zum Hauptinhalt
Berliner Begegnungen. Das letzte Pokalfinale zwischen Bayern und Dortmund führte zu einigen Umwälzungen.

© dpa

Als Borussia Dortmund den FC Bayern München demütigte: Ein Erdbeben und seine Folgen

Vor zwei Jahren führte Borussia Dortmund im Pokalfinale den Rekordmeister vor – doch das Imperium schlug mit großen Investitionen gnadenlos zurück.

Dieser Satz sorgt in den Dortmunder Kneipen noch immer für große Heiterkeit: „Wir waren über 90 Minuten die bessere Mannschaft.“ Gesagt hat ihn Philipp Lahm kurz nach dem 2:5-Debakel des FC Bayern München im Pokalfinale gegen den BVB. Zwei Jahre ist die Aussage des Kapitäns der Nationalmannschaft her. Wofür sie aber noch heute steht, ist die damalige Hilflosigkeit des Branchenführers. Nach einer Niederlage, die deutlicher kaum hätte ausfallen können.

Die Stimmung beim obligatorischen Empfang des Hauptsponsors war danach ebenfalls gedämpft. Allerdings ist sie nie besonders ausgelassen, denn die Pokalparty am Gendarmenmarkt wird nach dem Finale weniger für die Mannschaft des FC Bayern München organisiert, sondern wegen des Sponsors und der vielen Gäste aus Wirtschaft, Politik und Sport. Aber an jenem 12. Mai 2012 war es besonders still, viele Plätze blieben sogar leer. Die Prominenz hatte offensichtlich keine große Lust auf eine Feier, bei der es nichts zu feiern gab. Der FC Bayern war ein paar Stunden zuvor regelrecht vorgeführt worden. Wie die vorausgegangenen vier Bundesligapartien ging auch das Pokalendspiel im Berliner Olympiastadion gegen die Westfalen verloren, aber dieses 2:5 glich einem kleinen Erdbeben. Zusammen mit der Niederlage am Samstag darauf im „Finale dahoam“ um die Champions-League-Krone gegen den FC Chelsea erlebten der FC Bayern eine seiner bittersten Wochen, und eine, die vieles in Bewegung brachte.

Hoeneß drohte, Watzke wusste Bescheid

„Wir werden unsere Mannschaft so lange verstärken, bis wir wieder allein sind“, hatte der damalige Präsident Uli Hoeneß versprochen, und es klang wie eine Drohung. „Wir haben das Geld dazu.“ Die Dortmunder gewannen das Double, und Hans-Joachim Watzke wusste in diesem Moment, was geschehen würde: „Das Imperium wird zurückschlagen, das ist doch völlig klar. Wenn du Bayern so nahe kommst, gibt es gewisse Eskalationen. Das hat Werder Bremen vor Jahren ebenfalls zu spüren bekommen.“

Die Verantwortlichen des FC Bayern analysierten und handelten. Ein paar Wochen später musste Sportdirektor Christian Nerlinger gehen, dafür kam Matthias Sammer als Sportvorstand. Die Bayern kamen zur Erkenntnis, dass der Kader in der Breite hochwertiger werden musste und kauften, anders als in den Jahren nationaler Dominanz, strategisch ein. Es kamen ideale Ergänzungen wie Xherdan Shaqiri oder Claudio Pizarro und mit Mario Mandzukic eine Art Stürmer, die der Mannschaft trotz des treffsicheren Mario Gomez gefehlt hatte. Der Kroate beginnt seinen Job nicht erst an der Strafraumgrenze, er sieht sich als erster Verteidiger. Rekordtransfer Javier Martinez sollte sich an der Seite Bastian Schweinsteigers zu einem der besten defensiven Mittelfeldspieler der Welt entwickeln. Und Dante belehrte Skeptiker schnell eines Besseren, denn der Innenverteidiger war in seinem ersten Bayern-Jahr der Stabilisator in der Abwehr.

Zudem bedienten sich die Bayern beim Hauptkonkurrenten. Als die Münchener zuerst Mario Götze und dann Robert Lewandowski verpflichten, wurde Dortmunds Geschäftsführer mit den Worten zitiert: „Sie wollen uns zerstören.“ Zu dieser drastischen Formulierung steht der 54-Jährige, auch wenn er betont, er habe darüber gesprochen, der Widersacher wolle lediglich „unsere Mannschaft von 2012 zerstören. Das ist ein großer Unterschied“.

Abgekühltes Verhältnis, kritische Distanz

Fakt ist, dass sich das Binnenklima zwischen den beiden Protagonisten des deutschen Vereinsfußballs merklich abgekühlt hat. Watzke beschreibt es als „professionell, nicht freundschaftlich“. Das früher übliche gemeinsame Mittagessen wird auch heute vor dem Pokalfinale in Berlin nicht stattfinden: „Wir haben beim offiziellen DFB-Bankett ja schon ein gemeinsames Abendessen“, sagt Watzke, „da müssen wir uns nicht noch zusätzlich treffen.“

Beide Klubs beäugen sich mit kritischer Distanz und treten dabei nicht nur auf dem Rasen gegeneinander an. Dortmunds Macher wertet diesen Zustand in erster Linie als Akt der gestiegenen Wertschätzung: „Schauen Sie sich das Verhältnis zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona an. Wenn du auf diesem Niveau Konkurrent bist, bleiben verbale Scharmützel nun mal nicht aus.“

An diesem Zustand wird sich nach Lage der Dinge mittelfristig nichts ändern. Borussia Dortmund wird seinen Kader für die neue Saison hochkarätig verstärken und dabei wohl so viel investieren wie noch nie zuvor in seiner Vereinsgeschichte. Das alles geschieht in der Intention, neben Bayern München in Fußball-Deutschland, einen „zweiten Leuchtturm zu installieren“, wie es Watzke gern formuliert: „Ich denke, die Bauarbeiten laufen ganz gut.“ Sie wollen es ein wenig den Bayern von 2012 nachmachen.

Champions-League-Sieg als Krönung der Demütigung

Trainer Jupp Heynckes und seine Mannschaft waren damals wie besessen davon, die Schmach zu tilgen und eilten von Rekord zu Rekord. In der Saison darauf demütigten sie den Emporkömmling der vergangenen beiden Jahre mit 25 Punkten Vorsprung in der Bundesliga und krönten die Saison mit dem Sieg gegen die Westfalen in der Champions League. Er hinterlasse seinem Nachfolger Pep Guardiola „eine perfekt harmonisierende Mannschaft“, sagte Heynckes am Ende seiner Bayern-Mission. Guardiola modifizierte das Spiel ein wenig, legte mehr auf die Dominanz im Mittelfeld, und die Bayern machten dort weiter, wo sie mit Heynckes aufgehört hatten. Von Mai 2012 bis zum Gewinn des zweiten Meistertitels Ende März dieses Jahres verloren sie in der Bundesliga nur ein Spiel – und galten in der Champions League als das Nonplusultra.

Aber dann ließ die Gier, die Gefräßigkeit etwas nach, vielleicht weil die Bestmarken, die es noch zu erreichen galt, immer abstruser wurden und konstruierter wirkten, ganz sicher, weil sich der Kopf nach gut eineinhalb Jahren mal eine Pause gönnen musste. Beim Pokalfinale am Samstag ist nun wieder Dortmund der Favorit, so wie vor zwei Jahren. In Berlin könnte sich ein großer Kreis schließen. Den Ist-Zustand beschreibt Watzke so: „Sie versuchen zwar alles, aber sie werden uns nicht richtig los. Am Ende einer Saison sind wir immer wieder da.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false