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Sport: Alles auf Sieg

Die Branche hofft auf das Ende des staatlichen Monopols und erwartet die Einführung von Wettlizenzen

Berlin - Viel Geld dürfte mit einer Wette auf den Ausgang des Verfahrens nicht zu gewinnen sein. Alles sieht nach einem klaren Sieg aus. Unter den Beobachtern besteht Einigkeit, dass das Bundesverfassungsgericht am Dienstag das staatliche Monopol für Sportwetten kippen wird. „Ich wette, dass es eine Liberalisierung gibt“, sagt Boris Hoeller. Der Bonner Rechtsanwalt hat sich auf das Sportwettenrecht spezialisiert. Auch die Buchmacher sind optimistisch. Bernd Hobiger, Chef des Berliner Wettanbieters Goldesel, beziffert die Chancen, dass die Liberalisierung kommt, auf 95 Prozent.

Das Urteil hat für die blühende Branche große Bedeutung. Der Deutsche Buchmacher-Verband schätzt den Wettumsatz für das Jahr 2005 auf 2,25 Milliarden Euro, mehr als die Hälfte davon entfällt auf private Anbieter. Die hohen Umsätze, die im Internet getätigt werden, tauchen in der Statistik gar nicht auf. Deutschland hat, paradoxerweise auch durch den öffentlichkeitswirksamen Fall Hoyzer, den Spaß am Wetten entdeckt. Das Problem: Die Veranstaltung von Glücksspielen ohne Lizenz – ebenso wie die Teilnahme daran – ist eine Straftat, die mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Das Monopol für Sportwetten liegt beim Staat. Private dürfen seit 1922 ausschließlich Pferdewetten anbieten. Die Bürger sollen so vor Spielsucht, Verschuldung und Betrug geschützt werden.

Nach der bisherigen Rechtslage sind Millionen Bundesbürger, die über das Internet oder an privaten Annahmestellen ihre Tipps abgeben, Straftäter. Die Buchmacher, die teils Wetten ins Ausland vermitteln, teils mit alten DDR-Lizenzen arbeiten, agieren in einer rechtlichen Grauzone. Sie mussten in der Vergangenheit immer wieder mit Strafanzeigen und Razzien rechnen. „Der Staat hätte die unklare Rechtslage auflösen müssen“, klagt Buchmacher Hobiger. Nun fällt diese Aufgabe dem Bundesverfassungsgericht zu.

Die obersten deutschen Richter entscheiden über eine Verfassungsbeschwerde der Buchmacherin Irene Katzinger-Göth. 1997 hatte sie bei der Stadt München die Erlaubnis beantragt, neben Pferdewetten auch Wetten auf andere Sportereignisse anbieten oder wenigstens ins Ausland vermitteln zu dürfen. Die Stadt lehnte das ab. Katzinger-Göth zog bis vors Bundesverwaltungsgericht – erfolglos. Das Gericht folgte der Argumentation Münchens: Der Staat dürfe die Bürger mit seinem Monopol vor den Gefahren des Glücksspiels schützen.

Katzinger-Göth sieht ihr Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt. Ihre Verfassungsbeschwerde wirft zwei Fragen auf: Ist eine Sportwette ein Glücksspiel wie etwa Roulette, oder handelt es sich um ein – erlaubtes – Geschicklichkeitsspiel? Und: Darf der Staat Private vom Markt fern halten, wenn er selbst für seine eigene Sportwette wirbt? Ausgerechnet der Umstand, dass der staatliche Lotto- und Totoblock mit Oddset selbst in das lukrative Geschäft eingestiegen ist, könnte das Monopol zu Fall bringen. Denn ein staatliches Wettmonopol sei nur gerechtfertigt, wenn der Staat den Bürger damit auch wirksam vom Spielen abhalte, urteilte der Europäische Gerichtshof 2003. „Die Argumentation des Staates, dass Wetten sozial unerwünscht seien, spiegelt sich in der Lebensrealität nicht wider“, sagt Rechtsanwalt Hoeller. Der WM-Förderer Oddset wirbt für sein Angebot und lockte mit einer Sonderverlosung von WM-Tickets. „Man kann nicht behaupten, dass man das Wetten verhindern will, und gleichzeitig Anreize schaffen“, sagt Hoeller.

Beobachter rechnen damit, dass das Gericht die Vermittlung von Wetten ins Ausland erlaubt und dem Gesetzgeber aufträgt, eine bundeseinheitliche Regelung für die Erteilung von Wettlizenzen zu schaffen. Hierfür könnte der Gesetzgeber eine Frist bekommen, so dass zumindest bis zur WM alles beim Alten bliebe. In dem Gesetz könnte auch die Frage der Sportförderung geregelt werden. Denn ein Teil der Gewinne aus den staatlichen Oddset-Wetten fließt sozialen Zwecken zu. Private Anbieter zahlen diesen Anteil nicht. Sportverbände sorgen sich, dass die Einnahmen aus Oddset, die fünf Prozent der gesamten Lottofördermittel ausmachen, nach der Liberalisierung wegfallen könnten. Der Buchmacher-Verband ist dafür, eine Sonderabgabe für soziale Zwecke auch für die Privaten einzuführen. Buchmacher Hobiger ist ohnehin überzeugt, dass dem Staat durch seine starre Haltung Einnahmen entgangen sind: „Der Staat könnte längst mitverdienen. So wird das Geschäft im Ausland gemacht.“

Steffen Hudemann

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