aktuell um den ghanaischen Fußball?

CHARLES GYAMFI: Er hat sich sehr verändert. Wenn wir heute über Fußball sprechen, geht es nur ums Geld. Ein anderes gravierendes Problem ist, dass es an qualifizierten Trainern fehlt. Jeder Spieler hat besondere Eigenschaften, die weiterentwickelt werden müssen. Doch dafür brauchen wir hartes Training. In der Kabine kann ein Trainer die Spieler nur noch daran erinnern, was sie vorher trainiert haben.

Das Gespräch führten Daniel Tödt und Jan Scheve.

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