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Sport: Alle für einen

Herthas Spieler entscheiden heute über das Schicksal von Trainer Stevens – aber stehen sie noch hinter ihm?

Von André Görke

und Stefan Hermanns

Berlin. Die Mitteilung umfasste vier Zeilen: „Der Spielerrat von Fußball-Bundesligist Hertha BSC steht zu 100 Prozent hinter der Entscheidung des Vereins und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit mit Cheftrainer Huub Stevens.“ Unterzeichnet war das Schriftstück von den sechs Mitgliedern des Mannschaftsrats, von Dick van Burik, Marko Rehmer, Pal Dardai, Fredi Bobic, Arne Friedrich und Niko Kovac.

Als große Literatur wird die Mitteilung nicht in die Geschichte von Hertha BSC eingehen. Aber man muss von Fußballern auch nicht unbedingt erwarten, dass sie wohl formulierte Treueadressen an die Öffentlichkeit jagen, vor allem dann nicht, wenn sie wie zuletzt die Hertha-Profis ganz andere Dinge im Kopf haben. Offensichtlich mussten sie das auch nicht. Dem Vernehmen nach hat sich die Geschichte folgendermaßen abgespielt: Die Spieler saßen am Montag in der Kabine und warteten in der Mehrheit wohl darauf, dass ihnen ein neuer Trainer präsentiert würde. Aber dann erklärte Herthas Manager Dieter Hoeneß, dass Huub Stevens weitermachen dürfe. Und er fragte, ob die Mannschaft einverstanden sei, wenn dieser Entschluss in ihrem Namen gut geheißen werde. Es gab keinen Widerspruch. Den Rest erledigte Herthas Pressestelle.

Aber kann man aus dem lieblosen Text auch auf das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft schließen, gerade jetzt, da der Trainer sein Schicksal ausschließlich in die Füße seiner Spieler gelegt hat? Wenn die Mannschaft heute das Bundesligaspiel in Rostock (15.30 Uhr) gegen Hansa nicht gewinnt, ist Stevens seinen Job los. Die Spieler aber würden bleiben und dürften sich in der nächsten Woche von Stevens’ Nachfolger neu motivieren lassen.

Dass der Trainer dem Ultimatum von Manager Hoeneß zugestimmt hat, ist ein Zeichen dafür, dass er den Spielern vertraut. „Die Jungs ziehen voll mit“, hat Stevens in dieser Woche gesagt. „Sie haben im Training Spaß gehabt. Sie haben gelacht. Das gibt Vertrauen.“ Die Mannschaft selbst hat sich auf Initiative ihres Vizekapitäns Pal Dardai eine öffentliche Redepause verordnet. Um den Trainer zu schützen?

Viele jüngere Spieler schätzen die Arbeit von Stevens. „Er ist wirklich ein hundertprozentig ehrlicher Mensch, der niemandem etwas vorgaukelt“, hat Denis Lapaczinski im Sommer gesagt. Einige der erfahreneren Profis aber werfen ihm Fehler vor. Fehler taktischer Art, aber auch im Umgang mit der Mannschaft. Artur Wichniarek hat sich im „Kicker“ darüber beschwert, dass er auf der falschen Position eingesetzt werde – seitdem darf er in der Rolle spielen, in der er sich selbst am stärksten sieht: im Sturm. Viele Spieler aber verstehen Stevens’ ständige Wechselei schon lange nicht mehr.

Die Unberechenbarkeit ist bei Herthas Trainer zur festen Größe geworden. Vor vier Wochen kanzelte er die Mannschaft auf dem Trainingsplatz öffentlich ab – vor laufender Kamera und nach vorheriger Ankündigung. Er selbst hat damit gegen seinen ehernen Grundsatz verstoßen, dass Internes intern zu bleiben habe. Und mindestens zwei Spieler sind in den letzten Wochen von ihm zwar in der Kabine, aber vor den Kollegen heftig kritisiert worden. Auf solche Bloßstellungen reagieren die meisten Fußballer mit großer Verärgerung.

Selbst wenn die Mannschaft in Rostock nicht gewinnen sollte – die Spieler werden nicht den leisesten Zweifel aufkommen lassen dürfen, dass sie gegen Stevens gespielt haben. Aber dass ein Team den Coach bewusst im Stich lässt, ist ohnehin schwer nachzuweisen. Ist es böser Wille, wenn der Verteidiger am Ball vorbeischlägt? Oder Verunsicherung? Nur selten ist die Situation so eindeutig, wie sie es vor fünf Jahren im Fall von Winfried Schäfer und dem VfB Stuttgart war: Angeblich hatte es eine Abstimmung der Mannschaft gegeben, in der sich die Spieler mit 25:0 gegen den Trainer ausgesprochen haben. Thomas Berthold hat damals gesagt: „Wenn Schäfer am Samstag noch Trainer ist, muss er von einer Armee geschützt werden.“ Das aber war dann nicht mehr nötig.

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