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Andreas Neuendorf im Interview: Sind Sie immer lustig, Herr Neuendorf?

Der Publikumsliebling von Hertha BSC über Pinguine, Rapper, Obdachlose – und seine Wechselabsichten nach Mainz

Herr Neuendorf, wie geht’s Bärchen?

Bärchen?

Ihrem Patentier im Zoo: dem Seebären.

Ach so, dem geht’s gut, der freut sich ja über das kühle Wetter. Paul …

… Ihr fünfjähriger Sohn …

… fand Bärchen irre schön. Wir hatten die Auswahl: Einem fehlte ein Auge, der zweite war dünn, der dritte sehr dick. Bärchen sah aus wie eine Robbe, konnte schwimmen, rutschen, machte lustige Geräusche, und er war noch zwei Köppe größer als Paul.

Warum wurden Sie Pate im Zoo?

Anfangs wollte ich wie jedes Jahr spenden, 1000 Euro, nicht die Welt für ein großes Tier. Dann hieß es: Werden Sie Pate. Eine mexikanische Springmaus hätten wir für 20 Euro bekommen, also wurde es ein großer Seebär. Jetzt ist die Patenschaft ausgelaufen, wir suchen ein neues Tier.

Haben Sie eins gefunden?

Paul findet Pinguine toll. Aber für das Geld habe ich ja bald eine ganze Pinguin-Familie am Hals.

Sie sind in einer Großfamilie in Steglitz aufgewachsen, Sie hatten viele Haustiere, …

… Hund, Katze, Hamster, Vogel, Laubfrosch, sogar eine Maus!

Haben Sie daher früher gelernt, Verantwortung zu übernehmen?

Du bekommst als Kind zumindest einen sozialen Tick mit, wenn du dich jeden Tag um andere kümmerst, nicht nur um Tiere. Meine Oma hat zehn Kinder, und von denen hat jeder drei Kinder – mindestens! Sie können sich vorstellen, was bei uns früher los war im Familienurlaub. Highlife!

Erzählen Sie.

Wir sind immer mit einer Familien-Auto- kolonne an die Ostsee gefahren. Ich war erst zehn Jahre alt, aber meine Eltern haben mir damals schon klargemacht: Andi, du passt jetzt auf die ganz Kleinen auf.

Andi?

Zecke sagt doch keiner in der Familie.

Wir wollen kurz auf Ihre Karriere zurückschauen: Sie haben mit Michael Ballack in der U21-Nationalmannschaft gespielt, mit Leverkusen und Hertha in der Champions League, Sie sind Publikumsliebling. Im Sommer läuft Ihr Vertrag aus.

Zwei Jahre will ich noch spielen.

Auch in Berlin?

Der Verein will mit mir im März reden. Aber ich bin nicht abhängig von Hertha.

Am Samstag spielt Hertha gegen Mainz. Mit denen haben Sie im Winter verhandelt.

Ich habe wochenlang gehört, dass ich mir einen Verein suchen kann. Niemand hat das in all dieser Zeit dementiert von Hertha, also habe ich gesucht. Ich finde das nicht sehr verwerflich.

Reicht es denn noch für die Bundesliga?

Ja. Ich bin 32, und ich war mal der Depp, mal der Held, ich weiß, was Abstiegskampf ist und was schöner Fußball. Ich weiß, wie man unerfahrene Spieler führt und wann man auf den Tisch haut. Und ich fühle mich derzeit sehr gut.

Herthas Vereinsführung war sauer, als die Gespräche mit dem Mainzer Trainer Jürgen Klopp in dessen Haus publik wurden.

Also, erstens kenne ich den Jürgen schon länger, er ist ein ziemlich lustiger Typ.

Und zweitens?

Zweitens hat mich Herthas Reaktion ein bisschen überrascht. Ich mag Hertha sehr, das weiß jeder. Nur früher hatte ich das Gefühl, der beste 12. Mann zu sein.

Das haben Sie nicht mehr?

Nein. Das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, fehlt mir derzeit in Berlin.

Sie könnten es sich bequem machen.

Ich will kein Standby-Profi sein, der den Kader auffüllt, einen Einjahresvertrag bekommt und alle zwei Wochen mal drei Minuten spielen darf.

Was erwarten Sie?

Wenn Hertha nicht mit mir plant, finde ich das sehr schade, ich werde unserer Vereinsführung deshalb aber kein Bein abhacken. Wer mich kennt, weiß, dass ich mit Ehrlichkeit keine Probleme habe. Ich will aber nicht ewig warten.

Sie könnten bei Hertha eine Arbeitsstelle nach Ihrer Karriere bekommen.

Das würde mir aber derzeit keinen Spaß machen. Vielleicht sehe ich das in drei Jahren anders – aber ich will kein Fanbetreuer sein oder Jugendtrainer.

Haben Sie das Geschäft satt?

Nein, aber ich habe 15 Jahre ein Leben auf Repeat geführt. 15 Jahre Fußball, die immergleichen Mechanismen. Ich glaube, es ist Zeit, über den Tellerrand zu gucken.

Was würde Sie reizen?

Die Arbeit mit Geistig-Behinderten finde ich toll. Wir haben neulich bei Hertha mit einigen Fußball gespielt. Sie haben gelacht, hatten irre Spaß, sie waren happy. Ich dachte: Wow, schön, und wie einfach.

Sie wollten mal mit Kindern arbeiten.

Kinder, Jugendliche, gern. Ein Freund von mir arbeitet in Düsseldorf mit Jugendlichen. Outback heißt das Projekt. Allerdings muss das zu mir passen, ich will mich ja nicht anbiedern: He, Kids, bitte hört auf, die Wände zu beschmieren – hier habt Ihr einen Fußball, macht auch Spaß. Da sagen die: Hat der einen an der Waffel?

Sie gelten als derjenige, der sich um die Jungen bei Hertha kümmert.

Ich sage nicht, ob sie einen Döner essen dürfen, wir Älteren achten auf Verhalten, ob sie arrogant wirken oder so. Das macht Dick van Burik auch, der ist korrekt und ehrlich. Mir hat so einer früher in Leverkusen gefehlt, der mal gesagt hätte: Zecke, entspann’ dich.

Sie waren ein Heißsporn.

Nett formuliert. Ich hatte einen Riesenkrach mit Trainer Christoph Daum und nicht nur mit dem. Ich habe es selten böse gemeint, aber mich oft im Ton vergriffen: Leckt’ mich am Arsch, ihr alten Säcke. Ich habe Christoph nie mehr gesehen, ich würde ihm heute die Hand reichen.

Welche Eigenschaften wollen Sie jungen Spielern heute mitgeben?

Also, ich bin nicht der Papa bei Hertha, aber auch nicht mehr immer nur der lustige Spaßvogel. Ich bin Vorbild. Leidenschaft ist für mich wichtig und die Eigenschaft, zuhören zu können und sich nicht zu wichtig zu nehmen.

Sie spielen sogar im Musikvideo von Bushido mit. Das hören die Jungs, oder?

Ich höre das genauso wie die Platten von Peter Maffay oder Fanta 4. Manche Reime sind mir allerdings zu krass, das spiele ich nicht im Wohnzimmer. Ich kenne einige Leute aus dem Video, alte Freunde, keine Jungs von Traurigkeit, aber auf die war immer Verlass. Wenn einer 20 Mark hatte, dann hat er für die anderen drei Kumpels einen Döner mitgebracht. So haben wir Teilen gelernt. Gib ab, wenn du kannst. Hilf dem, der weniger hat. Das haben meine Eltern immer gesagt.

Sie engagieren sich in Kampagnen gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen Kinderverwahrlosung, auch für Obdachlose …

Ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte, zwei Jahre ist die her. Da habe ich im Winter einen Mann nur unter Zeitungspapier schlafen sehen, der tat mir unfassbar leid. Ich bin morgens in einen Campingladen, habe einen Schlafsack gekauft und ihm den vorbeigebracht…

… Sie hätten doch auch Frank Zander …

… helfen können? Ja,ich finde dessen Initiative beachtenswert, weil er Eigeninitiative zeigt. Davor habe ich höchsten Respekt. Er sammelt für Obdachlose und spendiert warmes Essen. Ich wollte als Promi-Kellner aushelfen, aber da waren so viele Kameras, das war unangenehm. Ich hätte mich nur bequem ins Boot gesetzt, oder? Ich will keine Publicity, wenn ich Geld gebe. Genauso wenig stelle ich mich in den Zoo und sage: Ich, der Pate, sorge dafür, dass Bärchen fünf Kilo Matjes kriegt! Ich spende lieber still.

Das Gespräch führte André Görke.

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