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In anderen Sphären. Mit Chris Ashton und den Engländern kann es die deutsche Rugby-Nationalmannschaft nicht aufnehmen. Foto: dapd

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Sport: Alles Amateure

Rugby war mal populär in Deutschland, heute fristet es ein Nischendasein – das Nationalteam muss deshalb bei der WM zuschauen

Berlin - Noch vor dem Kickoff wird es laut. Unter ohrenbetäubendem Lärm bahnt sich ein Flugzeug vom Flughafen Tegel aus seinen Weg in den Himmel. Nur wenige Meter entfernt spielen an diesem Nachmittag der Berliner RC und der SC Neuenheim in der Rugby-Bundesliga um Punkte. Nicht ganz 50 Zuschauer haben sich auf dem Sportplatz in der Jungfernheide eingefunden, für sie ist es unmöglich, gegen den Fluglärm anzukommen. Die spärliche Besucherzahl erklärt Martin Blume mit dem ungewöhnlichen Spielort. „Normalerweise tragen wir unsere Heimspiele im Hanns-Braun-Stadion aus, das ist heute wegen einer anderen Veranstaltung belegt.“ Und dann fügt der Mann, der beim Berliner RC im Nachwuchsbereich tätig ist, noch einen Satz hinzu, der viel aussagt über den derzeitigen Stellenwert von Rugby in Deutschland. „Bei der Veranstaltung handelt es sich um einen Ü-40-Cup der Fußballer.“

Vertrieben von kickenden Oldies, Bundesligaspiele beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit – es ist ein trostloses Bild, welches das deutsche Rugby dieser Tage abgibt. Der Sport fristet hierzulande ein Nischendasein und wenn man sich auf dem Gelände in der Jungfernheide so umschaut, fällt es schwer zu glauben, dass Rugby zu den beliebtesten Sportarten auf dem Erdball gehört.

Doch dieser Tage findet in Neuseeland die Weltmeisterschaft im Rugby statt. Und die Stadien dort sind voll und bei den TV-Übertragungen schauen weltweit mehrere hundert Millionen Menschen zu. In Deutschland berichten Sport1 und dessen nicht frei empfangbarer Ableger Sport1 plus von der Veranstaltung. Der Zuschauerzuspruch ist eher überschaubar, was auch daran liegt, dass sich die deutsche Mannschaft nicht für das Turnier qualifizieren konnte.

„Natürlich nicht“, sagt Nationaltrainer Torsten Schippe. „Wir sind schließlich eine Mannschaft, die aus reinen Amateuren besteht.“ Und so gab es in der WM-Qualifikation zum Teil hohe Niederlagen. Gegen den späteren Gruppensieger Georgien verlor man 3:77, 0:53 hieß es gegen Russland und selbst die nicht für die Endrunde qualifizierten Portugiesen überrollten die Deutschen beim 0:67. Als Gruppenletzter stieg Deutschland aus der A-Gruppe ab. „Gegen die Profis stoßen wir automatisch an unsere Grenzen“, sagt Schippe. Die Profis, das sind in Europa die Spieler aus dem britischen Raum, Frankreich, Rumänien, Russland, Georgien oder Italien. Mit den Italienern lagen die Deutschen bis in die achtziger Jahre noch gleich auf, ehe die Südeuropäer leistungsmäßig davonzogen. Ein finanzkräftiger Sponsor hatte sich bereit erklärt, in eine neue Profiliga zu investieren. „In Deutschland fehlt ganz einfach das Geld für den Rugbysport und damit auch Strukturen, Trainer und eine öffentlichkeitswirksame Vermarktung“, sagt Martin Blume. Ein Teufelskreis, denn durch den Misserfolg der Nationalmannschaft bekommt der nationale Rugby-Verband (DRV) weniger Geld aus dem Pool des internationalen Dachverbandes IRFB. Auch das schlechte Image, welches der Sport in Teilen der Bevölkerung hat, führt dazu, dass sich kein potenter Sponsor finden lässt. „Es gibt Eltern, die sind nicht gerade begeistert, wenn ihr Kind Rugby spielen will“, erklärt Blume. Zu brutal, zu hohe Verletzungsgefahr, heißt es dann.

Dabei war Rugby in Deutschland einmal sehr beliebt. Bereits 1872 wurde in Heidelberg der heute älteste Deutsche Rugby-Verein gegründet. Bis zum zweiten Weltkrieg zählte der Sport zu den populärsten im Land. Nach Kriegsende zog der Fußball aber mehr und mehr alle Sympathien auf sich – dem Wunder von Bern sei Dank. „Rugby war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so verwurzelt in der Bevölkerung und der Erfolg der Fußballer ließ den Sport immer mehr in Vergessenheit geraten, weil die Rugby-Auswahl eben nichts gewann“, sagt Blume. Dann schaut er wieder Richtung Spielfeld. Für den Berliner RC läuft es nicht gut, schnell liegt die Mannschaft 0:14 zurück, am Ende steht ein 8:33 auf dem Spielbericht.

Die Leistung der eigenen Mannschaft schlägt den wenigen Besuchern wohl auf den Appetit, in der Halbzeitpause finden sich nur vereinzelt Leute am Bratwurststand ein. Den Wirt scheint das nicht zu stören, er verfolgt ungestört das Treiben auf dem hinter ihm aufgebauten Fernseher. Hertha BSC spielt da gegen den FC Augsburg – in der Fußball-Bundesliga.

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