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Alba Berlin: ''Wir werden den Schmerz als Schubkraft nehmen''

Albas Geschäftsführer Marco Baldi über das Ende der Ära Rödl und den Beginn einer neuen Zeit beim Berliner Basketball-Bundesligisten.

Herr Baldi, nach vier vergeblichen Anläufen startet Alba Berlin heute in Quakenbrück in die Saison, um wieder Deutscher Meister zu werden. Ist mit jedem vergeblichen Versuch auch der Druck auf Sie als Manager und Geschäftsführer gestiegen?

Ich bin immer unter Druck. Ob er größer geworden ist, ist schwer zu messen.

Welche Verantwortung tragen Sie persönlich für die Misserfolge der letzten Jahre?

Heutzutage bedeutet Verantwortung doch oft: Ihr wolltet Meister werden, ihr seid’s nicht geworden, hau’ ab. Das ist für mich das Gegenteil von Verantwortung. Ich habe hier eine Verantwortung für die Gesamtentwicklung des Klubs und stehe dazu. Aber wenn alles super gelaufen ist, bin ich nicht derjenige, der sagt: Das ist meine Meisterschaft. Und wenn man das Ziel nicht erreicht, möchte ich nicht derjenige sein, der alles alleine auf sich lädt. Das hier ist ein Team. Wir werden hier gemeinsam Meisterschaften feiern und wir werden hier gemeinsam heulen, wenn wir unsere Ziele nicht erreichen. Aber wir werden nie an Intensität nachlassen.

Gab’s Kritik an Ihnen innerhalb des Führungszirkels?

Wir haben sehr kritisch hinterfragt, was dieses Ergebnis verursacht hat. Da sitze ich selbstverständlich mittendrin. Letztendlich müssen die Gesellschafter Axel Schweitzer und Dieter Hauert meine Arbeit beurteilen.

Beide sind mit Ihnen befreundet ...

Befreundet ist immer relativ. Ich glaube, dass ein Mann wie Axel Schweitzer, der mit der Alba AG und ihren Beteiligungen an die zwei Milliarden Euro im Jahr umdreht, schon manche Entscheidung treffen musste, bei der es nicht um Freundschaft ging. Bei dem Unternehmer Dieter Hauert ist das ähnlich. Die würden sich nicht davon beeinflussen lassen, ob man ein menschliches Gefühl hegt oder nicht. Es geht um Alba Berlin, und wie man das auf die nächste Stufe kriegt, und wenn da einer in verantwortungsvoller Position unproduktiv dazwischenhängen würde, würde er das nicht lange tun.

Trainer Henrik Rödl musste nach dem schlechtesten Ergebnis seit 1993 zurück in die Jugendarbeit gehen. War es ein Fehler, ihn zum Headcoach zu befördern?

Es zeigt die Seele von Alba, dass ein Mann wie Rödl im Verein bleibt. Entscheidungen müssen immer zu bestimmten Zeitpunkten in speziellen Situationen getroffen werden. Die Parameter hierfür können sich ändern.

Aber ein unveränderlicher Parameter von Henrik Rödl war: Er ist unerfahren.

Ich glaube, dass er zu dem damaligen Zeitpunkt die richtige Entscheidung war. Nicht die sichere, denn es wäre nach außen hin leichter gewesen, einen Trainer zu holen, der so und so viele Erfahrungen vorweisen kann. Doch es geht nicht darum, für die Öffentlichkeit die beste Entscheidung zu treffen. Man muss eine Entscheidung treffen, von der man überzeugt ist, dass sie das ganze Gebilde auf den nächsten Level hebt. Im Nachhinein ist man immer schlauer und kann sagen: Sorry, die Resultate sprechen dagegen.

Also war es ein Fehler?

Es geht nicht so sehr um die Person Rödl: Wir hatten in der Ära Emir Mutapcic und Rödl Leute aus dem eigenen Programm, denen man nicht lange erklären musste, worum es bei Alba geht. Das war ein Vorteil. Auf der anderen Seite liegt auch eine Gefahr darin. Man erhält nicht die Impulse, die man durch einen neuen Trainer kriegen kann. Ich glaube, dass wir da über ein paar Jahre zu wenig andere Blickwinkel bekommen haben. Beispiel: Wer bei Alba spielte, hat gewusst, dass bei uns Platz eins in der Bundesliga und gleichzeitig die Förderung deutscher Spieler erwartet wird. Das ist eine Quadratur des Kreises. Luca Pavicevic hat von vornherein klar gesagt: Wollen wir jetzt Erster werden oder versuchen, fünf 18- oder 19-Jährigen viel Spielzeit geben?

Hat Pavicevic jetzt mehr Freiheiten als seine Vorgänger?

Nein. Pavicevic gibt genauso wie Rödl vor, was zu laufen hat. Und da sind unpopuläre Entscheidungen gefallen: Zum Beispiel bei Demond Greene. Wir erhalten Schreiben von Fans, die sagen: Das ist einer der wenigen, mit dem ich mich identifizieren konnte und jetzt haltet ihr ihn nicht. Ich empfinde menschlich ähnlich, aber darum geht es nicht. Sondern: Welchen Weg schlagen wir ein, damit wir wieder dahin kommen, wo uns alle haben wollen? Da gibt es keine Kompromisse.

Auch auf Kosten der Kontinuität?

Wir sind der Klub, der über die Jahre am kontinuierlichsten gearbeitet hat. Aber es gibt Limits. Wir haben mit Matej Mamic und Jovo Stanojevic zwei Leistungsträger durch Verletzungen verloren. Hollis Price konnten wir unter Aufbietung aller Kräfte nicht halten. Und wenn Dijon Thompson in dieser Saison spielt, wie wir es uns wünschen, dann ist der Kollege in der nächsten Saison was weiß ich wo. Es ist so: Erst kommt die NBA, dann kommen vier bis fünf Spitzenklubs in Europa, und wir kämpfen mit dem großen Rest.

Wie schwer hat Alba Berlin der Misserfolg getroffen?

Wir habe aus den Möglichkeiten nicht das Optimale herausgeholt, das schmerzt. Jetzt werden wir diesen Schmerz als Schubkraft nehmen. Dabei hilft es uns, dass wir verstärkt auf die Jugendabteilung bauen. Wir haben innerhalb von 18 Monaten an die 1000 Kinder zum Basketball gebracht. Dieses Fundament steht, wird ausgebaut und hängt auch nicht davon ab, ob man in der letzten Sekunde einen Freiwurf trifft oder nicht. Der Wert von Alba Berlin ist nicht gesunken.

Trotz der negativen Entwicklung?

Im Basketball gibt es in Deutschland zwei Marken: Die eine ist Dirk Nowitzki, die andere ist Alba Berlin. An dieser Marke hat sich nichts geändert, ob wir jetzt viermal Deutscher Meister geworden sind oder nicht. Wir haben in Deutschland einen Bekanntheitsgrad von 68 Prozent und nach wie vor gibt es für unsere Gegner nichts schöneres als Alba zu schlagen.

Sind Sie jetzt eine Marke oder ein Verein?

Wir wollen sportliche Erfolge haben, das steht über allem. Dabei hilft es aber, wenn man auch wirtschaftlich attraktiv ist. Wir haben trotz der Misserfolge unseren Etat weiter erhöhen können. Allerdings: Wenn es jetzt beliebig so weiterginge, wenn wir dauerhaft ein Klub wären, der sich viel vornimmt, und das dann nicht hinkriegt, dann wird man irgendwann in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Das Gespräch führte Benedikt Voigt.

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