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Der Meister und sein Meister. Francois Gabart wird nach seinem Sieg beim Vendée Globe von Michel Desjoyeaux beglückwünscht.

© VINCENT CURUTCHET / DPPI

Analyse Vendée Globe: Der Schatten des Professors

Warum Francois Gabart das Vendée-Globe-Rennen gewonnen und was das mit seinem Lehrer zu tun hat.

Es wurde der erwartet überwältigende Empfang. Hundertausende säumten trotz schlechten Wetters die Hafeneinfahrt von Les Sables d'Olonne, als Francois Gabart die letzten Meilen zur Ziellinie zurücklegte. In 78 Tagen hat der Franzose an Bord seiner 18-Meter-Yacht die Welt umrundet und das Vendee-Globe-Rennen gewonnen. Nur drei Stunden darauf traf Armel Le Cleac'h an Bord der Banque Populaire ein. Nach über 26.000 Meilen auf See trennte die beiden Kontrahenten sprichwörtlich nur ein Hauch.

Gabart war ergriffen und, als die Anspannung plötzlich von ihm abfiel, den Tränen nahe. Immer wieder reckte er den Daumen hoch, zu mehr als dieser scheuen Geste am Bug seiner Macif nicht fähig. Hier kehrte kein Triumphator heim, sondern ein gelehriger Schüler.

Und da tauchte auch schon sein Lehrer auf, Michel Desjoyeaux. Er kletterte an Bord, um mit energischen Sätzen auf seinen früheren Schützling zuzuspringen als einziger, der dem siegreichen Blondschopf in dieser Stunde nahe sein durfte. Denn er hatte ihn in die Szene der Open-60-Skipper eingeführt, hatte ihn 2010 zu seinem Co-Piloten beim Barcelona World Race gemacht. Wer also, wenn nicht Desjoyeaux durfte die Aura des Siegers in diesem Moment durchbrechen?

Nun hat Gabart seinen Ausbilder, der beim Vendée Globe 2008/2009 noch 84 Tage benötigt hatte, übertrumpft. Beinahe eine Woche weniger war er unterwegs. Desjoyeaux umarmte Gabart herzlich. Der Jungstar wird später bei der Pressekonferenz noch einmal an den Moment vor vier Jahren erinnern, als er Zeuge von Desjoyeaux' Rückkehr wurde, dass er selbst einmal an dessen Stelle treten würde, habe er niemals für möglich gehalten. "Ich habe mich selbst überrascht."

Fasziniert zeigt sich auch die Öffentlichkeit nach Gabarts Sieg von dem „wirklich, wirklich großartigen Erfolg“ (Roland Jourdain) und vom Rekord des jungen Franzosen aus Finisterre. Aber er kommt nicht von ungefähr. Schon mit sieben wurde der Junge von seinen Eltern in einem Segelboot über den Atlantik mitgenommen. Als Jugendlicher wurde er zuerst französischer Meister in der Anfängerjolle Optimist, später in der Motte-Klasse. Mit Anfang 20 wendet er sich dem Spielplatz späterer Solo-Asse zu, der Figaro-Klasse. Sie ist mit ihren jährlichen Langstreckenregatten das wichtigste Ausbildungsvehikel der französischen Hochseeszene. Beinahe jeder spätere Open-60-Skipper hat sich auf den kleineren baugleichen Figaro-Booten die Fähigkeiten erworben, alles selbst an Bord zu bewerkstelligen und niemals zu rasten. Dazwischen beendete er irgendwie noch ein Ingenieurstudium.

Dass auch Gabart zeitweilig technische Probleme hatte, enthüllte er der Welt erst nach seiner Ankunft. Und der Mangel an Erfahrung, er schlägt bei diesem Langstreckenstresstest ohnehin nicht so stark zu Buche wie die schnellere Regenerationsfähigkeit eines 29-Jährigen, für den die Statistik bei diesem Leistungsexperiment in jeder Hinsicht sprach.

Jean Le Cam sagt es frei heraus, als er per Videobotschaft dem Sieger gratuliert: „Ich verneige mein Haupt vor deiner Leistung, aber gratulieren kann ich dir nicht. Du lässt uns anderen wie Schwachköpfe aussehen."

Mindestens zehn Tage wird Le Cam noch brauchen, um ebenfalls in Les Sables d'Olonne einzutreffen. Mit 53 Jahren zählt er zu den Älteren im Feld, vor acht Jahren wurde er schon einmal zweiter. Für ihn ist diese Reise nur ein Akt der Selbstüberwindung. Er und sein ärgster Verfolger Mike Golding, 52, die hinter der Spitzengruppe darum bemüht waren, den Kontakt nicht abreißen zu lassen, konnten ihre Erfahrung erst im Südozean ausspielen. Da hatten die Herren sich an den Rhythmus der See gewöhnt, an den Schlafmangel, die Trockennahrung und auch an den Gedanken, dass es viele nasskalte Wochen dauern würde, bevor sie wieder bei ihren Familien sein würden.

Frutti di Mare. Jörg Riechers an Bord seiner Open-40-Jacht
Frutti di Mare. Jörg Riechers an Bord seiner Open-40-Jacht

© Breschi

Solche Sorgen hatte Gabart nicht. Das Gesetz des Vendée Globe hat sich abermals bestätigt: Man gewinnt dieses Rennen nur beim ersten Mal, wenn man nicht genau weiß, was auf einen zukommt. Wer von den 82 Soloseglern, die seit 1989 an der Weltumkreisung teilgenommen haben, es öfter versuchte, schnitt meist schlechter ab als zuvor. Zwei Ausnahmen gibt es allerdings: Alain Gaultier gewann die zweite Ausgabe 1994, nachdem er bei der Premiere sechster geworden war. Und Michel Desjoyeaux gewann das Rennen gleich zweimal – 2001 und 2009.

Seit über zehn Jahren beherrscht Desjoyeaux, den sie wegen seines umfassenden Wissens, seiner Akribie und Ausdauer "le Professeur" nennen, die Elite der Solosegler. Selbst wenn er wie jetzt nicht persönlich an einem Rennen teilnimmt, zehren die Besten von seinen Ideen. So benutzte Vincent Riou, der Sieger von 2004/2005, dasselbe Boot (PRB), mit dem Desjoyaux vier Jahre zuvor gewonnen hatte. So innovativ war sein Design, dass einige Modifikationen Rious ausreichten, es abermals zum schnellsten Gefährt der Flotte zu machen. Seither hat Desjoyeaux zwei weitere Leichtbauwunder für seinen Sponsor Foncia entwickelt, beide nahmen an diesem siebten Vendée Globe teil – unter den Namen Maitre CoQ und Banque Populaire.

Das erste fiel früh mit einem Kielschaden aus, aber Banque Populaire erwies sich gesteuert von Armel Le Cleac’h als enorm zuverlässig und schnell. Nicht nur hinterließ Desjoyeaux also dem Zweitplazierten ein noch immer überragendes Boot, mit Gabart bildete er den einzigen Skipper aus, der es auf einem baugleichen Schwesterschiff schlagen konnte. Einen Einblick in seine Lehrmethode gibt vielleicht, was der Mann aus Concarneau in der Bretagne vor zwei Jahren über seinen Co-Skipper sagte: "Ich möchte, dass Francois seine Ansichten und seinen Willen stärkt, Ja-Sager sind nicht gut."

Desjoyeaux hat angekündigt, vielleicht 2016 erneut an der mythischen Erdumkreisung wieder persönlich teilnehmen zu wollen. Dann wäre er 51 Jahre alt. Aber vielleicht muss er es tun. Nachdem sein Sponsor Foncia sich aus dem Segelsport zurückziehen will, steht der Mann, der eine Ära des Segelsports prägt, ohne Geldgeber da und nur die Aussicht, dass er sich nochmals auf den weiten Weg machen würde, könnte auch einen der potenten französischen Konzerne zu einem Engagement animieren.

Bei diesem achten Vendée Globe könnte endlich auch erstmals ein Deutscher an den Start gehen. Jörn Riechers hat die besten Aussichten, das zu schaffen. Der 43-Jährige sammelt schon seit etlichen Jahren und unterstützt vom "Mare"-Magazin als Solosegler Erfahrung. Er spricht auch mittlerweile passabel Französisch, was unerlässlich ist, um sich mit den Technikern und Spezialisten vorort auszutauschen. Nun hat er sich ein Boot gekauft. Es ist die ehemalige Foncia/Maitre CoQ, mit der Desjoyeaux 2009 im Vendée Globe triumphierte. Damit will Riechers 2014 am Barcelona World Race teilnehmen, um sich an den Südozean und die Strapaze einer Nonstop-Tour um die Welt zu gewöhnen. Das Rennen 2016 dürfte er schließlich mit einem Neubau bestreiten wollen. Schaden kann es nicht, seinen Erfolg auf das Wissen des Professors zu gründen.

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