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Sport: Am falschen Ende gespart

Seine Routiniers hat der HSV ausgemustert: Prompt fehlt zu Saisonbeginn eine Führungspersönlichkeit

Von Karsten Doneck, dpa

Thomas von Heesen fühlt sich seinem alten Verein noch verbunden. 14 Jahre lang stand von Heesen schließlich in der Bundesliga für den Hamburger SV auf dem Platz, 368 Spiele hat er bestritten, dabei 92 Tore geschossen und einmal, 1983, sogar den Europapokal der Landesmeister gewonnen. Das prägt. Und so war das Mitgefühl des Thomas von Heesen, seit Juli 2005 Trainer von Arminia Bielefeld, bar jeder Anbiederung, als er nach dem 1:1 seiner Mannschaft beim HSV ein Loblied auf den Gegner anstimmte. „Dolli“, sagte er und meinte den Hamburger Berufskollegen Thomas Doll, „muss sich keine Sorgen machen. Der HSV wird seinen Weg machen, gerade mit den jungen Leuten, die sie geholt haben. Man darf sich jetzt nur nicht verrückt machen lassen.“ Doll saß zwei Meter weit weg, er hörte die Worte, aber seine Miene blieb finster.

0:0 in der Champions-League-Qualifikation gegen CA Osasuna, nur 1:1 gegen Bielefeld zum Bundesligastart – der HSV ist längst noch nicht da, wo er hin will: oben. „Ein guter Start sieht anders aus“, gibt Mittelfeldspieler David Jarolim zu. Und Doll hat erkannt: „Das ist nicht der Fußball, den wir spielen können.“ Auch die zweite Halbzeit, in der die Hamburger ihren zuvor leidenschaftslosen Kick in eine etwas druckvollere Vorgehensweise umtauschten, konnte nicht versöhnen. Christian Eiglers Führung für Bielefeld glich Boubacar Sanogo zwar aus, „aber mehr hatten wir auch nicht verdient“, sagte Jarolim.

Dem HSV fehlen derzeit die Typen, die in verfahrener Lage das Kommando übernehmen, um die anderen mitzureißen. Vielleicht steht dafür beim HSV auch zu wenig Routine auf dem Feld. „Das Durchschnittsalter bei uns dürfte bei geschätzten 24 Jahren liegen“, verkündete Sportchef Dietmar Beiersdorfer im Programmheft nicht ohne Stolz.

Unter den Fans kursierte die Hypothese, dass einer wie der an Leverkusen abgetretene Sergej Barbarez dem Spiel noch einen drei Punkte bringenden Dreh hätte geben können. Barbarez ist beim HSV stets für Überraschungsmomente gut gewesen, er konnte ein Spiel auch mal allein entscheiden. „Das Thema ist durch“, sagt Doll abwehrend. Er, der Trainer, hätte Barbarez gerne behalten. Aber Präsident Bernd Hoffmann lehnte ab, weil Barbarez angeblich zu viel Geld forderte. Mag sein, dass der HSV am falschen Ende gespart hat.

Rafael van der Vaart, der neue Kapitän, kann die Mannschaft, auch aufgrund einer langen Verletzungspause, noch nicht wieder wie in der ersten Halbserie 2005/06 führen. Auch Jarolim setzt seinen läuferischen Eifer nicht in die gewohnte Effektiviät um. Und der Angriff? Nach Takahara, Mpenza und Ailton, die allesamt die Erwartungen nicht erfüllt haben, sind nun Guerrero und Sanogo erste Wahl. Gegen Bielefeld war Guerrero schwach, Sanogo nur geringfügig besser. Erfrischend war allein die zwölfminütige Bundesliga-Premiere von Nachwuchsstürmer Besart Berisha, der in letzter Minute den Pfosten traf.

Vorige Saison war der HSV noch mit einem 3:0 gegen den 1. FC Nürnberg in die Saison gestartet. Zwei der drei Tore erzielte – Sergej Barbarez. Thomas von Heesen meint trotzdem: „Der HSV hat sich im Angriff gut verstärkt.“ Dann verschwand er im Bus zur Heimreise nach Bielefeld und wird sich auf der Fahrt so seine Gedanken gemacht haben – auch über den HSV.

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