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Sport: Amerikanische Märchenstunde

Die USA treffen nach einem 3:2-Sieg im Halbfinale gegen Russland nun im Endspiel der Volleyball-WM auf Italien

Von Helen Ruwald

Berlin. Irgendwann im Juni hätte Toshiaki Yoshida wohl einiges darum gegeben, wenn er Männer trainiert hätte und keine Frauen, und schon gar nicht die Volleyball-Nationalmannschaft der USA. Die WM stand kurz bevor und seine Zuspielerin Nummer eins, Robyn Ah Mow, verriet ihm, dass sie schwanger war.

Beim Grand Prix im Juli in Asien wollte sie unbedingt noch spielen, war aber immerzu müde, und die Amerikanerinnen schafften es nicht einmal bis in die Endrunde. Danach war klar: Ah Mow würde für die WM ausfallen. Ausgerechnet sie, die so wichtige Stellerin. Erst im August stieß Jennifer Flynn zum Team, die bis dahin noch kein einziges Länderspiel absolviert hatte. Und die Stellvertreterin macht ihren Job so überragend, dass die Amerikanerinnen jetzt sogar im Finale der Weltmeisterschaft stehen, bei der sie noch immer unbesiegt sind. Im Halbfinale schlugen sie gestern den Rekord-Weltmeister Russland vor 5140 Zuschauern in der Max-Schmeling-Halle mit 3:2 (21:25, 25:23, 25:20, 21:25, 15:8) und treffen im Endspiel am Sonntag (15 Uhr) auf Italien. Die Südeuropäerinnen hatten China überraschend mit 3:1 (25:19, 25:20, 21:25, 25:23) besiegt. Russland und China spielen nun heute (18 Uhr, Schmeling-Halle) um Platz drei.

„Wir haben neun Stunden am Tag trainiert, so hart, dass der Schweiß aus unseren Schuhen lief“, erzählt US-Libero Stacy Sykora, „und wir haben zusammen geweint.“ Ob wegen des brutalen Trainings oder wegen der Niederlagen in der Vorbereitung, verrät sie nicht. Es ist auch egal: Die Storys, die sich um den Finaleinzug von Yoshidas Team ranken, klingen alle wie ein amerikanisches Märchen, so oder so. Auch Sykora selbst hat so eine Geschichte zu erzählen.

Wäre nicht die Position des Liberos eingeführt worden, „wäre ich nicht hier, das hat mein Leben verändert“. Sykora ist nur 1,76 Meter groß, ziemlich klein für eine Volleyballerin. Für Menschen wie sie wurde der Libero erfunden. Der spielt den Part eines Abwehr- und Annahmespezialisten, der nicht blocken darf. Sykora hatte außerdem in den vergangenen Jahren fast unverschämtes Glück: 1999 durfte sie nur mit zum großen internationalen Turnier nach Montreaux, weil sich ihre Kollegin kurz vorher verletzte. 2000 sollte sie die Olympischen Spiele eigentlich im Fernsehen verfolgen – doch kurz vor dem Abflug handelte sich der etatmäßige Libero eine Grippe ein. Sykora flog nach Sydney. Diesmal lief alles planmäßig. Für Märchen war diesmal Jennifer Flynn zuständig.

Und noch ist die Geschichte nicht zu Ende. „Dass wir mit Russland zum zweiten Mal ein absolutes Spitzenteam geschlagen haben, sollte uns Selbstvertrauen für das Finale gegen Italien geben. Jetzt wollen wir als stolze Amerikaner auch Champion werden“, sagte Trainer Toshi Yoshida. WM-Gold hat das US-Team noch nie gewonnen. 1967 gab es Silber, 1982 und 1990 jeweils Bronze.

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