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Sport: Auf, ab und raus

Nicolas Kiefer spielt gut gegen Roger Federer und verliert dennoch in vier Sätzen – auch die anderen Deutschen verpassen beim Tennisturnier in Wimbledon den Einzug ins Achtelfinale

Irgendwann im vierten Satz interessierten sich die Fernsehkameras nicht mehr für das Tennismatch, sondern schwenkten hinüber zur Royal Box. Zu einem Mann mit grauem Haar und schwarzem Oberlippenbart, der höflich applaudierte. Die Fernsehregisseure hatten Sean Connery unter den Zuschauern entdeckt, den James-Bond-Darsteller. „Als die Zuschauer dann auch noch die Welle machten, ist man als Spieler schon beeindruckt“, sagte Nicolas Kiefer. Spätestens in diesem Moment muss ihm klar geworden sein, dass er gerade einen dieser Momente erleben darf, für den ein Tennisprofi lebt: Er spielte auf dem Centre Court von Wimbledon, auf dem wahrscheinlich exklusivsten bestgepflegten Rasen der Welt.

Es gibt jedoch noch etwas Besseres, als auf dem Centre Court zu spielen: Dort zu gewinnen. Das gelang Nicolas Kiefer nicht, er unterlag dem Weltranglistenersten Roger Federer nach 2:35 Stunden mit 2:6, 7:6, 1:6, 5:7. Was nicht überrascht, der Schweizer hat seit 2002 kein Tennismatch auf Rasen verloren und ist Titelverteidiger in Wimbledon. Trotzdem sagte Kiefer: „Ich bin nur teilweise zufrieden, ich habe noch zu viel Auf und Ab in meinem Spiel.“ Das größte Ab erlebte er im vierten Satz, als er beim Stand von 5:3 bei eigenem Aufschlag die Chance vergab, das Match in einen entscheidenden fünften Satz zu schicken. „Ich war in diesem Moment nicht sehr zuversichtlich“, sagte Federer, „ich wollte mich schon auf den fünften Satz vorbereiten.“ Doch der Schweizer bot plötzlich einige großartige Returns. „Er hat im entscheidenden Moment noch einen Gang zugelegt“, sagte der dreimalige Wimbledon-Sieger Boris Becker.

Neben Kiefer schieden auch die letzten beiden deutschen Tennisprofis am Samstag in der dritten Runde aus. Florian Mayer unterlag dem Spanier Juan Carlos Ferrero 6:3, 2:6, 1:6, 1:6, und Alexander Popp scheiterte am Russen Dimitri Tursunow 7:5, 6:7, 2:6, 2:6. Kein deutscher Spieler erreichte damit im Einzelwettbewerb das Achtelfinale in Wimbledon. Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen hatte nichts anderes erwartet: „Die meisten Spieler sind im Soll, doch es fehlen die positiven Überraschungen.“ Boris Becker urteilte ebenfalls nachsichtig. „Fast alle haben sich gut geschlagen, es fehlt allerdings der große Wurf.“

Für den 27-jährigen Nicolas Kiefer wird es allmählich Zeit, diesen großen Wurf doch noch irgendwann zu landen. Platz vier in der Weltrangliste im Jahr 2000 und die Silbermedaille im Doppel bei den Olympischen Spielen von Athen zählen zu den Höhepunkten seiner Karriere. Die Chancen auf weitere Erfolge sind durchaus vorhanden, bei den US Open 2004 oder bei den French Open 2005 arbeitete er sich jeweils ins Achtelfinale vor – doch jedes Mal beendete eine Verletzung seine Hoffnungen. „Mir fehlen durch die vielen Verletzungen zwei bis drei Jahre, aber vielleicht habe ich dadurch nach hinten raus mehr Zeit“, sagte Kiefer.

In Wimbledon hat er gegen Roger Federer eine gute Chance verpasst. „Er hat in vielen Phasen sehr gut gespielt“, sagte Kühnen, „aber er war in den Drucksituationen zu passiv.“ Nach einem nervösen Beginn im ersten Satz fand Kiefer erst im zweiten Durchgang ins Match. Er schlug besser auf, begann sein Spiel mutiger zu variieren. „Wenn er viel riskiert, ist es schwer, gegen ihn zu spielen“, sagte Federer. Mit 7:5 entschied Kiefer den Tiebreak für sich und feierte den Satzgewinn mit einem lauten Aufschrei. Es war Federers erster Satzverlust im laufenden Turnier. Danach aber spielte Kiefer übermotiviert. „Ich wollte ihm zeigen, wo es langgeht.“ Es kam exakt umgekehrt, 1:6 verlor er den dritten Satz. Erst im vierten Satz gelangen ihm die ersten zwei Breaks. Doch Kiefer konnte sie nicht nutzen. Trotzdem glaubt er: „Ich bin auf dem richtigen Weg.“ Nun will er sich in der Weltrangliste verbessern – damit er künftig nicht mehr so früh im Turnier auf Roger Federer trifft.

Nach dem Match trafen sich Boris Becker und Patrik Kühnen auf einer Terrasse des Spielerrestaurants. „Leider kann man hier das Fußballspiel Deutschland gegen Brasilien nicht sehen“, sagte Becker. „Doch, auf Channel Five, um fünf Uhr“, antwortete Kühnen. „Das ist ja gleich“, stellte Boris Becker fest. Kurz darauf brachen sie auf. Was sollten sie auch sonst tun: Deutsches Tennis gibt es seit gestern in London nicht mehr zu sehen.

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