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Da geht’s nach München. Bastian Schweinsteiger könnte mit dem FC Bayern zum zweiten Mal in drei Jahren ins Endspiel der Champions League einziehen. Das Finale findet am 19. Mai in der bayrischen Landeshauptstadt statt.

© dpa

Sport: Angst? Höchstens Respekt

Der FC Bayern geht selbstbewusst in das heutige Champions-League-Rückspiel bei Real Madrid.

Schräg gegenüber vom Mannschaftshotel des FC Bayern München in Madrid residiert das Spanische Parlament. Der Congreso de los Diputados wird belagert von reichlich Kamerateams und bewacht von zwei bronzenen Löwen, deren Pranken auf riesigen Kugeln ruhen. Das ist ein schöner Bezug zum Fußball, und Uli Hoeneß würde bestimmt noch ein zweiter einfallen vor dem Rückspiel im Halbfinale der Champions League heute Abend im Estadio Santiago Bernabeu (20.45 Uhr, live auf Sat 1).

Der Congreso debattiert gerade den Haushalt für das laufende Jahr, und in Spanien sieht es ähnlich bescheiden aus wie in Portugal oder Griechenland. Da könnte der Bayern-Präsident Hoeneß eigentlich mal rüber gehen auf die andere Seite der Carrera de San Jeronimo und fragen, warum der Staat kein Geld hat für Schulen, Rentner oder Krankenhäuser, aber den spanischen Profiklubs gern Steuerschulden in schwindelerregender Höhe erlässt. Oder einfach nur wiederholen, was er vor ein paar Tagen in München gesagt hat: „Da zahlen wir denen Hunderte von Millionen, damit sie aus der Scheiße kommen, und dann sollen die Vereine die Schulden erlassen kriegen?“

Nur damit Real Madrid heute millionenschwere Stars wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema oder Mesut Özil aufbieten kann? Das gäbe bestimmt einen hübschen Eklat im Parlament und in der Öffentlichkeit. Aber Uli Hoeneß ist müde, der Mannschaftsbus hat im Stau gesteckt und viel wärmer als in Deutschland ist es auch noch. Also stapft er die Treppe hinauf zu seinem Zimmer und schweigt, auch zu der Überraschung, die „Marca“, das Hausblatt von Real Madrid, dem Lieblingsfeind aus Deutschland gewidmet hat. Es ist eine Schlagzeile auf Deutsch, und sie lautet: „90 Minuten im Bernabeu sind sehr lang.“

Jupp Heynckes findet das durchaus lustig. „Ich kenne ja die spanischen Medien, die lassen sich öfter mal was einfallen“, sagt der Trainer des FC Bayern mit der viel zitierten Vergangenheit bei Real Madrid. „Aber glauben Sie mir: Diese 90 Minuten können auch für Real sehr lang werden!“ Heynckes hat Real 1998 als Trainer zum Champions-League-Sieg geführt, er hat immer noch Freunde in Madrid und spricht Spanisch so gut, dass ihm niemand die Fragen der Madrider Reporter übersetzen muss. Mit der Vokabel „miedo“ aber kann er nichts anfangen. „Miedo“ heißt Angst, „aber die haben wir nicht. Höchstens Respekt. Wir kommen hier her, um ins Endspiel einzuziehen, und ich bin mir sehr sicher, dass wir das schaffen.“ Schließlich hat der FC Bayern das Hinspiel vor einer Woche in München 2:1 gewonnen und geht so mit einem leichten Vorteil ins Spiel.

90 Minuten sind 90 Minuten sind 90 Minuten, überall auf der Welt und doch nie gleich lang. Diese Erkenntnis geht zurück auf Albert Einstein, der mit Fußball nicht all zu viel am Hut hatte, aber wie Uli Hoeneß in Ulm geboren ist. Und was die eineinhalb Stunden heute im Estadio Santiago Bernabeu betrifft: „Viel wichtiger sind eigentlich die ersten zwanzig Minuten“, sagt Bastian Schweinsteiger, denn das Stadion habe schon eine sehr eigene Atmosphäre, „die Zuschauer gehen am Anfang sehr emotional mit, die nehmen schon Einfluss, da geht es richtig zur Sache. Aber wenn die sehen, dass wir dagegen halten, werden sie schon ein wenig ruhiger“.

Der Mittelfeldspieler Schweinsteiger hat schon ein paar Mal in Madrid gespielt. Zuletzt vor fast genau zwei Jahren, aber da ging es nicht gegen Real, sondern gegen Inter Mailand im Finale der Champions League. Mit dem bekannten Ende, es war kein gutes für die Bayern, aber allemal Ansporn, es dieses Mal besser zu machen, wenn das Endspiel daheim in der Münchner Arena steigt. „Natürlich haben wir das immer im Kopf“, sagt Bastian Schweinsteiger, „aber erst einmal gehe es jetzt gegen Real, das sei eines dieser Spieler, für die man lebe als Fußballspieler: „Darauf arbeitest du das ganze Jahr hin. Ich war ja eine Weile verletzt. Aber ich wusste, dass noch große Spiele kommen, ganz besondere Spiele. Natürlich motiviert dich so etwas.“

Die Kollegen Arjen Robben und Franck Ribéry hat es sogar so stark motiviert, dass sie nicht wussten wohin mit ihrem Adrenalin, worauf es in der Halbzeitpause des Hinspiels vor einer Woche zu einem handfesten Rencontre zwischen ihnen kam. Mit Konsequenzen für Robben, die auch bestens geschulte Visagisten nicht zu kaschieren vermochten. Als der niederländische Stürmer am Dienstag das Flugzeug Richtung Madrid bestieg, schimmerte es unter seinem Auge auffällig gelb. So etwas kommt auch im körperbetonten Fußball nicht so häufig vor, und Bastian Schweinsteiger muss sich schon ein wenig verbiegen, um daraus motivationsstiftende Wirkung abzuleiten. Das geht dann so: „Wenn wir als Einheit auftreten, gehört es auch dazu, dass man einem Mitspieler gegenüber klar und ehrlich auftritt.“

Und die Wahrheit kann halt manchmal wehtun.

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