zum Hauptinhalt

Sport: Auch beim schmeichelhaften 1:0-Sieg in Oslo dreht sich in der deutschen Nationalmannschaft alles um Matthäus

Teamchef Erich Ribbeck bat um Bedenkzeit. Gerade einmal eine Viertelstunde nach dem Spiel könne er noch keine vernünftige Analyse abgeben zu dem, was seine Mannschaft beim 1:0-Sieg gegen die norwegischen Fußballer in der ersten Hälfte gezeigt hatte: "Da kann man nur rätseln: Lag es am System, lag es an uns - oder lag es am Gegner?

Teamchef Erich Ribbeck bat um Bedenkzeit. Gerade einmal eine Viertelstunde nach dem Spiel könne er noch keine vernünftige Analyse abgeben zu dem, was seine Mannschaft beim 1:0-Sieg gegen die norwegischen Fußballer in der ersten Hälfte gezeigt hatte: "Da kann man nur rätseln: Lag es am System, lag es an uns - oder lag es am Gegner?" An allem. Sein geplantes System mit vier Stürmern (Marco Bode, Oliver Bierhoff, Oliver Neuville und Ulf Kirsten) erwies sich als Flop. Die Deutschen standen teilweise völlig neben ihren Schuhen und schoben sich eher lustlos den Ball zu. Die Norweger nutzten die Defizite im DFB-Team aus, stellten sich allerdings ziemlich dusselig an, wenn es um das Erzielen von Toren ging. Was nun aber auch wieder mit Jens Lehmann zusammenhing, der hervorragend hielt. Der Teamchef hat schon Recht: So einfach ist das alles nicht.

Als "Abrundung eines letztlich erfolgreichen Jahres" sah Ribbeck den Sieg an, den Mehmet Scholl mit einem direkt verwandelten Freistoß in der Nachspielzeit sicherstellte. Zum einen sei ja die EM-Qualifikation auf dem direkten Weg geschafft worden, zum anderen bringe der Erfolg von Oslo einen positiven psychologischen Effekt. Der 62-jährige Teamchef ist sich sicher: "Dieses Ergebnis wirkt noch bis zum Februar." Dann steht am 23. das nächste Länderspiel an. Gegen die Niederlande, von der die Deutschen vor einem Dreivierteljahr beim 1:1 in Gelsenkirchen eine Halbzeit lang sogar noch schlimmer vorgeführt wurden als am Sonntag von den Norwegern.

Seit Gelsenkirchen hat sich spielerisch zwar nur wenig zum Besseren gewendet, aber wenigstens sieht Ribbeck inzwischen beim Personal für die EM schon etwas klarer. Seinen 22er-Kader muss er zwar erst am 31. März 2000 bekannt geben, aber allein 16 Plätze scheinen schon so gut wie vergeben zu sein an: Babbel, Bierhoff, Bode, Hamann, Jeremies, Kahn, Kirsten, Lehmann, Linke, Matthäus, Neuville, Nowotny, Scholl, Strunz, Wörns und Ziege. Herthas Sebastian Deisler, so er denn mal spielen kann (bisher musste er mehrere Male wegen Verletzung absagen), zählt zu denen, die Ribbeck noch fest im Auge hat. Einen kleinen Schritt in Richtung EM machte sicherlich Deislers Berliner Vereinskollege Dariusz Wosz. Nein, nein, er fühle sich überhaupt nicht als der Sieger im deutschen Team, "es zählt nur der Erfolg der Mannschaft", meinte der 30-Jährige brav. "Durch seine Hereinnahme ist unser Spiel besser geworden", sagte Christian Wörns. Der Berliner und Dietmar Hamann hätten "spielerische Qualitäten" eingebracht, lobte Lothar Matthäus. Für Wosz hat es sich jedenfalls gelohnt, trotz einer Verletzung zur Nationalmannschaft zu fahren, um das Ziel EM nicht abschreiben zu müssen. "Wosz hat seine Chance genutzt", sagte Ribbeck. "Er kann sehr wichtig für die Mannschaft sein."

Doch der Wichtigste ist eben Lothar Matthäus. Und gerade diese Tatsache macht die Probleme des deutschen Fußballs besonders deutlich. Der 38-Jährige ist, obwohl nicht mehr mit außergewöhnlicher Schnelligkeit gesegnet, aus der Abwehr nicht wegzudenken. Wenn hinten alles schwimmt - Lothar, hilf! Die wenigen langen gefährlichen Pässe aus dem Mittelfeld kommen vom Münchner Rekord-Nationalspieler. Wenn nichts mehr nach vorne geht - Lothar, hilf! Kein Wunder, dass auch beim FC Bayern München weiterhin nichts ohne ihn gehen soll. Ribbeck sieht die Entwicklung, dass Matthäus nun eventuell doch über das Jahresende hinaus in München bleiben soll, mit Freude: "Das würde ich sehr begrüßen. Man sieht doch in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern, wie wertvoll er ist." Die New York MetroStars haben angeblich nichts gegen eine Verlängerung des Münchner Engagement bis in den März hinein. Matthäus aber hat offensichtlich noch mehr vor. Nach Angaben des Fachmagazins "Kicker" hat er sich in einem Telefonat mit Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge darauf geeinigt, nicht nur bis März, sondern sogar bis zum Saisonende in München zu bleiben.

Matthäus selbst schwieg am Sonntagabend zu seinen Plänen beharrlich. Er freute sich, dass Jens Lehmann so stark gehalten habe, "genauso wie der Olli Kahn gegen die Türken". Und wenn der Torwart doch einmal geschlagen sei, meinte Matthäus und zwinkerte in die Runde, "dann steht ja auch noch einer auf der Linie". So wie in der zehnten Minute nach einem Kopfball des Norwegers Steffen Iversen. Erraten: Es war natürlich Lothar Matthäus, der Helfer in der Not. Denn in Not gerät die deutsche Fußball-Nationalmannschaft immer, wenn es gegen Gegner geht, die stärker sind als Moldawier, Nordiren, Finnen oder Neuseeländer. Da wird ihr, siehe Oslo, gezeigt, wie gering ihre spielerischen Mittel sind.

Lothar Matthäus kann zwar viel, aber er kann nicht überall sein.Aufgeschnappt

"Typisch deutsch: an die Wand gespielt, aber trotzdem gewonnen."

Die norwegische Tageszeitung "VG" zum schmeichelhaften 1:0-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschft in Oslo.

Sebastian Arlt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false