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Sport: Alba Berlin: Die Trompete bleibt im Kasten

Der Rest der Mannschaft hatte das Parkett der Max-Schmeling-Halle bereits verlassen, da irrte Wendell Alexis noch immer von einer Seite zur anderen. Reichte ein paar Fans die Hände, schien dabei aber irgendetwas zu suchen.

Der Rest der Mannschaft hatte das Parkett der Max-Schmeling-Halle bereits verlassen, da irrte Wendell Alexis noch immer von einer Seite zur anderen. Reichte ein paar Fans die Hände, schien dabei aber irgendetwas zu suchen. Wo waren zum Beispiel seine Mannschaftskameraden? Und was sollte er als nächstes tun? Beim vorangegangenen 95:70-Sieg über Lietuvos Rytas Vilnius zum Auftakt der Basketball-SuproLeague war dagegen von Orientierungslosigkeit nichts zu spüren gewesen. Aus einem sehr starken Team von Alba Berlin ragte der 36-jährige US-Amerikaner mit seinen 25 Punkten, acht Rebounds und sechs Assists heraus. Und als Alexis nun als letzter vom Feld traben wollte, kamen sie alle noch einmal zurück aus den Katakomben. Die Sieger ließen sich feiern. Stolz und erleichtert.

In einer Hinsicht passte der Auftritt von Wendell Alexis ins Bild: So richtig weiß der Deutsche Basketball-Meister noch nicht, wo er hingehört. Oder mag er es noch nicht glauben? Der Trainer der Litauer, Sarunas Sakalauskas, wähnte sich da schon ein wenig schlauer. "Vor diesem Spiel haben wir das Ziel gehabt, unter die ersten vier unserer Gruppe zu kommen", sagte er in fast perfektem Deutsch, "jetzt sind unser Ziel die ersten fünf." Soll wohl heißen, dass er Alba in den Kreis der Mitfavoriten aufgenommen hat.

So weit wollen die Berliner nicht gehen, bei aller Freude über den perfekten Bundesligastart mit vier Siegen und dem Auftakterfolg auf europäischer Bühne. "Wir müssen realistisch sein", warnte zum Beispiel Marko Pesic, "die haben nichts getroffen. Ihre Saison hat noch nicht begonnen, sie haben ihren Rhythmus noch nicht." Ähnlich bescheiden äußerte sich Jörg Lütcke: "Das war doch das erste Spiel. Wir müssen mal abwarten, wo die Litauer am Ende landen. Außerdem haben wir fast einmalig getroffen." 13 von 20 Dreipunktewürfen landeten in des Gegners Korb. Im schon vorentscheidenden ersten Viertel, das 33:19 endete, lautete die Trefferquote gar 78 Prozent.

Sicher hat das Team von Vilnius früh aufgegeben, was nicht unüblich ist bei Mannschaften der russischen und litauischen Basketball-Schule. Rückstände aufzuholen, gehört nicht zu ihren Stärken. Aber die schwache Vorstellung der Gäste wurde auch erzwungen durch die konzentrierte Leistung der Berliner. Mögen manche die Spannung vermisst haben - wer langweilt sich schon, wenn Hertha BSC gegen Bayern München 5:0 gewinnt? Zumindest eine Mannschaft bot ein sehr gutes Basketballspiel. "Der Grundstein unseres Sieges war wieder einmal die gute Verteidigung", sagte Lütcke. Die Litauer lieben es, im Angriff unter den Korb zu ziehen und von dort nach außen zum frei stehenden Mitspieler zu passen, der dann eine feine Wurfposition hat. Oder einen ihrer Schützen freizublocken. Beides misslang. Grund dafür war die jugoslawische Basketball-Schule, sieben Jahre lang in Berlin praktiziert von Svetislav Pesic und bisher genauso erfolgreich übernommen von Emir Mutapcic. "Es ist der gleiche Song, nur gespielt auf einer anderen Trompete", sagte Alexis zur Trainer-Nachfolge. Verhindere, was der andere im Angriff tun will, zwinge ihn, Dinge zu tun, die er gar nicht tun wollte - dann gewinnst du!

Der erfahrene Alexis weiß aber auch: "Wir brauchen Zeit, denn wir haben ein sehr junges Team. Wir müssen das Tempo und den Enthusiasmus der jungen Spieler nutzen. Wir müssen sie ermutigen, so zu spielen." Enthusiasmus, Selbstvertrauen, Mut zeigten auch die Jüngsten, Sven Schultze, Stipo Papic, Tommy Thorwarth oder der erst 19-jährige Jan Jagla. Letzterer war so happy, dabei sein zu dürfen, dass er sich sogar über einen vergebenen Korbleger freute. Dass sich hinterher alle bescheiden gaben, spricht für die Mannschaft. Wellentäler werden schon noch kommen. Aber es ist doch schön, zum ersten Mal seit 1996 mit einem Sieg in Europa zu starten. Auch den neuen Alba-Trainer hat das von einem großen Druck befreit. Spontan beschloss Emir Mutapcic, die Trompete einmal im Kasten zu lassen. Gestern hatte die Mannschaft frei. Und damit Zeit, ihre Position zu genießen. Sie steht vorn. In der Bundesliga und in der SuproLeague.

Dietmar Wenck

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