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Ein Stück Zukunft. Yohan Blake bei seinem sensationellen Lauf in Lausanne. Foto: dpa

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Sport: Ansturm auf den Thron

Yohan Blake rennt beim Meeting in Lausanne über 100 Meter fast so schnell wie Usain Bolt.

Berlin - Am Donnerstagabend war in Lausanne vielleicht ein Stück Zukunft der Leichtathletik zu begutachten. Es ist die Zukunft ohne Usain Bolt. Der Jamaikaner Yohan Blake gewann beim Meeting in Lausanne die 100 Meter in 9,69 Sekunden, seiner persönlichen Bestzeit, und damit ist er nach seinem Landsmann Bolt und dem US-Amerikaner Tyson Gay überhaupt erst der dritte Sprinter, der unter 9,70 Sekunden geblieben ist.

Bolt hat dieses Rennen aus der Distanz verfolgt, er lief in Lausanne die 200 Meter, ebenfalls in einer außergewöhnlichen Zeit, 19,58 Sekunden. Die 200 Meter sind Bolts Lieblingsstrecke, aber die 100 Meter sind das größere Spektakel und es könnte sein, dass dieses Spektakel in nicht allzu ferner Zukunft von Blake beherrscht wird, dem erst 22-Jährigen, und nicht mehr vom vier Jahre älteren Bolt.

Als Bolt bei den Olympischen Spielen in London Gold über 100 und 200 Meter gewonnen hatte, ließ er offen, ob er noch einmal zum Sprinten auf die olympische Bühne zurückkehren würde. Er schaute auf den Platz neben sich und nickte mit dem Kopf zu Blake herüber. „Puh, er fordert alles von mir.“ Es klang so, als ob es ihm zu anstrengend werde, sich noch einmal vier Jahre gegen Blake durchsetzen zu müssen. „Leichtathletik ist ein harter Job.“ Und die Motivation, aus einem zweifachen Double über 100 und 200 Meter ein Triple zu machen, war ihm in diesem Moment nicht anzusehen. Zuletzt hat Bolt auch noch den Weitsprung als neue Herausforderung ins Spiel gebracht.

Etwas unwirklich wirkte diese Szene, weil Blake in diesem Moment nichts Besseres zu tun hatte, als Bolt zu preisen. „Er ist so eine große Inspiration für mich“, sagte er wie ein Schüler, der zu seinem Lehrer aufschaut. Und nach seinem Erfolg in Lausanne sagte er: „Mein Coach hat mir gesagt, dass ich noch schneller laufen kann. Heute habe ich es bewiesen.“ Wieder war es etwas viel Demut für einen Athleten einer so testosteronprallen Disziplin.

Dabei ist Blake schon Weltmeister über 100 Meter, und vielleicht wäre Bolt ohne Blake in London nicht noch einmal so schnell gelaufen. „Als mich Blake zweimal bei den Trials in diesem Jahr geschlagen hat, war das, als ob er an meine Tür geklopft hätte: Es ist das Jahr der Spiele. Ich bin bereit. Bist du es auch?“

Blake lief nun in Lausanne so schnell wie Bolt vor vier Jahren bei seinem damaligen Weltrekord und Olympiasieg in Peking. Seine beste Zeit und seine besten Zeiten scheinen noch vor ihm zu liegen. Blake versucht sich inzwischen wie Bolt als Unterhaltungskünstler, vor einem Rennen hält er die Finger wie Krallen in die Kamera, sein Spitzname ist schließlich das „Biest“. Doch gegen diese Kleinkunst erscheint Bolt wie ein Charakterdarsteller.

Für seinen möglichen Thronfolger hatte Bolt in Lausanne wieder warme Worte übrig: „Ich wusste, dass er richtig Gas geben würde. 9,69 sind ein wunderbares Ergebnis.“ Bei einem Wettkampf werden sich die beiden aber wohl erst wieder zur WM 2013 in Moskau begegnen. Bei Meetings gehen sie sich aus dem Weg, auch um den Marktwert nicht durch Niederlagen zu drücken, und wenn ein Veranstaltungsdirektor doch beide gegeneinander laufen lassen wollte, würde ihn das wohl bis zu einer halben Million Dollar kosten. Friedhard Teuffel

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