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Sport: Angst vor dem Aus

Roger Federer müht sich ins Achtelfinale der Australian Open und wirkt plötzlich besiegbar

Der Aufruf „Time“ war bereits erfolgt. Roger Federer erhob sich und schritt für sein nächstes Aufschlagspiel in Richtung Grundlinie. Doch auf halbem Wege wurde er von der Schiedsrichterin vehement zurückgerufen. Er war zu Beginn des vierten Satzes auf die falsche Feldseite gelaufen. Kopfschüttelnd kehrte er um. Keine Frage, an diesem Abend wollte in der Rod Laver Arena nur wenig im Sinne des Weltranglistenersten gelingen. Der Serbe Janko Tipsarevic, 48 Plätze hinter ihm im Ranking geführt, hatte Federer in der dritten Runde der Australian Open am Rande der Niederlage. Dennoch unterlag er Federer nach viereinhalb Stunden mit 7:6, 6:7, 7:5, 1:6 und 8:10.

Mutig und aggressiv ging Tipsarevic von der Grundlinie zu Werke, düpierte Federer immer wieder mit perfekten Passierbällen und nervte ihn mit dem ständigen Bemühen des Videobeweises. Federer hingegen leistete sich 64 leichte Fehler. Die Dominanz, die der Schweizer besonders in den wichtigen Momenten üblicherweise demonstriert, war leichter Verunsicherung gewichen. Er befürchtete, wie er später gestand, dass er verlieren würde. Die Furcht war berechtigt, denn selbst im entscheidenden Durchgang steckte Tipsarevic nicht auf. Doch Federer, der im Verlauf des Matches unzählige Chancen ungenutzt gelassen hatte, konnte sich beim Stand von 8:8 wieder auf seine Stärken besinnen und das vorentscheidende Break sichern. Lauthals schrie Federer seine Freude heraus, als er den zweiten Matchball endlich verwandelt hatte.

„Das war ganz ungewöhnlich für mich. Ich habe schon ewig nicht mehr in der dritten Runde eines Grand Slams fünf Sätze gespielt“, sagte Federer. „Es hat mich beeindruckt, wie hart er gekämpft hat. Ich habe nicht so schlecht gespielt, aber die jungen Spieler sind gefährlich. Die glauben alle daran, dass sie mich schlagen können“, fügte der Schweizer hinzu, der bei den French Open vor vier Jahren zuletzt bei einem Grand-Slam-Turnier in der dritten Runde ausgeschieden war. Zuletzt stand er zehnmal in Folge bei diesen vier wichtigsten Turnieren der Saison im Finale und seit Februar 2004 unangefochten an der Spitze der Weltrangliste. Seine Dominanz scheint nur auf Sand noch angreifbar zu sein.

Doch in Melbourne bekommt der Favoritenkreis um Federer deutlich zu spüren, dass die Leistungsdichte im Herrentennis weiter angestiegen ist. Inzwischen sind nicht mehr nur die Top-Ten-Spieler gefährlich, an einem guten Tag kann sie auch die Nummer 70 der Welt bezwingen. Den Nimbus der Unbezwingbarkeit hat auch Federer verloren.

Hungrig, kaltschnäuzig und mit dem festen Glauben an die Siegchance, so klingt das Erfolgsrezept der jungen Spieler: „Ich ging auf den Court und sagte mir, dass ich gewinnen kann. Man bekommt auch gegen Federer Chancen, und wenn man sie nutzen will, darf man keine Angst haben. Ich hatte keine“, bekräftigte Tipsarevic. Die jungen Spieler haben es aus seiner Sicht einfacher: „Wir haben ja nichts zu verlieren.“

Diese Einstellung zeigt auch Philipp Kohlschreiber, der erklärt, er sei der „neue Typ von der Tour, der in die Top Ten möchte“. Von denen gibt es einige und sie werden von den besten Spielern mehr und mehr gefürchtet. „Es gibt für mich Tage, da reicht das Talent nicht aus. Da muss man kämpfen. Aber das ist ja das Spannende, was Tennis ausmacht. Alles ist möglich“, sagte Federer.

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