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© Thilo Rückeis

Attackierte Fackelläuferin: Jin Jing: Der Engel Chinas

Beim Fackellauf in Paris wird Jin Jing von Tibet-Aktivisten attackiert. Seither ist die ehemalige Behindertsportlerin in China ein Star. Während der Paralympics berichtet sie als Fernsehjournalistin von den Spielen.

Die olympische Flamme hielt sie beim Fackellauf zu Beginn der Olympischen Spiele durch Paris so innig und fest umschlungen auf dem Arm wie ein Baby. Jetzt umklammert sie das Mikrofon für die Fernsehübertragungen für den chinesischen Sender CCTV in der Mixed Zone des Leichtathletik: Jin Jing, 28, kennt in China jeder. Die junge Frau aus Shanghai gilt in ihrem Land als Heldin, seitdem sie beim Fackellauf dem Angriff eines Pro-Tibet-Aktivisten widerstanden hat. Der „Engel Chinas“, früher eine erfolgreiche  Fechterin im Behindertensport, ist jetzt auch bei den Paralympics mit dabei. Aber nicht als Athletin in der Halle, sondern als Expertin in den Sportstätten, und bei den Events am Rande der Spiele.

„Hier als Journalistin arbeiten zu dürfen, ist für mich eine große Ehre“, sagt die schmale Frau, die ihren Beinstumpf gerade zur Erholung auf eine ihrer Krücken stützt. „Aber keine Sorge, so zu laufen, ist für mich Alltag und völlig normal.“ Ihr rechtes Bein verlor die Sportlerin, als sie neun Jahre jung war. Knochenkrebs, da gab es keine andere Wahl. Über ihre Gesundheit, ihr Schicksal redet die still, fast bescheiden wirkende junge Frau allerdings nicht so gerne wie über ihre sportlichen Erfolge. 2005 wurde sie beim Fechtweltcup in Hongkong Fünfte, ihr letztes großes Sportevent. „Zu meinen größten Erfolgen zähle ich, dass ich bei den Asian Games 2002 die Silbermedaille errang und beim World Cup im Fechten 2003 Dritte wurde. So kann ich die Berichte mit Insiderwissen und Details bereichern, ich weiß ja, wie die Sportler sich fühlen.“

Im April beim Fackellauf in Paris angegriffen

Sarkozy richtet persönliche Botschaft an chinesische Fackelträgerin
Chinas Heldin. Jin Jing wird in Paris von Tibet-Aktivisten attackiert, hält die Fackel aber fest.

© dpa

Wie es ihr selbst in Paris am 7. April diesen Jahres erging, das haben Millionen Chinesen am Bildschirm miterlebt. Jin Jing sitzt mit einem weißroten Sportdress im Rollstuhl, übernimmt die Flamme als Dritte. Stolz hält sie das Feuer, ist sie doch selbst vom Olympischen und Paralympischen Geist entflammt.  Dann stürzt ein Aktivist auf sie zu, Jin Jing umklammert die Fackel enger, versucht dem Mann in ihrem Rollstuhl auszuweichen, mit Hilfe von Sicherheitskräften gelingt ihr das, sie wird leicht verletzt. Der französische Präsident Nikolas Sarkozy entschuldigt sich später in einem Schreiben im Namen des französischen Volkes für die Attacke. „Als das passierte, habe ich in der Sekunde nur gedacht, ich muss die Fackel beschützen“, sagt die junge Frau, während viele der Volonteers im Sportler-Bereich des "Vogelnestes" Fotos von ihr schießen. Seit Paris gilt Jin Jing als Heldin, als Engel Chinas.

So schalten jetzt viele Chinesen den Fernseher ein, auch um Jin Jing zu sehen. Viele der Kanäle übertragen die Spiele, auch in den Hotels sitzen Chinesen schon morgens auf dem Bett vorm Bildschirm, um Rollstuhlrugby oder Blindenfußball zu gucken.

Ja, diese Spiele werden ihr Land, die Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen verändern, davon ist Jin Jing fest überzeugt. „Es kommen jetzt so viele Ausländer hierher, wir werden uns gegenseitig bereichern.“ Jetzt muss sie aber wieder los, bedeutet ihr die streng wirkende Fernsehkollegin, die Läufe mit den blinden Leichtathleten und ihren sehenden Guides gehen weiter, und Rennrollstuhlfahren steht auch noch an. Und da, das ist doch der chinesische Basketballspieler Jian Ma, dem will sie jetzt ein paar Fragen stellen. Nicht nur sie ist jetzt eine Heldin, auch die behinderten Athleten werden frenetisch gefeiert. Die Halskette mit dem chinesischen Maskottchen, die die 28-jährige Verwaltungsangestellte von ihrer Mutter als Glücksbringer für ihren Paralympics-Job geschenkt bekommen hat, gibt ihr bei der neuen Aufgabe Kraft. Und wenn Jin Jing den Trubel hinter sich gelassen hat heute nach Drehschluss, wird sie zur Entspannung ein wenig singen und zeichnen.

Annette Kögel[Peking]

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