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Sport: Arbeitsethos trifft Spielfreude

Deutschland schlägt Brasilien in einem unterhaltsamen Testspiel 3:2 – und vereint die eigenen Tugenden mit denen der Gästeelf

Joachim Löw stand ganz alleine an der weißen Linie, er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schien versonnen in den Stuttgarter Abendhimmel zu schauen. In Wirklichkeit blickte der Bundestrainer auf die Videoleinwand, wo gerade die Wiederholung des Tores zum 2:0 für seine Mannschaft gezeigt wurde: der perfekte Pass von Toni Kroos und die nicht minder perfekte Vollendung von Mario Götze. Es war ein Moment der Verzückung, aber Löw ruderte mit den Armen und trieb seine jubelnden Spieler zur Fortsetzung ihrer Arbeit. Sein Arbeitsethos machte sich bezahlt. Robinho verkürzte zwar zwischenzeitlich noch auf 1:2, am Ende aber feierten die Deutschen vor 54 767 Zuschauer in der umgebauten und ausverkauften Arena in Stuttgart einen verdienten 3:2 (0:0)-Erfolg. Es war im 21. Aufeinandertreffen mit den Brasilianern erst der vierte Sieg für die Nationalmannschaft. „Das waren heute zwei Top-Mannschaften, aber wir müssen uns da nicht verstecken, haben heute sehr gut gespielt“, sagte Bastian Schweinsteiger später.

Acht Spieler vom FC Bayern München hatte Löw für das Länderspiel nominiert, bis auf Jerome Boateng standen alle in der Startelf. Und ein bisschen bayrisch sah der Auftritt der Deutschen auch aus. In der Anfangsphase verbuchte die Nationalmannschaft nahezu vangaalsche Ballbesitzquoten, allerdings fehlten den Offensivbemühungen ein wenig Tiefe. „Die Brasilianer haben am Anfang ungewohnt defensiv gespielt, daher der viele Ballbesitz“, sagte Philipp Lahm. Nur selten wurde es vor dem Tor der Brasilianer so gefährlich wie nach fünf Minuten, als Mario Götze an Torhüter Julio Cesar scheiterte.

Ganz anders sah es bei den Brasilianern aus, die sich zunächst scheinbar klaglos in die Rolle des Außenseiters drängen ließen, bei Ballgewinnen jedoch rasend schnell umschalteten. So einmal kurz vor der Pause, als aus einer Ecke der Deutschen ein Konter entstand, an dessen Ende Neymar nur knapp das deutsche Tor verfehlte.

Dem Spiel mangelte es zwar vor der Pause noch an klar herausgespielten Torchancen, ein gewisser Unterhaltungswert war der Darbietung trotzdem nicht abzusprechen. Das sah doch recht flott und flüssig aus, was die Deutschen auf den Rasen brachten. Gerade im Mittelfeld verfügt die Mannschaft inzwischen über eine hohe fußballerische Qualität. Wer den Ball nicht perfekt beherrscht, fällt inzwischen bei den Deutschen schon fast negativ auf. So wie Christian Träsch, dem einige Ungenauigkeiten unterkamen, der aber auch an der besten Kombination der Deutschen maßgeblich beteiligt war. Nach seinem Zuspiel schlenzte Kroos den Ball nur knapp am brasilianischen Tor vorbei. In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild ein wenig. Die Brasilianer wurden aktiver, die Deutschen büßten ein wenig von ihrer Kompaktheit ein, das Spiel wurde dadurch etwas offener. Lahm prüfte mit einem Fernschuss Brasiliens Torhüter Julio Cesar, Götze wurde nach guter Vorarbeit des eingewechselten André Schürrle gerade noch geblockt, und nur eine Minute später verhakte sich Kroos im brasilianischen Strafraum am Knie des früheren Münchners Lucio. Schiedsrichter Victor Kassai entschied auf Elfmeter – Schweinsteiger verwandelte ohne Probleme.

Spätestens nach dem Führungstreffer wurden sämtliche taktischen Fesseln gelöst. Nur fünf Minuten nach Götzes Treffer zum 2:0 brachte Philipp Lahm Dani Alves zu Fall, Kassai entschied erneut auf Elfmeter – Robinho verkürzte. Weil der Erfolg der Deutschen noch einmal in Gefahr geriet, schien Löw sogar sein Vorhaben zu vergessen, von seinen sechs Wechselmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Das Stuttgarter Publikum forderte den VfB-Stürmer Cacau, aber der Bundestrainer reagierte erst spät. Freundschaftsspiel hin oder her – Löw wollte angesichts der historisch schwachen Bilanz gegen Brasilien unbedingt gewinnen. Dass die Sorge des Bundestrainers selbst nach Schürrles Treffer zum 3:1 nicht unbegründet war, zeigte sich in der Nachspielzeit, als Neymar mit einem Fernschuss noch einmal verkürzte.

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