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© EFE

Alba Berlin: Schmerzen im Kopf

Er war ein Star bei Alba und holte WM-Bronze. Dann bekam er einen Finger ins Auge – nun muss Basketballer Mithat Demirel seine Karriere beenden

Berlin - Mithat Demirel hat gegen zwei amerikanische „Dream Teams“ gespielt. Er hat in Berlin Pokale gestemmt und in Indianapolis und Belgrad Medaillen umgehängt bekommen. Er hat sich mit Dirk Nowitzki Hotelzimmer auf der ganzen Welt geteilt. Der Basketball hat ihn vom Lankwitzer SSC Südwest über TuS Neukölln, TuS Lichterfelde und Alba um die Welt reisen lassen. Jetzt sitzt der 31-Jährige in einem Café in Kreuzberg und sagt ganz entspannt: „Mein Traum wäre gewesen, nach einer guten Saison aufzuhören. Aber ich habe das jetzt entschieden. Ich hatte Zeit, das abzuschließen.“

Den Profibasketballer Mithat Demirel gibt es ab sofort nicht mehr. Schuld daran ist ein „Arbeitsunfall“, wie der 100-malige deutsche Nationalspieler sagt. In Diensten der Baskets Bamberg bekommt Demirel am 6. April 2008 beim Bundesligaspiel in Göttingen den Finger eines Gegenspielers ins rechte Auge, bei einer Untersuchung wird zunächst nur ein Bluterguss festgestellt. Drei Tage später bemerkt Demirel aber, dass er aus einem bestimmten Blickwinkel keine Gesichtszüge mehr erkennen kann. Eine zweite Untersuchung ergibt, dass er auf dem rechten Auge 50 Prozent seiner Sehkraft verloren hat. Unwiderruflich. „Da war große Panik überall“, erinnert sich Demirel, der als nur 1,80 Meter großer Spielmacher immer von seiner Übersicht gelebt hat. Die Folgen der Verletzung spürt er das erste Mal, als er vor den Play-offs ins Trainingslager fährt. Sein Gehirn versucht permanent, die fehlerhaften Informationen der Augen auszugleichen, das grelle Licht und die schnellen Bewegungen auf dem Feld verursachen Kopfschmerzen. Demirel steht die Play-offs durch, die Olympischen Spiele in Peking aber – das Ziel, auf das er mit der Nationalmannschaft hingearbeitet hat – muss er absagen. „Das ist mir sehr, sehr schwer gefallen“, sagt Demirel. „Aber ich habe den ganzen Sommer nur bei Ärzten verbracht.“

Trotz der Beschwerden spielt er noch eine Saison in der Türkei bei Erdemirspor. Zu den Kopfschmerzen kommen jetzt permanente Verspannungen im Nacken. „Man wird wahnsinnig dadurch“, sagt Demirel. Im Sommer 2009 schlägt er eine Vertragsverlängerung aus, lehnt auch andere Angebote ab und zieht zurück nach Berlin. Sein alter Verein Alba, mit dem er fünfmal Meister und viermal Pokalsieger geworden ist, nimmt ihn mit ins Trainingslager, danach hält er sich in Albas zweiter Mannschaft fit. Immer noch wollen ihn vor allem Klubs aus der Türkei verpflichten, der Heimat seiner Eltern. Doch trotz aller Therapien und Versuche, die Sehschwäche mit Kontaktlinsen auszugleichen, bleiben Schmerzen. Der Zustand des Auges verschlechtert sich, eine Operation droht. Demirel beschließt, seine Karriere zu beenden. Wie es beruflich für ihn weitergeht, weiß er noch nicht.

Trainer will er nicht werden, auch wenn der Deutsche Basketball-Bund Interesse zeigt. „Priorität ist, dass ich gesund werde“, sagt Demirel. Er genießt es, in Ruhe ins Kino gehen zu können. Auch wenn er bei „Avatar“ die 3D-Brille abnehmen musste, wegen der Kopfschmerzen.

Demirel hat für Alba gespielt, den Mitteldeutschen BC, Besiktas, Galatasaray, Bamberg. 1997 steht er für Alba das erste Mal ein paar Minuten auf dem Feld, es ist das erste ausverkaufte Spiel in der Max-Schmeling-Halle. „Die Zeit bei Alba war die schönste“, sagt er heute. Im Pokalfinale 2003 dribbelt er in den letzten drei Sekunden über das ganze Feld, trifft gegen zwei Gegenspieler zum 82:80-Sieg gegen Köln und macht sich endgültig zum Publikumsliebling. Demirel ist eine der prägenden Figuren der Alba-Ära zwischen 1997 und 2003, in der die Berliner den deutschen Basketball dominieren. Mit Deutschland gewinnt er 2002 WM-Bronze und 2005 EM-Silber.

„Wir waren Freunde, die sich gegenseitig gepusht haben“, sagt er über seine früheren Berliner Mitspieler. Viele dieser Freunde haben schon lange vor ihm mit dem Basketball aufgehört, weil ihre Körper der Belastung nicht standgehalten haben. Auch Mithat Demirel erinnert sich an weniger schöne Momente. Die permanente Angst als Jugendlicher, von Trainer Svetislav Pesic angebrüllt zu werden. Die Schmerzen in seinem ersten Alba-Trainingslager, als er vor Muskelkater keine Treppe mehr hinuntergehen konnte. „Natürlich waren wir bescheuert“, sagt Demirel über die Jahre, in denen er sich für seinen Sport aufgerieben hat. „Aber sonst wären wir nicht da hingekommen, wo wir waren. Ich bin glücklich über die Zeit.“

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