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Sport: Anna haucht (Glosse)

Das Schöne am Tennissport ist doch, dass er von Menschen im heiratsfähigen Alter ausgeübt wird. Man stelle sich bloß vor, über was die Sportjournalisten berichten müssten, wenn Andre Agassi 55 Jahre alt wäre, eine Frau und drei Kinder hätte.

Das Schöne am Tennissport ist doch, dass er von Menschen im heiratsfähigen Alter ausgeübt wird. Man stelle sich bloß vor, über was die Sportjournalisten berichten müssten, wenn Andre Agassi 55 Jahre alt wäre, eine Frau und drei Kinder hätte. Erste Aufschläge, Doppelfehler und Volleys würden die Zeitungsspalten füllen, und nicht mehr Steffi hier und Steffi da, und wann überhaupt wird geheiratet?

Womit wir bereits beim Thema wären: Anna Kurnikowa. Das Mädchen, das zwar Tennis spielt, aber wen interessiert das schon. Oder wissen Sie auf welchem Weltranglistenplatz die 18-Jährige gerade steht? Nein, Anna Kurnikowa ist das Mädchen bei dem selbst hartgesottene Agenturjournalisten alle Ersten Aufschläge, Doppelfehler und Volleys vergessen und ihre lyrische Ader entdecken. Zum Beispiel der Kollege des Sport-Informationsdienstes (sid), der aus Moskau über die neuesten Entwicklungen im Leben der "russischen Tennis-Schönheit", wie er Anna Kurnikowa nennt, berichtet. Der Kollege schreibt: "Für eine Ehe ist in meinem Leben momentan kein Platz, hauchte die blonde Anna in die Mikrofone einer TV-Station ihrer Heimatstadt." Hauchte die blonde Anna. Andere tennisspielende Mädchen wie Martina Hingis oder Venus Williams sprechen, reden, berichten, erklären oder erzählen. Anna Kurnikowa aber haucht.

Selbst das "Tennis-Magazin", das bislang der Yellow-Press-Berichterstattung unverdächtig war, hat sich in seiner September-Ausgabe von der Kurnikowa-Hysterie anstecken lassen. "Wir stellen vor: Annas Neuer", vermeldete das Fachblatt auf seiner Titelseite. Wer nun ein Portrait des 28-jährigen Eishockeyspielers Pavel Bure vermutet, sieht sich getäuscht. Der Neue heißt SRQ Titanium-600 und ist, hihi, kleiner Scherz, ein Tennisschläger. Reife Männer atmen auf. Erst recht, seit Anna Kurnikowa in einem Interview klar stellte: "Ich habe nie gesagt, dass ich verlobt bin oder Pavel heiraten will." Auch der Torjäger von der US-amerikanischen Eishockey-Mannschaft Carolina Panthers dementierte, dass er der "schönen Anna", wie der sid schreibt, einen Heiratsantrag auf Knien gemacht habe: "Das ist Quatsch, ich hatte nie die Absicht zu heiraten. Im Moment ist Eishockey meine große Liebe." Prompt stieg die Anzahl der Verehrer, die ihrer Erleichterung über Annas Nicht-Heirat per e-mail auf deren Homepage ( www.kournikova.com ) Ausdruck verliehen. Anna sagte, oder besser, hauchte: "Ich verstehe nicht, warum immer solche Geschichten verbreitet werden."

Ach Anna. Warum schreibt das "Tennis-Magazin" unter ein Bild der tennisspielenden Lucic-Schwestern: "Eine schöner als die andere: Star Mirjana Lucic und ihre Schwestern Ana und Ivana haben sich ein kühles Plätzchen am Springbrunnen vor dem Tore gesucht. Da kann einem wirklich heiß werden."? Und bildet die 14-jährige Monique Viele, die noch nicht einmal von der Organisation WTA zur Tour zugelassen ist, in einem langen Abendkleid ab? Wenn selbst ein Fachmagazin über seinen Sport berichtet, als gelte es, in "Bild" das Nacktfoto auf Seite eins zu beschreiben, dann ist klar: In diesem Sport geht es nicht mehr nur um Erste Aufschläge, Doppelfehler oder Volleys. Deshalb, liebe Anna, werden solche Geschichten verbreitet.

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