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Sport: Am Brett mit Madonna

Eine junge Russin und eine junge Deutsche liefern sich ein Zickenduell im Schach – der Skandal ist clever kalkuliert

Sie trägt gern nabelfreie Shirts und Jeans, die auf den Hüften sitzen. Wo sie auftritt, folgen ihr Autogrammjäger und Fotografen. Sie gibt Interviews bei CNN, wirbt für einen Schweizer Uhrenhersteller und hat den ersten Spielfilm gedreht. Alexandra Kosteniuk ist ein Popstar. Jetzt hat sie sogar eine Autobiographie veröffentlicht – im Alter von 18 Jahren. Doch am meisten überrascht, wie die junge Frau aus Russland ihren Durchbruch in der Showbranche geschafft hat: als Schachspielerin.

Alexandra Kosteniuk ist Vize-Weltmeisterin im Schach. Das Spiel mit dem König und der Dame war bisher bloß eine Beschäftigung für versponnene Mathetypen. Jetzt wandelt sich dieser Sport – dank Alexandra Kosteniuk. Die junge Russin hat eine Vision: „Ich wünsche mir, dass möglichst viele Eltern ihren Kindern Schach beibringen.“ Das Spiel erziehe die Jungen und Mädchen zur Disziplin. „Die Kids bringen dann bessere Leistungen in Schule und Studium."

Alexandra Kosteniuk macht es allen vor. Sie spielt Schach, seit sie fünf Jahre alt ist, heute trainiert sie durchschnittlich fünf Stunden am Tag. Trotzdem schafft sie es, gleichzeitig in ihrer Heimatstadt Moskau Sport zu studieren und Gedichte zu schreiben, die sie auf ihrer Homepage ( www.kosteniuk.com ) ins Internet stellt.

Der Webauftritt hat wesentlich zum Kultstatus der Sportlerin beigetragen. Vor allem wegen einiger Bilder: Alexandra im Bikini am Strand, Alexandra mit aufgeknöpfter Bluse. Eigentlich recht harmlos, aber eine Sensation in einer Schachszene, die vor allem eines ist: total harmlos.

Sex und Schach: Das ist fast ein kleiner Skandal – und deswegen clever kalkuliert. Erfinder der Kosteniuk-Karriere ist Diego Garces, ein gebürtiger Kolumbianer. Der umtriebige Manager vermarktet die Denksportlerin so professionell wie eine Nachwuchssängerin für die Top-40-Charts. Das hat der Vize-Weltmeisterin inzwischen den Beinamen „Anna Kurnikowa des Schachs“ eingebracht. Alexandra Kosteniuk hört den Vergleich mit der hübschen Tennisspielerin ganz gern. Sie sagt: „Ich möchte beweisen, dass auch gut aussehende Menschen Schach spielen.“ Nur durch cleveres Marketing ließen sich potente Sponsoren mit viel Geld gewinnen. Und Alexandra Kosteniuk will viel Geld: „Ich wünsche mir, dass Schachprofis so viel verdienen wie Golfer.“

Zum Popstar gehört natürlich auch eine Lieblingsfeindschaft – damit die Presse was zu schreiben hat. Oasis hatten Blur, Britney Spears hatte Christina Aguilera. Alexandra Kosteniuk liefert sich nun ein Dauerduell mit Elisabeth Pähtz aus Dresden. Im August gewann die Russin in Mainz einen Wettkampf gegen die 17-jährige Deutsche. Zwei Monate später folgte die Revanche während der Schacholympiade im slowenischen Bled. Anschließend wurde Elisabeth Pähtz noch Weltmeisterin der unter 18-Jährigen. Seitdem verhöhnt sie in Interviews die Russin: „Alexandra macht zu viel Schickimicki und zu wenig fürs Schach.“ Und: „Anna Kurnikowa sieht viel besser aus."

Der Zickenkrieg passt ins Konzept des Kosteniuk-Managers Garces. Für ihn gilt die Parole: Nur wer im Gespräch bleibt, bleibt auch im Geschäft. Entsprechend gelassen reagiert Kosteniuk auf die Anmache aus Ostdeutschland: „Elisabeth Pähtz soll lieber ihre eigene Spielstärke verbessern, als Unsinn zu reden.“ Doch der Unsinn hat Methode, auch bei Kosteniuks Konkurrentin. Pähtz, die bei der WM im kommenden Jahr Kosteniuk auspunkten möchte, hat von der Russin gelernt. Neuerdings beschäftigt auch die Hoffnungsträgerin der Berliner Republik ein Beraterteam: Die schleusen Elisabeth Pähtz in Talkshows bei Harald Schmidt oder Pastor Fliege und organisieren Showkämpfe gegen die Box-Brüder Klitschko.

In gemeinsamer Konkurrenz mischen die beiden Damen den verschnarchten Schachbetrieb auf. Nun will sogar der Weltschachverband Fide Werbung mit der jungen Alexandra Kosteniuk machen. Die Russin soll ein frisches, modernes Bild vom traditionellen Denksport vermitteln. Keine leichte Aufgabe nach 1400 Jahren Schachgeschichte. Das entsprechende Event hat sich Alexandra Kosteniuk schon ausgedacht: „Ein Match mit Madonna, das hätte was.“ Dann fehlt ihr nur noch ein Plattenvertrag.

René Gralla

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