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Der Mann im Hintergrund. Marco Baldi, hier in der Großarena, hat Alba seit der Gründung 1990 mit aufgebaut.

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Alba-Manager Baldi: Der Unantastbare

Die Basketballer von Alba Berlin erleben derzeit die schwerste Krise seit Jahren. Doch der Manager der Mannschaft, Marco Baldi, steht weiter kaum in der Kritik.

Berlin - Die Forderung kam fast zwangsläufig. Den Trainer hatte Alba Berlin bereits ausgewechselt, auch einen Spieler hatte der Basketball-Bundesligist entlassen. Als Albas Profis vergangene Woche dann im Eurocup von Sevilla vorgeführt wurden, war ein „Baldi raus“-Ruf in der Arena am Ostbahnhof zu hören. Der damit gemeinte Geschäftsführer saß da, wo er immer bei Heimspielen sitzt: nah am Korb, kaugummikauend, den Blick aufs Spielfeld gerichtet. Dort wird Marco Baldi wohl noch lange sitzen, selbst wenn Alba heute gegen Treviso aus dem Eurocup ausscheiden sollte und sich die Krise der letzten Wochen verschärft.

Es wäre nach dem Pokal-Aus in Quakenbrück bereits der zweite Wettbewerb, aus dem Alba vorzeitig ausscheidet. Und in der Liga spricht nach acht Niederlagen in 23 Spielen derzeit wenig dafür, dass Alba am Saisonende den zweiten Meistertitel in acht Jahren gewinnen kann. Auch die Zeit danach sieht nicht rosig aus: Der amtierende Deutsche Meister Bamberg scheint dem einstigen Serienmeister sportlich enteilt zu sein, in der kommenden Saison kommt mit Bayern München wohl ein mächtiger Konkurrent hinzu.

Angesichts der zahlreichen Misserfolgsmeldungen kann Baldi mit der Frage, ob ihm sein Job zurzeit noch Spaß macht, nicht viel anfangen.

Baldi hatte immer volle Unterstützung

„Ich bin kein spaßgetriebener Mensch. Es gibt sicher andere Momente, in denen man das Gefühl hat, dass alles fruchtet“, sagt der 48-Jährige. „Es gibt aber auch Phasen, wo alles grau ist. Das kommt immer wieder.“ Derzeit erleben die Berliner die wohl graugefärbteste Phase, seit Baldi bei der Vereinsgründung 1990 Albas Geschicke übernommen hat. Noch im Sommer hatte er an Trainer Luka Pavicevic festgehalten, um ihn dann im Januar doch zu entlassen. Fünf Niederlagen unter dem von Baldi verpflichteten Coach Muli Katzurin sorgten für viel Unruhe im Umfeld des Klubs. Dennoch steht der Manager, außer bei einigen Fans, nicht in der Kritik; auch weil im Basketball öffentlicher Druck und Gegenkandidaten rarer sind als etwa im Fußball.

In der Führungsriege des Klubs genießt Baldi nach wie vor großen Rückhalt. „Gerade jetzt in der Krise ist Marco der richtige Mann“, sagt Albas Präsident Dieter Hauert. Gemeinsam mit Baldi hat der Unternehmer den Verein aufgebaut. „Marco ist das Hirn des Vereins, ohne seine Ideen und Tatkraft hätte Alba das alles nicht erreicht“, sagt Hauert. „Er war immer der Mittelpunkt, er hat bestimmt, in welche Richtung wir gehen.“

Auf dem Papier ist Hauert Baldis Vorgesetzter – in der Praxis werden Entscheidungen bei Alba anders getroffen. „Marco hat beim Profiteam das absolute Sagen, ich sehe mich da eher beratend“, sagt Hauert. Er sowie Aufsichtsrat und Sponsor Axel Schweitzer von der Alba AG würden in wichtige Entscheidungen aber einbezogen. „Zu 90 Prozent sind wir dann dem gefolgt, was Marco Baldi vorgeschlagen hat“, sagt Hauert. „Aus dem Basketball-Tagesgeschäft versuche ich mich weitestgehend herauszuhalten“, sagt Schweitzer.

Was er abstimmt und was nicht, entscheidet er nach Gefühl

Laut Vizepräsident Henning Harnisch „läuft bei Marco alles zusammen“. PR, Merchandising, Marketing, Tickets, Buchhaltung, Sport: „Letztlich ist er für all die Bereiche verantwortlich.“ Im Berliner Sport hatten zuletzt wohl nur Bob Hanning bei den Füchsen und Dieter Hoeneß bei Hertha BSC derart viel Macht – mit unterschiedlichem Ausgang.

Baldi betont stets, dass er sich Rat sucht. „In meinem Vertrag steht aber nicht, was ich abstimmen muss und was nicht“, sagt Baldi. „Es geht um ein Gefühl, das man über die Jahre entwickelt.“ Zuletzt lag der frühere Bundesligaspieler mit seinem Gefühl nicht mehr so häufig richtig wie früher, als Alba als erster deutscher Klub einen Europapokal gewann, sieben Mal in Folge Meister wurde und in die größte Basketballhalle Europas umzog, wofür Baldi in der Europaliga zum Manager des Jahres gewählt wurde. Doch Titel holten in den vergangen Jahren meist andere, Jugendspieler aus der vorbildlichen Nachwuchsabteilung schaffen kaum noch den Sprung ins erste Team, dafür entpuppten sich von Baldi verpflichtete Profis wie Kenan Bajramovic als lustlose Söldner, die Chemie im Team stimmte nicht, zuletzt musste auch Hollis Price gehen.

Ein Rücktritt kommt nicht infrage

Über einen eigenen Rückzug hat Baldi sich in der aktuellen Krise jedoch keine Gedanken gemacht. „Durchgedacht habe ich das noch nie, und das habe ich auch nicht vor“, sagt Marco Baldi. 1998 war das noch anders. Baldi hatte zumindest einen Teil seiner Verantwortung für eine Saison abgegeben, nach Jahren der Aufbauarbeit bei Alba fühlte er sich „ausgelutscht“, wie er sagt. „Heute würde man das als Burnout in relativ hohem Stadium beschreiben.“ Mittlerweile würde er die Anzeichen früher erkennen; derzeit gibt es keine.

Auch eine Kündigung hat Baldi nicht zu befürchten. Hauert sagt, ihn verbinde „eine tiefe persönliche Freundschaft“ mit seinem Geschäftsführer, daher hätte ihm der „Baldi raus“-Ruf „sehr, sehr weh“ getan: „Ich kann mir Alba ohne Marco Baldi überhaupt nicht vorstellen – dafür sehe ich aber auch überhaupt keinen Anlass.“ Ohnehin sei Baldi „der Letzte, der das Schiff verlassen würde“, sagt Hauert. Und fügt hinzu: „Aber wir sinken auch nicht.“

Alba Berlin trifft heute im Eurocup um 20 Uhr in der Großarena am Ostbahnhof auf Treviso. Die Berliner Basketballer (1:3 Siege) sind derzeit Dritter in der Zwischenrundengruppe L, Treviso (3:1) ist Zweiter. Um ein Ausscheiden zu vermeiden und sich die Chance auf das Viertelfinale offenzuhalten, muss Alba mit mindestens fünf Punkten Vorsprung siegen, um nach der 71:75-Niederlage im Hinspiel den direkten Vergleich mit Treviso zu gewinnen. Danach müsste Alba kommende Woche in Athen siegen, während Treviso nicht gegen Sevilla gewinnen darf.

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