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Sport: Armstrong ruht sich aus

Außenseiter Voeckler übernimmt das Gelbe Trikot

Chartres – Lance Armstrong dachte an Pontarlier, als sich gestern Nachmittag um 14 Uhr über der Region Eure et Loir dunkle Wolken in einem Dauerregen entleerten. Auf der achten Etappe der Tour de France 2001 nach Pontarlier war das Wetter ähnlich unangenehm gewesen und hatte das Radfahren durch das schöne Frankreich wie auch gestern zu einem zweifelhaften Vergnügen gemacht. Damals hatte Armstrong keine Lust gehabt, bei einem solchen Wetter einer Ausreißergruppe hinterherzufahren und hatte so fast den Tour-Sieg verspielt: 35 Minuten verlor er damals. Profiteur war an jenem Tag der Australier Stuart O’Grady, der das Gelbe Trikot übernahm. Und auch am Donnerstag auf dem Weg nach Chartres war es O’Grady, der die Unlust im Feld ausnutzte und zum ersten Mal seit 1998 eine Etappe gewann. Das Gelbe Trikot übernahm allerdings auf der fünften Etappe der diesjährigen Tour der Franzose Thomas Voeckler von Armstrong. Voeckler hatte sich zusammen mit O’Grady, dem Dänen Jakob Piil, seinem Landsmann Sandy Casar und dem Schweden Magnus Backstedt schon nach 16 der 200 Kilometer vom Feld abgesetzt.

Lance Armstrong, der gestern verkündete, er werde nicht bei den Olympischen Spielen in Athen starten, machte keine Anstalten, sein Trikot zu verteidigen. Den Fehler von 2001 wiederholte er aber auch nicht. „Eine halbe Stunde lassen wir niemanden mehr entkommen“, sagte er im Ziel. Als der Vorsprung der fünf Ausreißer bis auf 17 Minuten angewachsen war, trieb das Team von Armstrong, US Postal, das Feld an. Der Vorsprung der Ausreißer schmolz so im Ziel auf zwölf Minuten und 30 Sekunden.

Doch auch wenn Armstrong vermeiden konnte, ohne allzu großes Zeitdefizit in den warmen Süden weiterzureisen, kam er nicht ohne Schrammen davon. Zwei seiner wichtigsten Helfer für die Berge – Manuel Beltran und Jose Luis Rubiera – waren in einen von zahlreichen Stürzen auf den glatten zentralfranzösischen Straßen verwickelt. Mehrfach mussten Rubiera und Beltran ihre Schürfwunden vom Arzt im Mannschaftswagen versorgen lassen, um schließlich unter Schmerzen das Ziel zu erreichen. Doch Mannschaftsdirektor Johan Bruyneel beugte Gerüchten vor, US Postal sei durch die Stürze nun geschwächt. Kaum war er aus dem Mannschaftsauto ausgestiegen, da sagte der Belgier: „Rubiera und Beltran geht es gut.“ Und dann fügte er mit einem Grinsen an, bevor er aus dem etwas schlichten Zielbereich am Flugplatz der Stadt Chartres entschwand: „Schlechte Nachrichten für die Deutschen!“

Die Deutschen, die Bruyneel meinte, stiegen nach einer für sie ereignislosen Etappe kommentarlos in den Mannschaftsbus ihres T-Mobile Teams. Insbesondere Team-Kapitän Jan Ullrich – der gestern mit dem Hauptfeld ins Ziel kam und weiter 55 Sekunden hinter Armstrong in der Gesamtwertung liegt – hatte nach dem Mannschaftszeitfahren am Vortag genügend unangenehme Fragen beantworten müssen.

Sebastian Moll

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