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Sport: Anstoß mit Rekord

Von Stefan Hermanns Sapporo. Sepp Maier hatte am Ende der Veranstaltung ein ausgefallenes Motiv im Visir.

Von Stefan Hermanns

Sapporo. Sepp Maier hatte am Ende der Veranstaltung ein ausgefallenes Motiv im Visir. Entsprechend ausdauernd richtete der Torwarttrainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft seinen Camcorder auf das ungewöhnliche Bild. Es war die Anzeigetafel im Sapporo-Dome. Und man kann sich ungefähr ausmalen, wie das demnächst sein wird im Hause Maier, wenn der Sepp seinen Angehörigen den Film von der Asienreise im Sommer 2002 vorführt: die Eigenheiten der fremden Kultur, die freundlichen Menschen und „jetzt seht ihr hier – der absolute Höhepunkt: die Anzeigetafel aus Sapporo". Deutschland – Saudi-Arabien wird dann auf dem Fernseh-Bildschirm im Hause Maier stehen, und dazu die schier unglaubliche Zahlenkombination: 8:0.

Zum fünfzehnten Mal seit 1934 nimmt eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft an einer Weltmeisterschaft teil, dreimal holte die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes den Titel, es haben große Mannschaften den DFB vertreten, außergewöhnliche Spieler trugen dessen Trikot; aber was auch immer der Jahrgang 2002 dieser Tage in Japan und Südkorea noch erreichen wird – die Mannschaft hat schon jetzt Geschichte geschrieben. Das 8:0 gegen Saudi-Arabien zum Auftakt des Turniers war der höchste deutsche Sieg bei einer WM-Endrunde überhaupt. Die bisherige Bestmarke stammt aus dem Jahr 1978, als die Nationalmannschaft im zweiten Vorrundenspiel der WM in Argentinien ein 6:0 über Mexiko gelang. „Wunderbar“ fand der Berliner Marko Rehmer das neue Rekordresultat.

Wunderbar war vor allem Miroslav Klose, der allein drei der acht Tore erzielte. Bei einer WM war das zuletzt Karl-Heinz Rummenigge gelungen, 1982 in Spanien beim 4:1 gegen Chile. Klose kam dem Teamchef Rudi Völler anschließend immerhin „ein bisschen wie der Matchwinner“ vor. Aber: „Alle haben sehr gut gespielt.“ Bis auf den Gegner natürlich. Die übrigen Treffer erzielten Michael Ballack, Carsten Jancker, Thomas Linke – sein erstes für die Nationalelf –, Oliver Bierhoff und Bernd Schneider.

Vor dem ersten WM-Spiel hatte es bei den Deutschen eine große Ungewissheit darüber gegeben, wo ihre Mannschaft wirklich steht. Möglicherweise gibt es die auch jetzt noch. „Sicherlich muss man erst einmal acht Tore schießen“, sagte Teamchef Völler, „aber wir sollten jetzt nicht so tun, als hätten wir das heiße Wasser erfunden. Der Gegner war ja nicht so stark.“ Er war sogar ziemlich schwach, und wenn Saudi-Arabiens Trainer Al-Johar nach dem Debakel seiner Mannschaft sagte: „Wir haben immer noch eine Chance, uns für die nächste Runde zu qualifizieren“, dann zeugt das von einer großen Fehleinschätzung der eigenen Fähigkeiten. Immerhin hatte Al-Johar erkannt: „Es war ein Desaster."

Der blamable Auftritt des Gegners passte ein wenig ins Bild dieses so genannten WM-Spiels, das nicht wie der Ernstfall selbst, sondern nur wie eine Übung des Ernstfalls wirkte. Letztlich war nichts diesem Ereignis würdig: nicht die Kulisse mit 10 000 freien Plätzen, nicht das Stadion, das in Wirklichkeit eine Halle ist, und auch nicht die fußballuntypische Zurückhaltung der Zuschauer. Gefreut haben sich vermutlich nur die Saubermänner vom Weltverband Fifa. So stellen sie sich den Fußballfan vor: brav statt wild, gesittet statt unbändig, kontrolliert statt ausgeflippt.

Ohne das außerordentliche Resultat würde die Begegnung im Sapporo-Dome vermutlich schnell in Vergessenheit geraten. Jetzt sieht das natürlich anders aus: „Das war schon eine Marke, die wir hier gesetzt haben“, sagte Michael Ballack. Für Kapitän Oliver Kahn war es „der WM-Start, den man sich besser nicht erträumen konnte. Die Leistung, besonders in der ersten Halbzeit, war überragend.“ Vor der Pause hatten die Deutschen ihren völlig überforderten Gegner permanent unter Druck gesetzt. „Wir haben nie eine Diskussion aufkommen lassen, wer hier als Sieger vom Platz geht“, sagte Rudi Völler.

So erfolgsentschlossen hat man die deutsche Nationalmannschaft schon lange nicht erlebt. Früher war das gewissermaßen ihre Spezialität, aber die Fähigkeit, die Konkurrenz - selbst die indirekte - ein wenig mit der eigenen Stärke zu schocken, ist ihnen zuletzt dummerweise abhanden gekommen. Jetzt aber, nach dem deutlichen Auftaktsieg, glaubt Oliver Kahn, „dass die anderen Mannschaften wieder sehr, sehr großen Respekt vor den Deutschen haben werden". Und wenn man so in ein Turnier starte, „kann man schon einen großen Lauf bekommen“, sagte Kahn. „Ich bin überzeugt, dass wir hier Großes leisten können.“ Ein bisschen haben das Kahn und seine Kollegen schon.

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