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Sport: Anstoß aus der Lethargie

Die Fußball-WM 2010 soll Südafrika helfen, die zahlreichen sozialen Probleme des Landes zu lösen

In den Städten hängen sie überall, die Plakate. Das Motiv sieht so aus: Zwischen einem Mann und einer Frau liegt ein Fußball; er trennt die beiden. Daneben steht: „Love to be there 2010.“

Südafrika wäre gerne dabei, wenn die FußballWeltmeisterschaft 2010 ausgetragen wird, am liebsten als Austragungsland – und doch bedeuten die Worte mehr: Die Plakate sind Teil einer neuen Anti-Aids-Kampagne. „Love to be there 2010“, das heißt auch: Wer das Spektakel miterleben will, sollte beim Sex vorsichtig sein. Mehr als fünf Millionen Südafrikaner sind HIV-infiziert.

Für Südafrika geht es nicht nur darum, eine Fußball-WM ausrichten zu wollen. Es geht auch um den Kampf gegen Aids. Den Kampf gegen die Armut. Und das Entrinnen aus der Lethargie. Die WM 2010 am Kap wäre der Cup der guten Hoffnung.

Als die Inspektoren des Weltverbandes Fifa ihre Beurteilung der afrikanischen Bewerberländer veröffentlicht haben, stand Südafrika ganz oben auf der Liste. „Exzellent“ sei die Bewerbung. Das gab Hoffnung, heißt aber nicht viel, das wissen die Südafrikaner seit der Abstimmung für die WM 2006. Damals gewann Deutschland überraschend, weil der Abgesandte Ozeaniens sich den Anweisungen seines Verbands widersetzte und nicht für das Land am Kap votierte. „Sportpolitik ist eine total irrationale Angelegenheit“, sagte Franz Beckenbauer, Deutschlands WM-Chef.

Geht es nach politischen Gesichtspunkten, führt  bei der Abstimmung am Samstag kein Weg am früheren Apartheidstaat vorbei. Auch technisch hat das Land gute Argumente: Neun WM-Stadien sind  fertig, vier weitere werden gebaut. Eröffnungsspiel und Finale sollen im südafrikanischen Fußballmekka stattfinden, dem „Soccer-City-Stadium“ mit 95 000 Plätzen, gelegen zwischen Johannesburg und der Großstadt Soweto.

Wäre doch nur alles so einfach. Der größte Kritikpunkt ist die Gewalt, und die gehört in Südafrika zum Alltag. Das war am vergangenen Wochenende zu sehen: Auf Kapstadts Autobahn wurde eine Fahrerin von Steinewerfern lebensgefährlich verletzt. Im Küstenort St. Lucia wurde ein junges Paar brutal überfallen und die Frau vergewaltigt. In Johannesburg befreiten Verbrecher einen Kumpanen aus dem Gerichtssaal. Drei Polizisten wurden niedergeschossen.

Während die örtlichen Zeitungen in ihren WM-Berichten die Kriminalität ausblenden, werden gleichzeitig rosige Szenarien vom wirtschaftlichen Nutzen des Turniers gemalt. Immer wieder wird Danny Jordaan, der Chef der südafrikanischen Bewerbung zitiert: Die WM 2010 bringe umgerechnet drei Milliarden Euro ein und schaffe mehr als 150 000 Jobs. So könne sich Südafrika aus der wirtschaftlichen Stagnation befreien.

Doch viele sind skeptisch. Die Hälfte der Einwohner lebt unter der Armutsgrenze, von einem Dollar am Tag. Für ein WM-Ticket müssten sie ein Monatsgehalt opfern. Wenn der Stadionbesuch für die fußballbegeisterten Schwarzen unerschwinglich ist, kann der Sport kaum die Wunden der Apartheid heilen. Das stellt die Bewerbung nämlich in Aussicht.

Südafrika will etwas für das Selbstwertgefühl tun. Für sein Prestige. Die drei Nobelpreisträger Nelson Mandela, Frederik de Klerk und Desmond Tutu werben für die WM 2010, auch die Oscar-Preisträgerin Charlize Theron. Ein Fußballer ist nicht darunter. Es geht halt um mehr.

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