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Sport: Am Strand von Leipzig

Die sächsische Messestadt war zu klein für Olympia – nun müht sie sich, groß genug für die Fußball-Weltmeisterschaft zu sein

Als der neue Tag in seine erste Stunde geht, steckt sich Franz Beckenbauer eine Zigarre an. „Schön hier“, sagt der Organisationschef der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Von der Hotelbar klimpert sanfte Musik herüber. Der mächtigste Fußball-Funktionär des Landes entspannt sich; am soeben abgelaufenen Tag haben er und die WM-Macher eine wichtige Bewährungsprobe bestanden: Fußball von Welt in Leipzig.

Neben der Eröffnung der im letzten Moment fertig gestellten Commerzbank-Arena in Frankfurt am Main trieb viele Organisatoren vor dem Confed-Cup die Frage um, ob die sächsische Messestadt tatsächlich internationalen Sportstandards genügt. Mit der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012 war Leipzig schon in der Vorrunde gescheitert – das Internationale Olympische Komitee fand die Stadt schlicht „zu klein“. Nun sind zwar die Tribünen des neuen Zentralstadions und die elegant geschwungene Dachkonstruktion fertig, doch einen Härtetest hat die Arena noch nicht bestanden. Die in Leipzig beheimateten Fußballklubs kicken sich durch die Niederungen der Amateurligen. „Da muss mal was passieren“, weiß Franz Beckenbauer.

Es ist noch eine Stunde Zeit bis zum Anpfiff des weltweit übertragenen Fußball-Duells zwischen Weltmeister und Europameister. Zehntausende machen sich zu Fuß auf den Weg vom Stadtzentrum zum Zentralstadion, um das die Polizei eine Bannmeile gezogen hat. Am Stadioneingang steht Michael Kölmel, er war einmal einer der erfolgreichsten Filmrechtehändler Deutschlands, nun ist er ein selten glücklicher Stadionbesitzer. „Das ist alles teurer geworden als gedacht“, gibt Kölmel zu, der seit Wochen mit der Stadt und einem Investor über den Verkauf des Objekts verhandelt. 108 Millionen Euro hat die neue Arena, die in die weitläufigen Tribünen des alten Zentralstadions eingefasst ist, schon verschlungen. Mindestens weitere acht Millionen werden nötig sein, um das Hauptgebäude vor dem Stadion entsprechend der WM-Normen zu sanieren. Noch immer sind viele Wände nicht verputzt, noch immer sind viele Räume nicht für Sponsoren und Medien benutzbar. In diesen Tagen lenken Planen und Behelfszelte die Blicke der Besucher von den Mängeln ab.

Auch in der Innenstadt ist der Prozess des Werdens längst nicht abgeschlossen. Zehn Baustellen allein rund um das Stadion erschweren die Anfahrt. Touristen klagen nach neuesten Umfragen vor allem über den Verkehr in Leipzig, der von Umleitungen und Staus gelähmt wird. Mittel aus dem Olympia-Sofortprogramm werden hier verbaut, die ansonsten verfallen würden. Auch in der Fußgängerzone beherrschen Kräne und Bagger das Stadtbild. „Im nächsten Jahr sind die meisten Baustellen verschwunden“, verspricht die Leiterin des Verkehrsamtes, Edeltraud Höfer. Während des Confed-Cups sind die Arbeiter angehalten, die Baustellen sauber zu halten. „Man kann sich vorstellen, wie schön es hier ist, wenn alles fertig ist“, kommentierte Brasiliens Nationaltrainer Carlos Alberto Parreira bei einem Stadtbummel lakonisch. Die Einwohner versuchen, das Vorläufige mit Gelassenheit hinzunehmen. Vor einer Kneipe schütteten sie Sand auf die Straße und funktionierten eine Kreuzung zu einer Strandbar um.

Am kommenden Dienstag findet in Leipzig das Spiel zwischen Australien und Tunesien statt. Bislang haben nicht viele Zuschauer ihr Interesse an diesem Ereignis signalisiert. Nur wenige Tage nach dem hochklassigen und stimmungsvollen Duell zwischen Brasilien und Griechenland vor mehr als 42 000 Fans könnte sich die Sportstadt Leipzig wieder so fühlen wie im Alltag: ambitioniert, aber ein wenig zu klein für die große Welt.

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