zum Hauptinhalt
Wolfsburgs Co-Trainer Andries Jonker verfolgt eine Pressekonferenz des VfL Wolfsburg.

© dapd

Anklage gegen VW: Schmieröl für den Werksklub

Wie viel VW steckt wirklich im VfL Wolfsburg? Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage erhoben: Der Autobauer Volkswagen soll seine Lieferanten zwingen, den Fußballverein zu sponsern.

Die Kreditkarte des Volkswagen-Konzerns glühte wieder. Knapp 20 Millionen Euro hat Trainermanager Felix Magath im Sommer noch einmal auf dem Transfermarkt ausgegeben. Deutlich weniger zwar als vergangene Saison, da waren es rund 50 Millionen Euro – aber die Ansage ist klar: Der verstärkte VfL Wolfsburg will nach Europa. Bislang allerdings kommt der VfL kaum über Wolfsburg hinaus, sportlich hat sich die Mannschaft in eine erste Saisonkrise manövriert; und Magath steht schon jetzt unter Sieges- und Rechtfertigungszwang.

„Schließlich haben wir einen Etat, der uns befähigen müsste, unter die ersten fünf zu kommen“, sagt Wolfgang Hotze, seit April Sprecher der VfL-Geschäftsführung. Der Mann, der den Druck auf Magath erhöht, kam von Volkswagen. Und verkörpert damit die Verquickung von VW und VfL. Dem Konzern gehört die VfL Wolfsburg Fußball GmbH zu hundert Prozent. Francisco Javier Garcia Sanz ist Einkaufs-Vorstand des Volkswagen-Konzerns und auch noch Aufsichtsratschef des VfL. Ungeachtet von fast 40 Spielern unter Vertrag findet er die Behauptung unfair, Magath „würde das Geld von VW rausschmeißen“. Es sind eben noch viele andere beteiligt. Das gilt für viele Geschäfte rund um den VfL – oder sollte man sagen: rund um VW?

Der Name von Sanz taucht schließlich mehrfach in den Akten der Staatsanwaltschaft Stuttgart auf. Die hat Anklage erhoben in einem Fall, der wohl noch in diesem Jahr vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt werden dürfte. Es geht um seltsames Sponsoring in Wolfsburg. Um Gelder, die der ohnehin schon großzügige VW-Konzern dem Bundesligisten unrechtmäßig verschafft haben soll. Um mögliche Korruption – zum Vorteil eines Vereins.

Wenn man der These folgt, dass Geld Tore schießt, drängt sich eine Frage auf: Hat der VfL den Klassenerhalt 2011, aber vor allem die Meisterschaft 2009, auch mit unsauberem Geld errungen? Zur Debatte stehen „Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, in einem besonders schweren Fall“, wie es die Staatsanwältin Claudia Krauth formuliert. Volkswagen soll Lieferanten des Werks gedrängt haben, beim VfL zu werben. Konkret geht es etwa um T-Systems, einer Tochter der Telekom, die die VW-Computersysteme wartet. Als die Firma ankündigte, ihr Sponsoring beim VfL Wolfsburg einstellen zu wollen (auch mangels Attraktivität des Vereins), soll VW gedroht haben, den üppig dotierten Wartungsvertrag nicht zu verlängern. Der Deal, über vier Jahre: 16 Millionen für den VfL von T-Systems, 345 Millionen von Volkswagen für T-Systems.

Die Telekom, die sich heute mit Verweis auf das schwebende Verfahren nicht mehr äußern will, kam die Sache wohl selbst dubios vor. Der Konzern hat Selbstanzeige erstattet und personelle Konsequenzen gezogen. Nun müssen sich wohl alsbald gleich fünf Manager vor Gericht verantworten: Zwei Führungskräfte aus der Abteilung von Sanz, zudem zwei frühere Manager und ein externen Berater von T-Systems. Denn derartige Koppelgeschäfte wären rechtswidrig. So steht es im Strafgesetzbuch, Paragraph 299: Wer für sich oder einen Dritten Vorteile fordert oder verspricht, die mit dem eigenen Geschäft nichts zu tun haben, handelt kriminell. Von möglicher sportlicher Wettbewerbsverzerrung ganz zu schweigen.

Wie eng dürfen Sport und Wirtschaft miteinander verknüpft werden?

Die Anklage dürfte die ganze Business-Branche Bundesliga bewegen: Wie eng dürfen Sport und Wirtschaft miteinander verknüpft werden? „Es geht hier auch um das Ansehen der Bundesliga“, sagt der Sportökonom Markus Kurscheidt von der Universität Bayreuth, der Begriffe wie etwa „Amigo-Seilschaften“ und „Kuppelgeschäfte“ verwendet: „Keiner weiß genau, inwiefern auch andere Vereine so verfahren.“ Dazu passt die Aussage des Anwaltes einer der angeklagten ehemaligen T-Systems-Manager. Sein Mandant habe in gutem Glauben gehandelt, sagt Björn Gercke. „Selbst wenn Volkswagen den Vertrag mit T-Systems auch wegen des Sponsorings des VfL Wolfsburg abgeschlossen hätte, wäre dies nicht zu beanstanden“, meint Gercke. „Es gehört zu den wirtschaftlichen Freiheiten eines Unternehmens, auch aufgrund solcher Motive über Vertragsbeziehungen mit anderen Unternehmen zu entscheiden.“ Der Anwalt hofft, dass zur Entlastung seines Mandanten deutlich wird, was einige Dokumente in den Ermittlungsakten schon erahnen lassen: dass die fraglichen Geschäfte auch in der Vorstandsetage bekannt waren. Er findet: „Natürlich will der Sponsor für seine Aufwendungen auch eine Gegenleistung haben.“ Eine Hand wäscht die andere. Auch im Fußball?

Die enge Bindung zwischen Konzern und Klub macht Wolfsburg zu einem besonderen Verein. Aus internen Unterlagen der Deutschen Fußball-Liga geht hervor, dass VW allein fürs offizielle Hauptsponsoring bereits vor zwei Jahren rund 70 Millionen Euro pro Spielzeit bezahlt hat. Nimmt man einen hohen Dauerkredit des Konzerns (mehr als 30 Millionen) hinzu, der sich in der Bilanz der Fußball-GmbH findet, geht ohne VW beim VfL gar nichts. Muss man nun noch Sponsorengelder dazu zählen, die VW dem VfL beschafft hat? Man könne, hat die Landespolizei Baden-Württemberg laut Ermittlungsakten festgestellt, davon ausgehen, dass so manche Firma „nicht ganz freiwillig“ dem Sponsoring beim VfL eingewilligt habe. Zumal sie damit „keine absehbar größeren Marketingerfolge erzielen konnten“.

In der Volkswagen-Arena wimmelt es an Werbeschriftzügen von VW-Zulieferern

Der ganze Vorgang passe zum „System VW“, sagt die niedersächsische Landtagsabgeordnete Pia-Beate Zimmermann (Die Linke), die lange im Sportausschuss der Stadt Wolfsburg saß: „VW hat die Macht, Dinge durchzusetzen – das gilt sicherlich auch für die Bandenwerbung, wenn die Zulieferindustrie massiv aufgefordert wird, diese beim VfL einzukaufen.“ Das ist augenscheinlich in der Volkswagen-Arena so, wo es an Werbeschriftzügen von VW-Zulieferern nur so wimmelt.

Volkswagen will sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nur in aller Kürze äußern. Es sei so, teilt Konzernsprecher Michael Brendel mit, dass man „selbstverständlich kein Problem damit“ habe, „dass Lieferanten von Volkswagen auch Sponsoringverträge mit dem VfL Wolfsburg abschließen“. Auch manch andere Zulieferer, die in den Akten auftauchen, aber nicht auf der Anklagebank sitzen, sind über Nachfragen nicht erfreut. Europas größter Autobauer soll zum Beispiel auch Dell unter Druck gesetzt haben. Doch der Pressesprecher des Computerherstellers ignoriert jede Nachfrage. Andere bestreiten tapfer, was doch offenkundig erscheint. Die Firma Castrol taucht zwar im Fußballbereich häufiger auf, wirbt aber in der Bundesliga für ihr Motorenöl, als „Top-Partner“ im großen Stil ausschließlich beim VfL. Der Schmierstoff wird über VW-Händler vertrieben und auch bei der Erstbefüllung von Volkswagen verwendet. Laut Akten gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen den Umsätzen von Castrol bei VW und den Sponsorengeldern. Es ging bei den Verhandlungen um angeblich mindestens vier Millionen Euro pro Jahr für den VfL – und über 200 Millionen für BP-Castrol. Doch Pressesprecher Karsten Jaeger sagt: „Das Investment geht an den VfL und steht damit in keinem Zusammenhang zu VW.“

Manche Fragen muss sich der Fan selbst stellen, und selbst beantworten. Welcher Zuschauer kann sich schon einen Industrieroboter der Augsburger Firma Kuka leisten? Doch Unternehmenssprecher Gert Butter betont, dieses Sportsponsoring sei „ein sehr wichtiges Instrument für die Bekanntheit der Marke Kuka“. Kuka-Roboter montieren übrigens Volkswagen zusammen. Sportökonom Kurscheidt spricht aus, was vermutet werden darf: Der VfL sei nun nicht gerade die attraktivste Werbeadresse der Bundesliga. Der Verein habe als Werksklub sogar „ein Imageproblem“, findet er. Da läge es auf der Hand, „dass sich ein Sponsorship vor allem durch Geschäftsbeziehungen zu Volkswagen lohnt“.

Geld schießt Tore. Auch und gerade in Wolfsburg. Nach dem Urteil von Stuttgart könnte es womöglich weniger Geld sein – auf jeden Fall weniger verdeckt eingeworbenes.

Zur Startseite