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Sport: Anwälte und Absagen

Streit im Eiskunstlaufen verschärft sich wieder

Berlin - Sie warteten in der Chemnitzer Eishalle, alle vier. Und alle vier ahnten gestern, dass sie vergeblich warteten. In einem Büro saßen die Paarlauf-Europameister Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy mit ihrem Trainer Ingo Steuer und ihrer gemeinsamen Anwältin Karla Vogt-Röller aus Berlin. Und nun sollte Udo Dönsdorf dazustoßen. Der Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU) wollte mit den Sportlern und ihrem Trainer über „sportfachliche Dinge und Fördermittel reden“. Aber er wollte nicht, dass bei so einem Fachgespräch deren Anwältin dabei ist. Das hatte die DEU Vogt-Röller frühzeitig mitgeteilt. Die Anwältin erwiderte allerdings, dass sie sehr wohl zuhören wolle, auf besonderen Wunsch ihrer Mandanten. Also faxte ihr Dönsdorf am Montagabend, dass der Termin geplatzt sei. Sie wartete trotzdem, „weil ich nicht glauben konnte, dass er wirklich nicht kommt“.

Vogt-Röller war bisher immer dabei, bei allen Gesprächen. Sie will verhindern, dass die Sportler etwas Unbedachtes unterschreiben. „Ich traue denen von der DEU nicht von jetzt bis Mittag“, sagt sie. Die DEU verlangt von den Sportlern, sie sollen auf ihren stasibelasteten Trainer verzichten. Die Läufer weigern sich.

Vor einer Woche wurden Szolkowy/Sawtschenko Europameister, im März werden sie wahrscheinlich Weltmeister, die DEU könnte ihren größten Erfolg seit elf Jahren feiern. Stattdessen verschärft sich der Streit zwischen Verband und dem Erfolgstrio. „Für die Sportler ist die Absage eine Katastrophe, die sind völlig fertig“, sagt Vogt-Röller am Dienstag.

Uwe Harnos, Anwalt und Vizepräsident der DEU, sagt grundsätzlich: „Man muss doch auch mal ein Gespräch ohne Anwalt führen können.“ Kann man nicht, wenn keine Seite der anderen traut.

Steuer macht die DEU dafür verantwortlich, dass er und sein Paar keine Sponsoren finden, weil Eiskunstlauf bei ARD und ZDF nicht mehr stattfindet. „Ich kann ja nicht selber bei den Fernsehsendern anrufen.“ Und Aljona Sawtschenko empört sich über die Trainingsjacke, die sie mal bei einer Siegerehrung tragen musste. Die war zu lang, weil sie das Teil von Stefan Lindemann, dem WM-Dritten von 2004, ausleihen musste. „Die DEU hat nicht mal Trainingsanzüge für die Sportler.“

Die sollen sich mal zurückhalten, sagt Harnos. „Die tun ja so, als würden sie am Hungertuch knabbern.“ Dann zählt er die Einnahmequellen des Trios auf: Sporthilfe, Gagen aus Schaulaufen, Wettkampfprämien. Außerdem verzichte die DEU auf die obligatorische Verbandsabgabe, die jeder Athlet bezahlen muss, der Prämien kassiert. „Mit diesem Geld sollen die Sportler ihren Trainer bezahlen“, sagt Harnos. Ein anderer Experte taxiert das Jahreseinkommen des Trios aus Chemnitz auf mindestens 100 000 Euro.

Außerdem fühlt sich der DEU-Funktionär Harnos auch getäuscht. Sawtschenko und Szolkowy hätten für ein Trainingslager in Kanada vom Verband einen Zuschuss verlangt. Die DEU zahlte bereitwillig. Dass er dann aber in der Zeitung gelesen habe, dass der verletzte Szolkowy gar nicht mitgeflogen sei, sagt Harnos, das habe ihn dann doch einigermaßen erstaunt. „Gesagt hat uns das keiner.“ Das Geld für Szolkowy forderte die DEU später wieder zurück.

Und die Geschichte mit den fehlenden Sponsoren ist auch nicht so leicht auf die DEU abzuschieben. Die US-Agentur IMG war bereit, das Weltklasse-Paar zu vermarkten. Steuer lehnte ab. Er hatte selber das Projekt Pixeleis aufgebaut, eine Internetseite, auf der Sponsoren ihr Logo platzieren können. Ein paar Geldgeber haben sich gefunden, aber das große Geld fließt noch nicht. „Er möchte die Leute, die mit ihm pixeleis.de aufgebaut haben, nicht im Stich lassen“, sagt Karla Vogt-Röller. „Deshalb hat er abgelehnt.“

Und den angeblich so großzügigen Verzicht der DEU auf die Verbandsabgabe, sagt die Anwältin, den solle man mal nicht überbewerten. „Die Sportler sagen, dass sie mit der eingesparten Summe nicht mal die Spesen für den Trainer bezahlen können.“ Der Trainer hat inzwischen dafür gesorgt, dass er nicht bloß vom Geld seiner Sportler oder der Toleranz der DEU abhängig ist. Steuer ist ja auch ausgebildeter Choreograf, und seine Künste nutzt ein prominenter Kunde: Die Choreografie bei den Auftritten des populären Geigers Andre Rieux ist Steuers Werk.

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