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No Logo. Wie viel Werbung bei einer durchschnittlichen Bundesligapartie (wie hier am zweiten Spieltag dieser Saison zwischen Hannover 96 und dem 1. FC Nürnberg) im Spiel ist, merkt man erst, wenn man sie kenntlich beziehungsweise unkenntlich macht. Foto: Fishing4

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Sport: Alles muss raus

Eine Firma gibt 46 Millionen Euro aus, um sich auf Trainingsanzügen zu sehen. Eine Zeitung verpixelt alle Logos auf Sportbildern – über Sinn und Irrsinn der Werbung im Fußball

Als Mario Gomez im März 2009 eine imaginäre Dose öffnete und die Arme spreizte, als hätte ihm ein Schluck des Getränks gerade Flügel verliehen, war für viele Fans die letzte Grenze überschritten. Der damalige Stuttgarter Gomez konnte noch so heftig beteuern, der seltsame Jubel nach seinem Treffer zum 2:1 gegen Borussia Dortmund habe nichts mit seiner Beziehung zum österreichischen Hersteller eines Energiedrinks zu tun, glaubwürdig war das nicht. Die Werbung schien den Fußball endgültig im Griff zu haben. Der Aufschrei war groß, Gomez jubelt seither wieder brav als Torero-Pantomime, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verzichtete gnädig auf eine Ermittlung. Die Diskussion um das allgegenwärtige Sponsoring im Fußball geht aber weiter, jetzt hat die Debatte neue Nahrung erhalten. Auf der einen Seite stehen dabei 46 Millionen Euro, auf der anderen eine Handvoll Pixel.

Die 46 Millionen Euro werden über die kommenden vier Jahre vom deutschen Logistikunternehmen DHL an Manchester United überwiesen. Dafür darf die Tochter der Deutschen Post ihr Logo nun auch auf die Trainingsanzüge des Englischen Meisters drucken. Die sind zwar nur selten im Fernsehen oder im Stadion zu sehen, DHL verspricht sich von der Verbindung mit Manchester aber einen großen Werbeeffekt in Asien. Der Deal zeigt, wie weit sich die Spirale gedreht hat: Die Werbung durchdringt den Fußball, Weltbekannte Vereine wie ManU, Real Madrid oder der FC Bayern können sich vor Sponsoren kaum retten und sind in der Lage, auch Schweißbänder, Socken und Unterwäsche mit exklusiven Partner-Logos zu beflocken. Klubs in unteren Ligen kämpfen dagegen ums Überleben. Als Fußballanhänger kann man Firmennamen kaum entkommen, vom Signal-Iduna-Park über den Audi-Cup bis hin zum DKB-Familienblock, selbst die Trikots der Schiedsrichter sind mit Logos geschmückt.

Die Bild- und Wortmacht des Sponsorings geht nicht nur vielen Fans auf die Nerven – und hier kommen die Pixel ins Spiel. Die Berliner „taz“ hat sich dafür entschieden, keine Logos mehr im Sportteil abzudrucken, alle Sponsorennamen werden verpixelt. „Eigentlich war die Aktion nur für zwei Wochen geplant“, sagt „taz“-Sportredakteur Andreas Rüttenauer. „Aber wir haben so viel Spaß daran, Bilder ohne Werbung rauszusuchen oder zu verpixeln, dass wir das erst einmal weitermachen.“ Auch andere Medien wie der Tagesspiegel versuchen, übergroße Sponsorenlogos im Bild und Firmennamen im Text zu vermeiden; der Vorstoß der „taz“ ist aber neu. „Wir wollten das schon lange machen. Besonders im Winter, wenn Sportfotos aussehen wie Werbung für Heizungshersteller“, sagt Rüttenauer. „Es ist nicht unsere Aufgabe, kostenlose Werbung abzudrucken.“ Die Reaktion der Leser sei gemischt, zunächst hätten sich viele über die Aktion gefreut. „Jetzt sagen einige, wir würden dem Sujet, über das wir berichten, Schaden zufügen“, sagt Rüttenauer.

Das sieht man bei den größten deutschen Sport-Sponsoren ähnlich, Firmen wie Mercedes-Benz, Bayer, Adidas oder McDonald’s haben sich zur Vereinigung S20 zusammengeschlossen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. „Die Aktion der ,taz’ halte ich für populistisch. Da soll die Auflage gesteigert werden“, sagt Josef Stadtfeld, Geschäftsführer der S20. „Von außen betrachtet ist es albern.“ Stadtfeld kann allerdings auch nachvollziehen, dass manchen Fans die Werbung in ihrem Sport zu viel wird. „Als Fußballanhänger verstehe ich die Kritik“, sagt Stadtfeld. „Allerdings muss man als Fan auch die Wechselwirkung reflektieren: Wenn die Sponsorengelder nicht oben ankommen, gehen sie auch nicht bis ganz nach unten durch. Und ein Verein kann für seine E-Jugend keinen neuen Satz Trikots kaufen.“

Rund drei Milliarden Euro werden jährlich von Sponsoren im deutschen Sport investiert, auch Breitensportvereine profitieren. Aber gerade an der Spitze wird die Werbung oft penetrant, in der Bundesliga zerhacken Jingles die Atmosphäre in den Stadien, Turniere des Weltverbands Fifa wirken in Fernsehübertragungen wie endlose Werbeschleifen. In Deutschland sind einige Bastionen noch nicht gefallen: Im Gegensatz zur österreichischen Liga ist Werbung auf den Hosen der Spieler verboten, im Gegensatz zur englischen Premier League, die seit Jahren eine Bank in ihrem offiziellen Namen trägt, hat die Bundesliga auch keinen Titelsponsor.

Theoretisch könnte sich das ändern. „Über Naming Rights an der Fußball-Bundesliga wird bei S20 durchaus diskutiert“, sagt Josef Stadtfeld. „Manche Mitglieder wünschen sich das, andere sehen das nicht im Sinne der Sponsoren.“ Auch die Nationalmannschaft mit einem Logo auf dem Trikot sei denkbar. „Jede Form und Möglichkeit zu werben ist wünschenswert. Die Chance, dass das genutzt wird, schätze ich aber als sehr gering ein“, sagt Stadtfeld. Davor stehe die Entscheidung des DFB, „das ist eher eine sportpolitische als eine unternehmerische Entscheidung. Wenn die Nationalmannschaft eine Marke auf der Brust trägt, würde das in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden.“ Nationalteams anderer Sportarten sorgen für weniger öffentlichen Aufruhr: Die deutschen Basketballer werben schon lange für eine Bank, die Handball-Nationalmannschaft trägt sogar vier Sponsoren spazieren – je einen auf Brust, Ärmeln, Hose und Rücken.

Nicht nur Andreas Rüttenauer und seinen Kollegen aus der Sportredaktion der „taz“ tut das in den Augen weh. „Wir verfolgen mit unserer Aktion keinen antikapitalistischen Ansatz, sondern argumentieren auch ästhetisch. Die Werbung schlägt uns tot“, sagt Rüttenauer. „Im amerikanischen Profisport gibt es keine Trikotwerbung – und da wird ja wohl niemand behaupten, dass es dort antikapitalistisch zugeht. Es geht eben auch anders.“ In der US-amerikanischen Sportkultur und den Profiligen der Basketballer, Footballer, Eishockeyspieler, Baseballer und Fußballer sind Trikotsponsoren tatsächlich nahezu unbekannt, dafür müssen die Zuschauer penetrante Werbeunterbrechungen im Fernsehen und „commercial time-outs“ in Kauf nehmen, bei denen das Spiel nur aus Werbegründen unterbrochen wird. Im Fußball ist so etwas zumindest in Deutschland kaum denkbar.

Bei allem Hass auf Kommerzialisierung und vermeintlichen Ausverkauf: Rückblickend entwickeln Sponsorenlogos bisweilen nostalgischen Charme. Fans des FC Bayern denken mit Wonne an den Commodore-Schriftzug, den ihr Klub in den achtziger Jahren auf dem Trikot trug, für Anhänger des SV Werder Bremen wird die Geschichte ihres Klubs für immer untrennbar mit dem Küchenrenovierer Portas verbunden sein. Längst wird akzeptiert, dass Vereine Sponsoren brauchen, um Spieler zu verpflichten und sportliche Ziele zu erreichen.

Doch die meisten Fans haben ein feines Gespür dafür, wo Sponsoring aufhört und Ausverkauf anfängt. So schlägt dem Regionalligaklub Rasenballsport Leipzig, hinter dem sich der von Mario Gomez bejubelte Getränkehersteller Red Bull verbirgt, vehemente Ablehnung entgegen. Vor dieser Saison musste der RB Leipzig zwei Testspiele absagen, weil die gegnerischen Fans von Hessen Kassel und dem 1. FC Union vehement gegen die Partien protestiert hatten. Manchmal steht sich ein Sponsor eben auch selbst im Weg – da kann Mario Gomez noch so sehr mit den Flügeln schlagen.

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