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Sport: Ankunft im neuen Leben

Die Läuferin Stephanie Graf ist nach ihrer Hüftoperation gelassener geworden – sie kann nun mit Niederlagen umgehen

Berlin. Stephanie Graf – gestern über 800 m Zweite hinter Favoritin Mutola – hat nicht mehr so viele Oberschenkelmuskeln wie früher. Man darf das durchaus als Botschaft verstehen. Die Athletin aus Klagenfurt quält sich nicht mehr so extrem wie früher. Sie quält sich noch genügend, so ist es nicht. „Sie macht Sachen im Training, die müssen andere erst hinbekommen“, sagt Helmut Stechemeister, ihr Trainer. Aber früher quälte sie sich, bis sie sich übergeben musste. Sie war da schon Olympiazweite über 800 Meter, Vize-Weltmeisterin, Hallen-Europameisterin (2000) und Dritte bei den Europameisterschaften(1998). Aber sie wollte endlich auch mal den großen Sieg. Sie wollte zum Beispiel die große Maria Mutola aus Mosambik schlagen, Olympiasiegerin von 2000 und Weltmeisterin von 2001. Mutola hatte auch verhindert, dass Stephanie Graf den Jackpot der Golden-League-Serie gewann. In Berlin war das, beim Istaf 2001.

Graf hasste diese zweiten Plätze. Aber da hatte sie noch nicht diese Diagnose. Tumor in der Hüftgegend, Operation dringend notwendig. Stephanie Graf war fassungslos bei dieser Nachricht im Frühsommer 2002. Sie war erst 29. Graf wurde operiert, es war ein langer, komplizierter Eingriff, aber die Geschwulst war gutartig. Die Ärzte sagten Graf, dass sie noch lange Schmerzen haben würde. Damit konnte sie umgehen. Und es war klar, dass sie wieder laufen würde, so schnell wie möglich. Im Herbst begann sie zu trainieren, und im März 2003 stand sie auf dem Siegespodest einer Halle in Birmingham und weinte. Sie war Zweite geworden bei der Hallen-WM, wieder hinter Mutola, aber diesmal war Silber ein Geschenk. Stephanie Graf fühlte sich in einem neuen Leben angekommen.

Man darf das ruhig wörtlich nehmen mit dem neuen Leben. Es gibt viele neue Seiten im Leben der Stephanie Graf. Sie dosiert jetzt ihren Ehrgeiz im Training. Deshalb hat sie auch nicht mehr so starke Oberschenkel. Vor allem aber ist die Politikerin Graf verschwunden. Die Missionarin der SPÖ, die Frau, die ihre Popularität nutzte, um gegen die FPÖ, vor allem aber gegen Jörg Haider, den geistigen Führer der Rechtspopulisten, zu kämpfen. Ihre Abkehr von der SPÖ hat nicht bloß mit der Operation zu tun. Sie hat auch mit ihrem neuen Freund zu tun.

Graf, die nach ihrer Operation bereit war für neue Erfahrungen und ihre Verbissenheit reduzierte, lernte Niki Zitny kennen. Zitny kommt aus dem Wiener Nobel-Viertel Döbling, und er spielt Golf. Ein Profi, unterwegs auf der Challenge-Tour. Stephanie Graf, geschieden, verliebte sich in den Profigolfer. Jetzt ist sie auch passionierte Golferin.

Die Krankheit hat sie gelassener gemacht. Sie muss jetzt nicht mehr öffentlich missionieren. Das hat sie mal gesagt. Aber nun fehlt natürlich etwas. Die politische Figur Graf hatte durchaus ihren Reiz. Stephanie Graf wollte sogar für das Bundesparlament kandidieren, für die SPÖ. Und natürlich erst nach ihrer Karriere und ihrem Studium, Mathematik und Italienische Literatur. Stephanie Graf hat wegen Haider ihren Verein gewechselt. Der Rechtspolitiker ist seit April 1999 wieder Landeshauptmann von Kärnten. Grafs damaliger Verein, der Klagenfurter LC, liegt in seinem Einflussgebiet. Ab Silvester 2000 startete Graf für den LCCP Wien. „In Wien habe ich bessere Trainingsbedingungen“, sagte sie. „Aber das stimmte nicht, sie ging wegen Haider“, sagt ein Journalist, der sie seit vielen Jahren kennt.

Graf hat auch strikt darauf bestanden, dass die damalige Sportministerin Susanne Riess-Passer nicht auf dem Flughafen Wien stand, um sie zu empfangen, nachdem sie in Edmonton 2001 Vize-Weltmeisterin geworden war. Riess-Passer war Parteivorsitzende der FPÖ.

In zwei Wochen findet die nächste WM statt. Vermutlich gewinnt Stephanie Graf in Paris dann wieder eine Medaille. Nur dürfte es ihr diesmal egal sein, welche Politiker sie empfangen werden. Schön wäre es aber, wenn sie ein wenig über Golf reden könnten.

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