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Sport: Ankern und siegen

ABN Amro One dominiert weiter das Ocean Race

Berlin - Sie konnten die Ziellinie vor der amerikanischen Ostküstenstadt Baltimore bereits sehen, da gab Skipper Mike Sanderson an Bord der ABN Amro One einen ungewöhnlichen Befehl. Seine Jungs wuchteten plötzlich den schweren Eisenanker an Deck und warfen ihn ins Wasser. Nicht gerade die überzeugendste Art, ein Rennen wie das Volvo Ocean Race zu gewinnen. Doch die Crew des niederländischen Bootes hatte bei einschlafenden Winden keine andere Wahl. Der Gezeitenstrom drohte das leichtgewichtige Gefährt wieder aus der Chesapeake Bay hinauszudrücken. Wie ein Bergsteiger, der auf einem Hang nach Halt sucht und seinen Pickel ins Eis treibt, verkeilten sich Sanderson & Co an sicherem Grund, die Konkurrenz im Nacken. Nur 16,5 Meilen lag die Movistar zurück. Und die Leichtwindspezialisten an Bord der spanischen Yacht kamen zügig näher. Am Ende aber triumphierte ABN Amro One auch auf der fünften Etappe des Volvo Ocean Race. „Wir benötigten fünf Stunden für die letzten vier Meilen“, sagte Sanderson über den Flautenkrimi vor Baltimore, „was ziemlich peinlich ist für das schnellste Einrumpfboot der Welt“.

Vier Mal hat die „Black Betty“ nun schon ihre fünf verbliebenen Mitstreiter deklassiert und sich den Ruf erworben, praktisch unbesiegbar zu sein. Von den 69 bisher zu ersegelnden Punkten heimsten die Niederländer 62,5 ein. Obwohl sie rein rechnerisch den Gesamtsieg in Göteborg nicht in der Tasche haben (42 Punkte sind noch zu vergeben), hat ABN Amro One die Konkurrenz auf der 5000-Meilen-Strecke von Brasilien in die USA auch unter Konditionen geschlagen, die eigentlich gegen sie sprachen. Denn der von Juan Kouyoumdijan konzipierte 21-Meter-Renner ist für die stürmischen südlichen Breiten erdacht. Nicht aber für die schwülen, wechselhaften Leichtwindzonen, die der Übertritt in die nördliche Hemisphäre mit sich bringt.

Schon beim Start in Rio de Janeiro hatte die ABN Amro One bei lauem Lüftchen mit den Tücken der Technik zu kämpfen. Ein Kopfbeschlag am Vorsegel brach und das Tuch fiel herunter. Obwohl der Schaden nach 15 Minuten behoben war, segelte der Favorit dem Feld nun erstmals hinterher. Bei Anbruch des ersten Tages aber war die alte Rangfolge wiederhergestellt. Sanderson hatte die nordwärts dümpelnde Flotte in einem günstigen Windbogen geschickt umsegelt. Von da an lieferte er sich ein spannendes Duell mit Bouve Bekkings Movistar, die zeitweilig in Führung ging und auch die Wertungspunkte an der Insel Fernando de Noronha ergatterte. Dabei blieb das gesamte Feld stets dicht beieinander. 150 Meilen trennten den ersten vom Schlusslicht ABN Amro Two. Wobei die Aktivitäten an den Nähmaschinen unter Deck ebenso schweißtreibend waren wie darüber. Alle Teilnehmer wurden am Äquator von Gewitterböen gebeutelt, die die Segel zerfetzten. Bei jeder der zahlreichen und unvorhersehbaren Winddrehungen mussten die Crews sämtlichen Ballast im Bootsinneren wie auch an Deck von der einen zur anderen Seite schaffen – eine nervenaufreibende Plackerei.

Während ABN Amro One im letzten Drittel der Ozeanhatz unangefochten dem Ziel zueilte, lieferten sich die amerikanischen Pirates of the Caribbean, die Brasil 1 sowie die schwedische Ericsson ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, das sich in den tückischen Gewässern der Chesapeak Bay noch einmal zuspitzte. Bei extrem leichter Brise konnte Hollywood-Freibeuter Paul Cayard die Brasil 1 im letzten Moment abfangen und gelangte als Dritter ins Ziel. Sein Vorsprung betrug nach 16 Tagen auf See nur vier Meilen. Es folgten die Brasilianer unter Olympia-Legende Torben Grael sowie die erneut glücklose Ericsson mit ihrem neuen Skipper John Kostecki. Der hatte sein Amt erst in Rio angetreten, um der an sich selbst verzweifelnden Mannschaft, in der es zu offenen Auseinandersetzungen gekommen war, neue Zuversicht zu vermitteln. Am schlechten Abschneiden der Schweden konnte er auch nichts ändern.

Auf den anstehenden kürzeren Etappen nach New York (Start: 7. Mai) sowie Portsmouth, Rotterdam und Göteborg dürfte die Dominanz der ABN Amro One ins Wanken geraten. Vor allem, wenn der Wind wegbleibt. „Es würde mich nicht überraschen“, sagt Sanddorns, „bei Flaute als Letzter anzukommen.“

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