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Sport: Athener Sandkastenspiele

Vier Großprojekte sind im Verzug – auf das Dach des Schwimmstadions verzichten die Olympiaplaner nun

Athen. Es ist ein „Rennen gegen die Zeit“ hat Jacques Rogge gesagt. So hat der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die angestrengten Baubemühungen der griechischen Olympiaarbeiter bezeichnet. In diesem Rennen hinken die Athener weiterhin arg hinterher. Knapp fünf Monate vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in der griechischen Hauptstadt Athen am 13. August sind es vor allem vier olympische Großprojekte, die den griechischen Organisatoren, aber auch der internationalen Sportwelt Sorgen machen.

Die geschäftstüchtigen griechischen Baufirmen nutzen den enormen Fertigstellungsdruck derweil zu ihren Gunsten aus. Erst ließen sie die bestehenden Fristen zur schlüsselfertigen Übergabe der Sportstätten noch einmal deutlich verlängern. Und dann handelten sie dafür auch noch einen hohen staatlichen „Bonus“ aus. Die neue konservative Regierung um den designierten Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis versprach gleich nach ihrem Sieg am vergangenen Sonntag, neuen Schwung auf die olympischen Baustellen zu bringen. Bei diesen vier olympischen Baustellen ist das mehr als nötig:

Das Dach des Olympiastadions: „Calatrava-Dome“ nennen die Athener das futuristisch anmutende, 13 000 Tonnen schwere Dach, das dem Olympiastadion vor den Spielen aufgesetzt werden soll. Derzeit liegt die vom spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava entwickelte 25 000 Quadratmeter große Stahl-Glaskonstruktion allerdings noch vor dem Stadion auf dem tiefen Lehmboden. Das Dach wartet zuerst auf seinen fachgerechten Zusammenbau, bevor es dann auf das zwanzig Jahre alte Stadion montiert wird.

Vor drei Jahren erhielt der „Architekt und Künstler Calatrava“, wie er sich selber nennt, per Direktvergabe den Auftrag, das Bauwerk zu entwerfen. Die Kosten dafür sind mittlerweile von 80 auf 130 Millionen Euro angestiegen. Das Dach soll den rund 80 000 Zuschauern, denen das Athener Olympiastadion Platz bietet, Schatten spenden. Die sich über die Zuschauerränge spannenden Dachbogen können nach den Planungen etwa 90 Prozent der grellen griechischen Augustsonne filtern. Daneben hat das Monument aber auch eine ästhetischen Funktion. Es gilt als einer der wenigen gelungenen Entwürfe in der neuen Athener Olympiaarchitektur.

Der spanische Baumeister plante anfänglich gar eine Art Gesamtkunstwerk auf dem 240 Hektar großen Athener Olympiagelände. Davon nahmen die Planer aber aus Kostengründen schnell Abschied. Sollte sich das Olympiastadion zu den Spielen ohne die Dachkonstruktion präsentieren, kommen nicht nur die Zuschauer ordentlich ins Schwitzen. Das Dach spielt eine wichtige Rolle bei der Eröffnungsfeier. Zudem soll es einen Teil der Flutlichtkonstruktion und diverse Fernsehkameras unterbringen. Voraussichtlich soll das Dach nun Ende Juni errichtet werden. Versprechen will das jedoch von offizieller Seite keiner. „Wir brauchen das Dach nicht unbedingt, aber es wäre schön, eines zu haben“, erklärte Denis Oswald, der Leiter der IOC-Koordinierungskommission für die Athener Spiele.

Das Dach des Schwimmstadions: Dem 11 000 Zuschauer fassenden Schwimmstadion fehlt ebenso noch ein Dach wie seinem „großen Nachbarn“, dem Olympiastadion. Am Samstag gab das Organisationskomitee jedoch eine Entscheidung bekannt: „Die Fachleute sind zu dem Schluss gekommen, dass es wegen der in Verzug geratenen Planungen keine Garantien für die rechtzeitige Installierung des Daches gibt. Das könnte die Austragung des Schwimm-Wettbewerbs in Gefahr bringen.“ Damit haben die Athener zum ersten Mal ein Olympiaprojekt gestrichen, und dieser Schlussstrich ist das Ende eines Monate dauernden Wirrwarrs. Fast schien die Dachproblematik der Schwimmer und Wasserballer ein wenig von der Endlosdiskussion des Calatrava-Daches überschattet zu sein. Aber spätestens seitdem die nun vormalige sozialdemokratische griechische Regierung der ausführenden Baufirma den Vertrag gekündigt und vor die Tür gesetzt hatte, war die Situation offenkundig. Doch die aktuelle Entscheidung des Organisationskomitees löst nicht alle Probleme, im Gegenteil. Denn der Internationale Schwimmverband Fina hatte Anfang Februar mitgeteilt: „Ohne Dach keine Schwimmwettbewerbe.“ Etwas humorvoller sah es der australische Schwimmtrainer Leigh Nugent: „Wenn der Ernstfall eintritt, also kein Dach über dem Schwimmbecken und 40 Grad Hitze, dann kommen unsere Schwimmer eben mit Eiswesten.“ Schatten nötig haben auch die Zuschauer und nicht zuletzt die Kameramänner der Fernsehanstalten. Ohne Dach reflektiert das Wasser die einstrahlende Sonne so stark, dass die Fernsehanstalten für klare Bilder nicht garantieren wollen. Jetzt müssen sie sich etwas einfallen lassen.

Die Marathonstrecke: Hier liefen schon die berühmtesten Läufer der Geschichte. Der Bote Phidippides zum Beispiel in voller Waffenmontur ins 42 Kilometer entfernte Athen, direkt im Anschluss an den Sieg der Athener über die Perser bei der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.) „Freuet euch, wir haben gesiegt“, das konnte er noch als frohe Kunde nach Athen überbringen, bevor er tot zusammenbrach. In Erinnerung an den antiken Helden wurde zu den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit in Athen 1896 der Marathonlauf eingeführt. Ein Grieche, Spiridon Louis, lief damals die 42,4 Kilometer am schnellsten. Auch zu den Spielen 2004 sollen die Marathonläufer auf dieser geschichtsträchtigen Strecke wieder unterwegs sein: in aller Frühe von dem kleinen attischen Dorf Marathon bis zum Athener Olympiastadion von 1896, das „Kallimarmaro“ genannt wird (Schöner Marmor). Doch derzeit sieht die Strecke wenig einladend aus. Die Baufirma, die für einen großen Streckenabschnitt verantwortlich war, ging in Konkurs. Seit das Unternehmen seinen Arbeitern zwei Monate keinen Lohn mehr gezahlt hatte und die dann Anfang des Jahres in einen elftägigen Streik getreten waren, ist die Zukunft der Strecke ungewiss. Eine andere Firma soll die Marathonstrecke nun bis Ende Juni „olympiafähig“ machen. Also die Straße dreispurig ausbauen, Bürgersteige anlegen und Schatten spendende Bepflanzungen vornehmen.

Das öffentliche Nahverkehrssystem: Ein Dauerbrenner war der öffentliche Nahverkehr in Athen schon vor der Bewerbung um die Olympischen Spiele. Das soll sich bis zu den Spielen ändern. Drei Großprojekte möchten die Olympiaplaner noch bis zum Juni verwirklichen. Die Straßenbahn soll die Innenstadt der Fünf-Millionen-Metropole mit dem Küstenstreifen verbinden. Für die Spiele ist dieser 23 Kilometer lange Anschluss besonders wichtig, weil sich entlang der Küste zahlreiche olympische Wettkampfstätten aneinander reihen – unter anderem der große Sportkomplex „Hellinikon“. Auf dem alten Flughafen Athens werden in verschiedenen neuen Stadien oder in umgebauten Flugzeughallen Baseball, Softball, die Basketball- und Handballvorrunde, Hockey und Fechten ausgetragen. Auch die Strecke für Wildwasserkajak befindet sich dort.

Das U-Bahn-Netz soll ebenfalls bis Juni noch um knapp acht Kilometer ausgebaut werden. Die chronisch voll gestopften Straßen Athens können schon den Alltagsverkehr kaum fassen. Deshalb ist der Ausbau des U-Bahn-Netzes gerade für die Spiele mit seinen erwarteten 1,5 Millionen Touristen eine Grundvoraussetzung. Das gilt auch für die 32 Kilometer lange neue Schienenbahn, die die Innenstadt mit dem Flughafen und an das Olympiagelände anbinden soll. Die Organisatoren rechnen mit der Eröffnung der neuen Strecken „kurz vor den Spielen“.

Torsten Haselbauer

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