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Sport: Angst vorm eigenen Blut

Langläufer mit hohen Hämoglobinwerten fürchten eine Sperre bei Olympia

Evi Sachenbacher weiß, dass sie gefährdet ist. „Das beunruhigt einen“, sagt die deutsche Langläuferin, „dabei mache ich nichts Verbotenes.“ Die 25-Jährige aus Reit im Winkl besitzt ein sonniges Gemüt, sogar bei diesem unangenehmen Thema strahlte sie in Oberstdorf über beide Wangen. Dabei könnte es sie um den Start bei den Olympischen Spielen bringen.

Evi Sachenbacher hat Schwierigkeiten, den im Langlaufen zulässigen Hämoglobinwert einzuhalten. Dieser Wert beschreibt die Zahl der roten Blutkörperchen in ihrem Blut. „Ich weiß, dass ich grenzwertig bin“, sagt sie, „im Sommer war ich beim Höhentraining schon öfter drüber.“ 16,0 ist der Grenzwert bei den Frauen, 17,0 bei den Männern. Sollte Sachenbacher diesen Wert vor oder nach einem Wettkampf erreichen, erhält sie aus medizinischen Gründen eine fünftägige Schutzsperre des Internationalen Skiverbandes (Fis). Bei den Olympischen Spielen wäre dies das Ende ihrer Medaillenträume. Ihr bleibt die Hoffnung, dass bei Olympia alles so wie immer sein wird. „Ich war im Winter noch nie drüber“, sagt Sachenbacher, „warum soll ich ausgerechnet in Turin drüber sein?“

Für Bundestrainer Jochen Behle ist der Hämoglobinwert das unerfreulichste Thema dieses Winters. Evi Sachenbacher ist bereits die zweite Athletin des Deutschen Skiverbandes, die Schwierigkeiten hat, den zulässigen Grenzwert einzuhalten. Jens Filbrich erhielt im November in Lahti eine Schutzsperre, weil er den bei den Männern maßgeblichen Wert von 17,0 exakt erreicht hatte. Inzwischen darf er wie gestern in Oberstdorf mit einer Ausnahmegenehmigung laufen.

„Es muss sich etwas ändern“, sagt der deutsche Bundestrainer, „man sollte die Schutzsperre abschaffen.“ Darin seien sich inzwischen auch die Trainer der anderen Nationen einig. Gegenwärtig ist der Schweizer Langläufer Reto Burgermeister mit einer Schutzsperre belegt. Auf Initiative des Deutschen Skiverbandes haben sich vor kurzem die Mannschaftsärzte zusammengesetzt, demnächst soll ein Brief zu diesem Thema an die Fis aufgesetzt werden.

Ein hoher Hämoglobinwert kann auf die Einnahme des Blutdopingmittels Erythropoetin (Epo) hinweisen. Er muss es aber nicht. Er kann auch – wie bei Filbrich – genetisch bedingt sein. Dies ist bei drei Prozent der Gesamtbevölkerung der Fall. „Im Langlaufen sind es bald 20 bis 30 Prozent der Athleten, die Schwierigkeiten mit den Grenzwerten haben“, sagt Jochen Behle. Es liege in der Natur einer Ausdauersportart, dass darin vermehrt Athleten starten, die genetisch bessere Voraussetzungen dafür haben.

Der deutsche Bundestrainer kritisiert die Praxis der Ausnahmegenehmigungen. „Da darf einer laufen, der einen Wert von 18,5 hat, und ein anderer darf aus gesundheitlichen Gründen mit 17,2 nicht laufen – das versteht doch keiner.“ Die Schutzsperre empfindet Behle als ein Relikt aus Zeiten, als man Epo-Doping noch nicht nachweisen konnte.

„Es ist ein schwieriges Thema“, gibt Roland Augustin zu. Der Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) hält im Gegensatz zu Behle die Schutzsperren für sinnvoll. Sie seien zwar kein Nachweis für Doping und würden nur aus medizinischen Gründen verhängt, etwa, damit die Läufer nicht auf der Strecke kollabieren. „Aber seit die Sperren in den neunziger Jahren eingeführt wurden, sind die mittleren Blutwerte runtergegangen“, sagt Augustin. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“ Er deutet an, dass es für Olympia Sonderregelungen geben könnte, da die Langläufer in Pragelato in 1500 Metern Höhe laufen werden. Dort steigen normalerweise die Hämoglobinwerte an.

Das Thema Doping war in den vergangenen Jahren ein ständiger Begleiter des Langlaufens. Tiefpunkte waren die Weltmeisterschaft in Lahti 2001 und die Olympischen Spiele in Salt Lake City, wo der für Spanien startende Doppelolympiasieger Johann Mühlegg sowie die Russinnen Larissa Lasutina und Olga Danilowa des Dopings überführt wurden. In der vergangenen Saison lieferte der Franzose Vincent Vittoz Schlagzeilen; er hatte eine positive A-Probe und eine negative B-Probe abgegeben.

„So unerfreulich diese Fälle sind, sie haben auch etwas Gutes: Sie schrecken ab“, sagt Jochen Behle, „jetzt muss auch der Dümmste kapiert haben, dass er damit nicht durchkommt.“ Er geht davon aus, dass es in Pragelato keinen Dopingfall geben wird. Und falls doch? „Dann ist das der Dümmste.“ So kommt es, dass bei den Winterspielen auch ein Nachweis über die Intelligenz von Langläufern geführt werden könnte.

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