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Der Winter ihres Missvergnügens. Trainer Markus Babbel (links) und Manager Michael Preetz versuchen sich in Herthas Schaffenskrise beizustehen.

© Ottmar Winter

Angriffskrise: Hertha fehlt die Leichtigkeit

Hertha BSC rutscht aus den Aufstiegsrängen, weil im Angriff der Durchschlag fehlt. Vielen Spielern ist die Gier zum Erfolg abhanden gekommen, findet der unglückliche Trainer Markus Babbel.

Berlin - Sagen Sie mal, Herr Babbel, wissen Sie eigentlich, wer das letzte Tor für Ihre Mannschaft geschossen hat?

Das ist eine Frage, die boshafter klingt, als sie gemeint ist, denn das letzte Tor von Hertha BSC liegt schon ein Weilchen zurück, am Montag waren es genau drei Wochen oder 291 Spielminuten. Das ist schon mehr als eine halbe Ewigkeit für eine Fußballmannschaft, die es gemäß Selbsteinschätzung eher zufällig und auch nur vorübergehend in die Zweite Liga verschlagen hat. Es ist in den vergangenen Wochen einiges auf Hertha eingeprasselt, Krise und Verlust der Tabellenführung und so, da können die Erinnerungen an längst vergangene Erfolgserlebnisse schon mal verschütt gehen. Weiß Herthas Trainer wirklich noch, wer dieses vorerst letzte Tor geschossen hat? Na klar, sagt Markus Babbel, „Lasogga!“

Es war der 15. November, als Pierre- Michel Lasogga zum 2:0 gegen den VfL Bochum traf. Weil er zuvor auch das erste Tor erzielt hatte, wurde Lasogga gefeiert als neue Stürmerhoffnung, als 18 Jahre junges Versprechen für die Zukunft. Damals blickte Hertha noch mit komfortablem Abstand von der Tabellenspitze auf die Konkurrenz herab. Am Sonntag, beim 0:1 gegen 1860 München und dem Sturz auf Platz fünf, dem neuen Tiefpunkt in Herthas Aufstiegskampagne, verfolgte er die Bemühungen seiner Kollegen von der Ersatzbank aus. Als Lasogga zum Schluss noch ein bisschen mitstürmen durfte, kam auch nichts Gescheites dabei heraus, aber das lässt sich einem Teenager schwerlich anlasten. Eher schon den arrivierten Kräften, zum Beispiel dem Kanadier Rob Friend, den Hertha im Sommer für zwei Millionen Euro aus Mönchengladbach geholt hat.

Rob Friend hat in dieser Saison schon vier Tore erzielt, zwei mit rechts, eins mit links und eins mit der Schulter. Das letzte Tor aber liegt schon so lange zurück, dass es wahrscheinlich nicht mal mehr Markus Babbel weiß, nämlich zehneinhalb Wochen. Friend läuft viel und gestikuliert eifrig, aber der Ertrag aller Bemühungen ist dürftig, im Spiel wie im Training, wo er am Montag einmal den Ball aus drei Metern weit über die Latte gejagt und ein anderes Mal das kleine Übungstor mit der ihm eigenen Wucht über den Rasen hinaus geschossen hat. Dazu und zur anhaltenden Angriffskrise könnte der Angreifer Rob Friend jetzt ein paar erläuternde Sätze sagen. Aber der Angreifer Rob Friend sagt nur, dass er nichts zu sagen hat, „ist nicht erlaubt“. Von wem? „Weiß ich nicht.“ Am Ende dieses Dialogs steht die Erkenntnis, dass die Spieler untereinander offenbar übereingekommen sind, ihre rhetorischen Beiträge auf die Zahl ihrer zuletzt erzielten Tore zu reduzieren.

Markus Babbel ist diese Zurückhaltung fremd. Wer bei FC Bayern groß geworden ist, der kann mit Druck umgehen, auch in Zeiten der Krise. Sportliche Dellen haben sie in München immer aus der Mannschaft heraus bekämpft. Bei Hertha versammeln sich die für das Binnenklima zuständigen Wortführer ausschließlich in der Defensive, und die beiden wichtigsten sind derzeit verletzt. Torhüter Maikel Aerts wird in diesem Jahr nicht mehr spielen, beim Innenverteidiger Andre Mijatovic besteht Hoffnung darauf, dass er nach siebenwöchiger Pause am Sonntag gegen Spitzenreiter Aue sein Comeback gibt. Am Mittwoch steigt er ins Training ein, was nicht nur deswegen wichtig ist, weil sein Vertreter Sebastian Neumann wegen einer Fußprellung längerfristig ausfällt.

Mijatovic wirkt auf dem Platz oft ein wenig ungelenk, aber wie wichtig er für die Mannschaft ist, lässt sich statistisch herleiten. Unter seiner Führung holte Hertha in neun Spielen 23 Punkte. In den sechs Spielen ohne ihn kam Hertha auf gerade sechs Punkte. „Ich habe ihn ja nicht zufällig zum Kapitän gemacht", sagt Markus Babbel. „Er ist einer, der mit seiner Art seine Mitspieler anstecken kann.“

Einen Spieler mit dieser Qualität hat Hertha in der Offensive nicht. Auch Babbel war früher ein erfolgreicher Verteidiger, und zu seinen erfolglosen Stürmern sagt er, „dass wir ja schon alles versuchen“, aber im Training sei es nun mal schwierig, entsprechende Spielsituationen nachzustellen. Babbel sagt, es fehle im Moment die Leichtigkeit, „wenn du die hast, fällt dir schon mal der Ball auf den Kopf und von dort ins Tor“. Er spricht viel von Leidenschaft und Willen und Gier, „die Chancen sind ja da, in München waren es drei Riesen“, aber man müsse sie auch verwerten wollen.

Das darf durchaus als Kritik verstanden werden. An Rob Friend, aber auch an Adrian Ramos. Der Kolumbianer hätte Berlin im Sommer gern verlassen, um in der Bundesliga zu bleiben. Als im Spätsommer die Sonne schien und die Siege leicht fielen, da war Ramos einer von denen, die den Unterschied machten zur Konkurrenz. Seitdem aber die Temperaturen fallen, ist der staksige Stürmer auf dem besten Wege, ein durchschnittlicher Zweitligaspieler zu werden – wie übrigens auch der Brasilianer Raffael, der sich gerade mit einer Wadenverletzung plagt und von dem der Trainer sagt: „Es wäre schön, wenn er mal wieder hier wäre.“ Und zwar in Sommerform.

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