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Sport: Attacke bei Kilometer 36

Ein Unruhestifter greift den beim Marathon führenden Brasilianer Lima an

Über den Sieger wurde hinterher wenig geredet. Im Mittelpunkt des Interesses nach dem olympischen Marathon, den der Italiener Stefano Baldini in 2:10:55 Stunden gewann, stand vielmehr ein skandalöser Vorfall auf der Strecke. Ein Zuschauer rannte etwa bei Kilometer 36 auf die Straße und stoppte den zu diesem Zeitpunkt in Führung liegenden Vanderlei Lima. Der Brasilianer konnte sich mit Hilfe von Zuschauern befreien, lief weiter und holte nach 2:12:11 immerhin noch die Bronzemedaille. Silber ging überraschend an den USAmerikaner Mebrahtom Keflezighi. Lima hätte wahrscheinlich auch ohne den unfreiwilligen Kurzaufenthalt kaum Gold oder Silber gewonnen, denn seine Verfolger liefen gegen Ende des Rennens ein deutlich höheres Tempo als der Brasilianer.

Bei dem Rennen über die klassische Distanz, das wie vor 108 Jahren bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit von Marathon ins Athener Panathinaikon-Stadion führte, hatte sich Lima bereits kurz vor der Halbmarathonmarke von der Spitzengruppe abgesetzt. Der Sieger des Hamburg-Marathons 2004 galt mit einer Bestzeit von 2:08:31 Stunden jedoch nicht als ein ernster Kandidat für die Goldmedaille. Bei Kilometer 35 schmolz der Vorsprung des 35-Jährigen auf 29 Sekunden. Kurz danach stürmte der mit einem Kilt gekleidete Zuschauer, vermutlich ein Ire, auf die Strecke. „Plötzlich tauchte er vor mir auf, drängte mich zum Streckenrand und hielt mich fest“, erzählte Lima. Zuschauer befreiten den Brasilianer aus der Umklammerung.

„Wer weiß, vielleicht hätte ich ohne diesen Vorfall gewinnen können. Das hat mich sehr behindert. Ich hatte Angst, denn ich wusste nicht, was er mit mir macht. Es war dann schwer, den Laufrhythmus wieder zu finden“, sagte Lima. Aufgehalten wurde der Brasilianer bei dem Vorfall rund zehn Sekunden. Am Ende erreichte er 1:16 Minuten hinter dem Sieger Baldini und immer noch 42 Sekunden hinter dem zweitplatzierten US-Amerikaner Keflezighi das Ziel.

Der internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) hatte sich kurz nach dem Ende des Marathons in einer Sitzung mit dem Fall befasst. Später gab dann das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, dass Vanderlei Lima zusätzlich zur Bronzemedaille noch den Pierre-de-Coubertin-Preis, eine Ehrenmedaille des IOC, erhalten wird.

Englische Journalisten waren sich am Abend in Athen sicher, dass es sich bei dem Mann, der Lima stoppte, um einen 56-jährigen irischen Priester handelt, der schon mehrfach zuvor auf ähnliche Weise aufgefallen war. Wie es heißt, sei dieser Mann im vorigen Jahr bereits im englischen Silverstone während eines Formel-1-Rennens auf die Strecke gelaufen und hatte das Rennen damit unterbrochen. Außerdem habe er auf ähnliche Art ein Pferderennen in Irland gestoppt.

Einen ähnlichen Vorfall wie in Athen hatte es 2001 beim London-Marathon gegeben. Damals rannte die Ähiopierin Derartu Tulu auf der Zielgeraden zum Sieg, als ein Zuschauer über die Barriere sprang, um sie aufzuhalten. Doch die Ordner reagierten schnell und konnten verhindern, dass die Läuferin angegriffen wurde. In Athen waren eine Reihe von Polizisten auf der Marathonstrecke mit dem Fahrrad unterwegs. Doch keiner fuhr bei dem führenden Läufer.

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