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Argentinien: Fußball-Gott Maradona geht

Diego Maradona ist nicht mehr Trainer der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft. Am Ende bleiben 20 chaotische Monate voller Höhen und noch mehr Tiefen.

Was eine Ära werden sollte, ist bereits nach 20 Monaten Geschichte: Diego Maradona ist nicht mehr Trainer der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft. Zunächst fehlte noch die offizielle Bestätigung des Verbandes, doch die wichtigsten Tageszeitungen des Landes verkündeten am Dienstagmorgen den Bruch zwischen dem mächtigen Verbandspräsidenten Julio Grondona und dem argentinischen Fußball-Idol. „Grondona zeigt ihm die Tür“, schreibt die Tageszeitung „Clarin“. Fernando Signorini, ein Freund Maradonas und Mitarbeiter im WM-Team, sagte: „Niemand kann so naiv sein und glauben, dass Diego unter diesen Bedingungen weitermachen würde.“ Einige Zeitungen spekulieren schon über seinen Nachfolger: „Die Fans wünschen sich Carlos Bianchi.“

Der Vertrag Maradonas werde nicht verlängert, bestätigte später der Sprecher des nationalen Fußballverbandes AFA, Cherquis Bialo, in Buenos Aires. Der Verband habe die Bedingungen Maradonas für eine Verlängerung des kommenden Samstag auslaufenden Kontrakts nicht akzeptieren können. Das Traineramt für das Freundschaftsspiel gegen Irland im August werde der bisherige Coach der Jugendmannschaft, Sergio Batista, übernehmen. Dieser hatte die Mannschaft schon einmal vor Maradonas Amtsübernahme vor knapp zwei Jahren betreut.

Die argentinischen Medien hatten sich in der Mehrzahl nach dem bitteren WM-Aus in Südafrika im Viertelfinale gegen die deutsche Nationalmannschaft noch eine Fortsetzung der Arbeit von Diego Maradona als Nationaltrainer gewünscht. Selbst die argentinische Staatspräsidentin Cristina Kirchner sprach sich angesichts des euphorischen Empfangs nach der WM für einen Verbleib von „El Diez“ aus. Doch Maradona hat sich offensichtlich verzockt. Statt mit Konzepten in die Gespräche mit dem Fußballverband AFA zu marschieren, präsentierte sich das 49 Jahre alte Enfant terrible des argentinischen Fußballs wie ein bockiges Kleinkind. Ein erstes Gespräch mit Grondona ließ Maradona platzen, wohl auch, um Verhandlungsdruck auf Grondona auszuüben, und flog stattdessen zu einer Propagandaveranstaltung mit Venezuelas Staatspräsidenten Hugo Chavez.

Auch im Vorfeld des Treffens verhielt sich Maradona alles andere als taktisch klug und verbat sich jede Einmischung in seinen Trainerstab. Ausgerechnet dort hatte aber Grondona Verbesserungsbedarf gesehen und angeregt, den ein oder anderen Ratgeber aufzunehmen. In Gesprächen soll Grondona dann die Auswechslung von sieben Mitarbeitern Maradonas gefordert haben. Als die Verhandlungspartner in der Nacht mit ernsten Mienen auseinander gingen, ahnten die wartenden Journalisten nichts Gutes. „Sie haben mich rausgeschmissen“, zitierten einige Journalisten Maradona. Keiner der Beteiligten gab eine öffentliche Stellungnahme ab. Auch Präsidentin Kirchner war zuletzt irritiert, dass Maradona sich nach der WM mit Chavez statt mit ihr zeigte, und ging auf Distanz. Zuletzt soll selbst Kirchner keinen Zugang mehr zu ihm gehabt haben. Anrufe aus dem Präsidentenpalast landeten in regelmäßigen Abständen auf seinem Anrufbeantworter.

Am Ende bleiben 20 chaotische Monate voller Höhen und noch mehr Tiefen. Nur mühsam schaffte die „Albiceleste“ die WM-Qualifikation. Rund 100 Spieler berief Maradona während seiner Amtszeit als Coach. Im Viertelfinale gegen Deutschland legte dann der übermächtige Gegner die taktischen Schwächen des Systems Maradona schonungslos offen. Der setzte vor allem auf Motivation und Emotion, aber eben nicht auf Leistungsdiagnostik und taktische Analyse.

Der Rest der Fußballwelt schaut derweil erschrocken auf das Pokerspiel um den Cheftrainerposten. „Was mich besorgt, ist die Zukunft der Nationalmannschaft – mit oder ohne Maradona“, sagt der einflussreiche Verbandsfunktionär Luis Segura. Gesucht wird nun ein Nachfolger mit Erfahrung und dem notwendigen Händchen für die argentinische Seele. Favorit ist Carlos Bianchi, der weißhaarige Coach mit europäischer Auslandserfahrung, der bis Januar 2010 als Manager des wichtigsten argentinischen Klubs Boca Juniors tätig war. Aber auch die argentinischen Klubtrainer Alejandro Sabella und Miguel Russo oder der U20-Nationaltrainer Sergio Batista werden gehandelt. Und übrigens: Als vor gut zwei Wochen Bayern-Trainer Louis van Gaal in einem Interview erklärte, er würde gerne mal als Nationaltrainer arbeiten, druckten fast alle argentinischen Zeitungen das Interview in großer Aufmachung nach.

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